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Rechtsbericht Turkmenistan Schiedsgerichtsbarkeit

Turkmenistan - Neues Gesetz über Schiedsgerichtsbarkeit

Turkmenistan erließ am 16. August 2014 erstmals ein Gesetz über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit. 

Von Dmitry Marenkov, Yevgeniya Rozhyna | Bonn

Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 1. September 2014 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert im Februar 2022.

Das Gesetz trat am 1. Januar 2016 in Kraft. Das Gesetz scheint in weiten Teilen dem UNCITRAL Modellgesetz über die internationale Schiedsgerichtsbarkeit in der Fassung von 2006 nachgebildet zu sein. Eine englische Übersetzung des Gesetzes ist bislang nicht ersichtlich, eine russische Übersetzung ist dagegen im Internet abrufbar.

Nach Art. 1 des Gesetzes können Streitigkeiten aus vertraglichen und anderen zivilrechtlichen Rechtsverhältnissen im Zusammenhang mit internationaler Wirtschaftstätigkeit Gegenstand von Schiedsverfahren sein. Der internationale Charakter eines Schiedsverfahrens ist gegeben, wenn mindestens eine der Parteien nicht in Turkmenistan ansässig ist. Zusätzlich gilt ein Schiedsverfahren jedoch auch dann als international, wenn in Turkmenistan registrierte Unternehmen mit ausländischer Beteiligung beteiligt sind. Ein solches Verständnis der Internationalität, das vom Modellgesetz abweicht, findet sich auch im Schiedsverfahrensrecht anderer postsowjetischen Staaten, z.B. im russischen Gesetz Nr. 5338-I vom 7. Juli 1993 und dem ukrainischen Gesetz Nr. 4002-XII vom 24. Februar 1994.

Das Gesetz normiert die Anforderungen an die Schiedsvereinbarung und sieht zwingend Schriftform vor (Art. 7). Wird vor einem turkmenischen Gericht Klage in einer Angelegenheit erhoben, die Gegenstand einer Schiedsvereinbarung ist, so hat das Gericht die Klage als unzulässig abzuweisen, sofern der Beklagte dies vor Beginn der mündlichen Verhandlung zur Hauptsache rügt, es sei denn, das Gericht stellt fest, dass die Schiedsvereinbarung nichtig, unwirksam oder undurchführbar ist (Art. 8). Den Parteien steht es frei, eine ungerade Anzahl von Schiedsrichtern zu bestellen. Mangels einer Parteivereinbarung besteht ein Schiedsgericht aus drei Schiedsrichtern (Art. 10). Jede Partei ist gemäß Art. 11 zur Bestellung eines Schiedsrichters befugt; die beiden parteiernannten Schiedsrichter bestellen gemeinsam den/die Vorsitzende(n). Wenn sich die parteiernannten Schiedsrichter nicht auf die Person des/der Vorsitzenden bzw. sich die Parteien nicht auf die Person des Einzelschiedsrichters einigen können, erfolgt die Ersatzbestellung gemäß Art. 6 durch den Vorsitzenden der Industrie- und Handelskammer Turkmenistans. Auch insoweit ist eine Parallele mit dem russischen und ukrainischen Schiedsverfahrensrecht festzustellen, wo die unterstützende Funktion gemäß Art. 6 des Modellgesetzes ebenfalls nicht von einem Gericht (vgl. § 1035 dt. ZPO), sondern vom Präsidenten der zentralen IHK ausgeübt wird. Auch im Rahmen der Ersatzbestellung sind die vereinbarten Qualifikationsanforderungen sowie die Unabhängigkeit und die Unparteilichkeit des Schiedsrichters zu berücksichtigen. Der/die Vorsitzende des Schiedsgerichts bzw. der Einzelschiedsrichter soll dabei nach Möglichkeit einer anderen Staatsangehörigkeit sein als die Parteien.

Das Schiedsgericht ist nach dem Grundsatz der Kompetenz-Kompetenz zur Entscheidung über die eigene Zuständigkeit befugt (Art. 16). In Art. 17 – 27 sind die vom Schiedsgericht angeordneten vorläufigen Maßnahmen und deren Vollstreckbarkeit geregelt (vgl. Kapitel IV.A, Art. 17 – 17 J des Modellgesetzes in der Fassung von 2006). Die Parteien sind berechtigt, den Schiedsort und die Verfahrenssprache frei zu vereinbaren (Art. 30, 32). Ein im Rahmen des Schiedsverfahrens erzielter Vergleich kann in Form eines Schiedsspruchs mit vereinbartem Wortlaut gestaltet werden (Art. 40). Ein Schiedsspruch kann vom Obersten Gericht Turkmenistans auf Antrag aufgehoben werden. Die Aufhebungsgründe in Art. 45 entsprechen den Aufhebungsgründen in Art. 34 des Modellgesetzes bzw. § 1059 dt. ZPO. Die in Art. 47 enumerativ genannten Versagungsgründe im Kontext der Anerkennung und Vollstreckbarerklärung ausländischer Schiedssprüche geben die Versagungsgründe in Art. V des New Yorker Übereinkommens und Art. 36 des Modellgesetzes wieder (unangemessene Benachrichtigung, fehlende Schiedsfähigkeit, Verstoß gegen die öffentliche Ordnung etc.). Unter öffentlicher Ordnung (ordre public) werden nach der Legaldefinition in Art. 2 die Grundlagen der turkmenischen Rechtsordnung verstanden. Zusätzlich sieht Art. 47 Abs. 2 vor, dass die Anerkennung und Vollstreckung eines Schiedsspruchs versagt werden kann, wenn sie gegen den Grundsatz der souveränen Immunität Turkmenistans verstoßen würde, es sei denn Turkmenistan hat ausdrücklich auf Immunität verzichtet.

Turkmenistan gehört bis heute nicht zu den 150 Mitgliedstaaten des New Yorker Übereinkommens über die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Schiedssprüche von 1958. Somit bleibt Turkmenistan der letzte zentralasiatische Staat, der dem New Yorker Übereinkommen nicht beigetreten ist. Zuvor war Tadschikistan mit Wirkung zum 12. November 2012 dem Übereinkommen beigetreten. Die Nachbarstaaten Kasachstan und Usbekistan gehören dem New Yorker Übereinkommen dagegen bereits seit 1996 und Kirgisistan seit 1997 an. Alle Mitgliedstaaten können auf der Seite des UNICENTRAL eingesehen werden.

Turkmenistan ist dagegen bereits seit 1992 Vertragsstaat des Übereinkommens zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten zwischen Staaten und Angehörigen anderer Staaten von 1965 (ICSID Übereinkommen). Nach Angaben des Internationalen Zentrums zur Beilegung von Investitionsstreitigkeiten (ICSID) ist der Staat Turkmenistan bislang an sechs ICSID-Schiedsverfahren als Beklagter beteiligt gewesen, wovon eines bereits beendet ist.

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