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Special Vereinigtes Königreich Brexit

Wie wirkt sich der Brexit auf Verträge aus?

Sowohl bereits bestehende Verträge als auch laufende Vertragsverhandlungen können betroffen sein / Von Karl Martin Fischer LL.M.

Bonn (GTAI) - Vieles in Sachen Brexit ist noch nicht klar, aber es ist annähernd sicher, dass das Vereinigte Königreich die Europäische Union verlassen wird. Dann aber gilt: egal wie "hart" oder "weich" der Brexit wird, existierende Handelsverträge mit Bezug zum Vereinigten Königreich verdienen Aufmerksamkeit. Dieser Artikel gibt einige Hinweise.

Vielfältige Auswirkungen auf Verträge möglich

Der Brexit wird nicht nur Auswirkungen auf Verträge haben, die zwischen einem europäischen und einem britischen Geschäftspartner abgeschlossen wurden. Er kann auch innerdeutsche Vereinbarungen betreffen, oder Verträge zwischen einem deutschen und beispielsweise einem amerikanischen Unternehmen - etwa im Rahmen von Vertriebsvereinbarungen. Die Konsequenzen des Brexit sind also auch auf diesem Gebiet umfangreicher, als es zunächst den Anschein hat.

Wenn Verträge auf die EU als Territorium Bezug nehmen

In vielen Handelsverträgen gibt es Bezüge zu Territorien - nicht nur, aber besonders häufig in Verträgen, die den Vertrieb betreffen. Und es kommt wiederum häufig vor, dass die Europäische Union als Territorium definiert wird. Hier kann sich nach dem Austritt die Frage stellen, ob das Vereinigte Königreich noch von dieser Definition noch erfasst ist - die Antwort auf diese Frage ist keineswegs so klar, wie es auf den ersten Blick erscheint - und ob es noch erfasst sein soll. Im Zweifel müssen die Vertragsparteien aktiv werden und den Vertrag entsprechend ändern.

Was passiert in Großbritannien nach dem Brexit mit dem EU-Recht?

Es gibt zwar kein allgemeines europäisches Vertragsrecht, gleichwohl hat das europäische Recht für viele Verträge erhebliche Bedeutung. Als Beispiele seien das Handelsvertreterrecht oder die vielen europäischen Elemente des Arbeitsrechts genannt, die die Vertragsfreiheit einschränken. Was passiert mit Regelungen, die hierauf Bezug nehmen?

Auf diesem Gebiet gibt es noch einige Verunsicherung. Die britische Regierung hat allerdings ein Gesetz angekündigt, das sämtliches EU-Recht in nationales, britisches Recht umwandeln soll, die "Great Repeal Bill". Das Gesetz soll pünktlich mit dem Wirksamwerden des Austritts in Kraft treten. Der Hintergrund: EU-Recht ist so zahlreich und relevant, dass ein ersatzloser Wegfall von heute auf morgen erhebliche Regelungslücken verursachen würde. Dadurch, dass man die EU-Regelungen - zumindest übergangsweise - in nationales Recht übernimmt, kann man solche Regelungslücken vermeiden und sodann Stück für Stück die gewünschten inhaltlichen Änderungen vornehmen. Es lohnt sich, das Schicksal dieses Gesetzes genau zu beobachten.

Nationales Recht bleibt relevant

Nationales Recht wird unter anderem dann ins Spiel kommen, wenn die Vertragsabwicklung aufgrund Brexit-bedingter veränderter Rahmenbedingungen Probleme aufwirft. Hier wird sich zunächst die Frage stellen, welches nationale Recht überhaupt gilt.

Im Idealfall hat der Vertrag eine klare, ausdrückliche Rechtswahl getroffen. Falls nicht, gilt im Regelfall das Recht desjenigen Staates, in dem derjenige, der die vertragstypische Leistung erbringt, seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat (Artikel 4 der Verordnung 593/2008/EG, die so genannte Rom-I-Verordnung). Wenn die "Great Repeal Bill" Gesetz wird, dann würde die soeben genannte Regel auf britischer Seite auch nach dem Brexit fortgelten - zumindest bis auf Weiteres.

Der Brexit als solcher ist kein Kündigungsgrund

Zunächst mag es ausdrückliche vertragliche Regelungen geben, die für veränderte Rahmenbedingungen Vorkehrungen treffen. Im britischen Rechtskreis sind "Material Adverse Change" Klauseln verbreitet. Solche Klauseln sind allerdings nur in den seltensten Fällen im Hinblick auf den kommenden Brexit geschrieben worden. Daher ist es völlig unklar, ob sie im konkreten Fall hilfreich sind oder nicht.

Außerhalb des Vertragstextes gibt es in Deutschland die Lehre vom "Wegfall der Geschäftsgrundlage" und im Vereinigten Königreich die so genannte "force majeure", also höhere Gewalt. Ob der Brexit ohne Weiteres als "höhere Gewalt" zählt oder die Mitgliedschaft des VK eine Geschäftsgrundlage ist, ist im Einzelfall zu prüfen - Vertragspartner sollten sich aber auf keinen Fall darauf verlassen, sich auf diese Regelungen berufen zu können.

Laufende Vertragsverhandlungen sind ebenfalls betroffen

Ganz sicher hat der Brexit Auswirkungen auf die Gestaltung von Verträgen, die zukünftig abgeschlossen werden und die einen Bezug zum VK haben. Wo immer möglich sollten aber auch laufende Verträge kontrolliert und, falls erforderlich, nachverhandelt werden. In vielen Fällen wird es um die Verteilung von Mehrkosten gehen, die durch den Brexit verursacht werden. In anderen Fällen wird es um Möglichkeiten oder Modalitäten der Beendigung von Verträgen gehen. Auch hier kommt alles auf den Einzelfall an.

Vieles spricht für kontinentaleuropäisches Recht

Bezüglich der Wahl des anwendbaren Rechts besteht Vertragsfreiheit, und Vieles spricht dafür, dass sich daran auch nach dem Brexit nichts ändern wird. Die Parteien können sich also darauf einigen, welches Recht Anwendung findet. Interessanterweise raten englische Kanzleien in ihren Mandanten-Newslettern zur Vereinbarung englischen Rechts, während deutsche Kanzleien eher dazu tendieren, zum deutschen Recht zu raten. Für Letzteres spricht in der Tat die hohe Verlässlichkeit, gerade auch unter dem Aspekt der fortdauernden EU-Mitgliedschaft Deutschlands. Das VK dürfte hingegen voraussichtlich bald eine größere Freiheit haben, sein Recht zu ändern. Je mehr es davon Gebrauch macht, desto mehr Rechtsunsicherheit wird als Folge entstehen - zumindest vorübergehend. Sollte eine Einigung auf deutsches Recht nicht möglich sein, kann als Kompromiss die Vereinbarung des Rechts eines "neutralen" kontinentaleuropäischen Rechts in Erwägung gezogen werden.

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