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Rechtsbericht | Ägypten | Arbeitsrecht

Ägyptisches Arbeitsrecht

Das ägyptische Arbeitsrecht orientiert sich in besonderem Maße an kontinentaleuropäische Standards. Das Kündigungsrecht folgt aber grundsätzlich anderen Regeln als in Deutschland.

Von Sherif Rohayem, Jakob Kemmer

Hinweis: Der Rechtsbericht wurde erstmals am 27. Januar 2015 veröffentlicht und zuletzt inhaltlich überprüft und - soweit dies erforderlich war - aktualisiert und gekürzt im Februar 2022.

Rechtsgrundlagen

Das ägyptische Arbeitsrecht konzentriert sich überwiegend in einer Kodifizierung. Das Gesetz Nr. 12/2003 (ArbG) regelt die Materien, die im deutschen Arbeitsrecht teilweise über das Arbeitszeitgesetz, das Bundesurlaubsgesetz, das Kündigungsschutzgesetz oder das Betriebsverfassungsgesetz festgeschrieben sind. Es enthält Vorschriften zu den gegenseitigen Rechten und Pflichten zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer (Individualarbeitsrecht) sowie Vorschriften über die Aufgaben und Befugnisse der Tarifparteien, die Rechtmäßig und Wirkung von Tarifverträgen und die Zulässigkeit von Streiks (kollektives Arbeitsrecht).

Allgemeine Regeln über den Arbeitsvertrag enthält das ägyptische Zivilgesetzbuch (Gesetz Nr. 131/1948, ZGB). Die Artt. 674 bis 698 ZGB geben vor, aus welchen Elementen ein Arbeitsvertrag besteht, welche Wirkungen er hat, wann er endet oder bis wann dessen Parteien Ansprüche aus dem Arbeitsvertrag einklagen können. Dabei gibt es Überschneidungen mit den Regelungen des ArbG, die denen des ZGB vorgehen, wenn sie sich widersprechen (Art. 675 Abs. 1 ZGB). Die Vorschriften des ZGB über den Arbeitsvertrag haben insofern Auffangcharakter.

Vertragsabschluss

Ähnlich wie in Deutschland sind die Vorschriften des Arbeitsrechts Schutzgesetze zugunsten der Arbeitnehmer. Daraus folgt für die Vertragsgestaltung, dass sie überwiegend zwingender Natur sind und die Parteien nur zugunsten des Arbeitnehmers hiervon abweichen dürfen. Artikel 5 ArbG stellt den Grundsatz auf, dass alle Vereinbarungen nichtig sind, wenn sie zuungunsten des Arbeitnehmers von den Vorschriften des ArbG abweichen. So erklärt Art. 154 Abs. 2 ArbG bei divergierenden Klauseln eines Individualvertrags und eines Tarifvertrags diejenige für wirksam, die für den Arbeitnehmer günstiger ist.

Arbeitnehmer ist nach den Legaldefinitionen des Art. 1 (A) ArbG und des Art. 674 ZGB jede natürliche Person, die gegen ein Entgelt Dienste für einen Arbeitgeber erbringt und dessen Weisungen untersteht.

Für einen Arbeitsvertrag verlangt Art. 32 ArbG die Schriftform; er muss, unabhängig von der Nationalität des Arbeitnehmers, in arabischer Sprache verfasst und dreifach ausgefertigt sein - jeweils ein Exemplar für den Arbeitgeber, den Arbeitnehmer und die zuständige Sozialversicherungsstelle.

Gemäß Art. 32 Abs. 2 ArbG muss ein Arbeitsvertrag die folgenden Pflichtangaben enthalten:

  • Name und Sitz des Arbeitgebers;
  • Name und Adresse des Arbeitnehmers sowie dessen berufliche Qualifikation und Sozialversicherungsnummer;
  • Den Vertragsgegenstand, der die konkret zu erfüllenden Aufgaben des Arbeitnehmers beschreibt;
  • Das vereinbarte Gehalt, die Zahlungsmethode und ggf. weitere Sonderzahlungen.

Eine Probezeit darf bei demselben Arbeitgeber nur einmal vereinbart werden und drei Monate nicht übersteigen (Art. 33 ArbG).

Befristungen des Arbeitsverhältnisses sind zulässig, ohne dass es für die Befristung eines berechtigten Interesses bedarf. Auch sieht das Gesetz keine Grenze für Dauer und Anzahl von Befristungen vor. Setzen die Parteien das Arbeitsverhältnis nach Ablauf der Befristung faktisch fort, wird der Arbeitsvertrag in einen unbefristeten umgewandelt (Art. 105 Abs. 1 ArbG). Für ausländische Arbeitnehmer tritt diese Rechtsfolge nicht ein (Art. 105 Abs. 2 ArbG).

Rechte und Pflichten der Vertragsparteien

Das konkrete Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis behandelt das 2. Buch des ArbG in den Abschnitten 2 bis 7. Dort finden sich Regelungen zu den Kernfragen eines Arbeitsverhältnisses wie zum Beispiel Vertragsgestaltung, Gehalt, Urlaub, Arbeitszeit oder Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

Arbeitnehmerpflichten

Vorbehaltlich zwingender Gesetze richtet sich das Pflichtenprogramm der Parteien nach den (tarif-)vertraglichen Vereinbarungen. Folglich schuldet der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber die Arbeitsleistung entsprechend der Stellenbeschreibung des Arbeitsvertrags. Unter den in Art. 76 ArbG bezeichneten Voraussetzungen ist ein Arbeitgeber jedoch berechtigt, seinem Arbeitnehmer vorübergehend von der Stellenbeschreibung abweichende Aufgaben zu übertragen. Dabei handelt es sich um eng gefasste Tatbestände, denen ein Ausnahmecharakter gemein ist.

Die Artt. 56 und 57 ArbG zählen die allgemeinen Pflichten des Arbeitnehmers gegenüber dem Arbeitgeber auf. Sie lassen sich in Sorgfalts- und Treue- beziehungsweise Loyalitätspflichten einteilen. Dazu zählen unter anderem:

  • Die generelle Pflicht des Arbeitnehmers, die ihm übertragenen Aufgaben weisungsgemäß und gewissenhaft zu erfüllen;
  • Ggf. dessen Arbeitsmittel schonend zu behandeln sowie einen angemessenen Umgang mit den Kunden des Arbeitgebers zu pflegen;
  • Verschwiegenheit im Zusammenhang mit Betriebsgeheimnissen zu wahren;
  • Nicht gleichzeitig einer anderen Tätigkeit nachzugehen, die das Arbeitsvermögen schmälert;
  • Keine Geschenke anzunehmen, ohne die Erlaubnis des Arbeitgebers.

Es handelt sich um keine abschließende Aufzählung, weitere Pflichten können sich aus dem jeweiligen Einzelfall ergeben. Bei einem Verstoß gegen einer dieser Pflichten, stehen dem Arbeitgeber die in Art. 60 ArbG benannten disziplinarischen Maßnahmen zur Verfügung, welche von einer schlichten Warnung über verschiedene Arten der Gehaltskürzungen bis hin zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses reichen. Eine verhängte Disziplinarmaßnahme muss im Verhältnis zu der begangenen Pflichtverletzung stehen (Art. 59 Abs. 2 ArbG).

Beschädigt oder zerstört ein Arbeitnehmer infolge von Fahrlässigkeit oder Vorsatz ein Arbeitsmittel des Arbeitgebers, so schuldet er letzterem Ersatz in Höhe des (Minder-) Werts dieses Arbeitsmittels (Art. 73 ArbG).

Arbeitgeberpflichten

Artikel 36 ArbG impliziert, dass das Gehalt grundsätzlich einer freien Vereinbarung zugänglich ist und die Höhe den Bestimmungen des jeweiligen Arbeits- oder Tarifvertrags unterstellt ist. Allerdings existiert in Ägypten ein Mindestlohn, den ein Gremium auf der Grundlage des Art. 34 ArbG jährlich festsetzt. Unbeschadet dieses Mindestlohns steht es den Parteien gemäß Art. 37 ArbG frei, den Lohn auf der Basis von erbrachten Leistungen zu bestimmen. Gleichgültig wie die Parteien den Lohn ausgestaltet haben, besteht der Lohnanspruch des Arbeitnehmers fort, wenn sich der Arbeitnehmer im Gläubiger- beziehungsweise Annahmeverzug befindet. Das ist dann der Fall, wenn der Arbeitnehmer an der Verrichtung seiner Arbeit gehindert wird aus Gründen, welche der Arbeitgeber zu vertreten hat. Hindern den Arbeitnehmer Gründe an der Aufnahme seiner Arbeit, die außerhalb der Verantwortung des Arbeitgebers liegen, steht dem Arbeitnehmer sein Lohnanspruch immerhin zur Hälfte zu (Art. 41 Abs. 1 und 2 ArbG). Lohndiskriminierungen aufgrund von Rasse, Geschlecht, Religion, Weltanschauung oder Herkunft sind untersagt (Art. 35 ArbG).

Auch im Hinblick auf Urlaubs- und Erholungszeiten hält das ArbG in den Artt. 47 ff. Regelungen vor, von denen die Parteien nicht abweichen dürfen. So beträgt der bezahlte Jahresurlaub 21 Werktage bei einer einjährigen Betriebszugehörigkeit, 30 Werktage bei einer zehnjährigen Betriebszugehörigkeit oder bei Arbeitnehmern, die das 50. Lebensalter vollendet haben. Bei einer Betriebszugehörigkeit unter einem Jahr steht dem Arbeitnehmer ein Urlaubsanspruch proportional zu seiner Betriebszugehörigkeit zu (Art. 47 ArbG).

Gemäß Art. 80 ArbG beträgt die regelmäßige Arbeitszeit 8 Stunden am Tag (höchstens 10 Stunden) oder 48 Stunden pro Woche - Pausen nicht mitgezählt. Nach sechs Tagen steht dem Arbeitnehmer grundsätzlich ein freier Tag (24 Stunden) zu (Art. 83 ArbG). Überstunden sind zulässig, deren Vergütung die Parteien vereinbaren dürfen, die der Arbeitgeber jedoch mindestens mit dem Grundgehalt und einem Aufschlag von 35 Prozent vom Grundgehalt entlohnen muss. Soll der Arbeitnehmer nachts arbeiten, schuldet der Arbeitgeber ihm mindestens das Grundgehalt nebst einem Aufschlag von 70 Prozent. Für die Arbeit an freien Tagen erhalten Arbeitnehmer mindestens ihr doppeltes Gehalt (Art. 85 Abs. 2 und 3 ArbG).

Die in Artt. 80 ff. ArbG getroffenen Regelungen zur Arbeitszeit gelten nicht für Arbeitnehmer im Sinne des Gesetzes Nr. 133/1961 betreffend industrieller Arbeitnehmer und unter anderem auch nicht für Führungspersonal (Art. 87 Nr. 1 ArbG).

Artikel 9 Abs. 2 ArbG betrifft das Schicksal des Arbeitsvertrags im Falle eines Betriebsübergangs und ist vergleichbar mit der deutschen Parallelvorschrift des § 613 a BGB. Ein Betriebsübergang lässt den Arbeitsvertrag mit dem ursprünglichen Arbeitgeber unberührt - letzterer haftet gemeinsam mit dem neuen Arbeitgeber für die Erfüllung der Pflichten, die aus dem ursprünglichen Arbeitsvertrag resultieren (Art. 9 Abs. 2 ArbG).

Vertragsbeendigung

Ein Arbeitsvertrag endet mit der einvernehmlichen Aufhebung desselben, bei einem befristeten Arbeitsverhältnis mit Ablauf der Befristung (Art. 104 Abs. 1 ArbG) oder durch Kündigung.

Kündigung

Kündigen Arbeitgeber oder Arbeitnehmer das Arbeitsverhältnis ohne einen Kündigungsgrund, sind sie der anderen Partei zum Ersatz des Schadens verpflichtet, der infolge der Kündigung eingetreten ist (Art. 122 ArbG). Aus der Sicht des Arbeitnehmers liegen zur Kündigung berechtigende Gründe vor, wenn sie gesundheitlicher, sozialer oder wirtschaftlicher Natur sind (Art. 110 Abs. 3 ArbG) oder wenn der Arbeitgeber wesentliche Pflichten verletzt oder sich gegenüber dem Arbeitnehmer oder dessen Familienangehörigen feindselig verhält (Art. 121 ArbG).

Das ArbG berechtigt Arbeitgeber in folgenden Fällen zu einer verhaltensbedingten Kündigung:

  • Leistungsschwäche des Arbeitnehmers (Art. 110 Abs. 2 Alt. 2 ArbG);
  • Grobe Pflichtverletzung des Arbeitnehmers (Art. 110 Abs. 2 Alt. 1 ArbG in Verbindung mit Art. 69 ArbG), wie zum Beispiel die Angabe einer falschen Identität, Verursachung eines erheblichen Schadens, wiederholte Missachtung von Maßnahmen zum Schutz des Personals, wiederholtes und grundloses Fehlen, gleichzeitiges Tätigwerden bei einem Mitbewerber des Arbeitgebers, alkoholisiertes Erscheinen am Arbeitsplatz.

Nach deutschem Recht muss der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage erheben mit dem Ziel, festzustellen, dass die ausgesprochene Kündigung unrechtmäßig und somit unwirksam ist. Im ägyptischen Recht verhält es sich genau umgekehrt: hier muss der Arbeitgeber auf Kündigung klagen. Zuvor muss er ein internes Inquisitionsverfahren (Art. 64 ff. ArbG) durchgeführt haben, in dem er untersucht hat, ob tatsächlich ein zur Kündigung berechtigendes Verhalten des Arbeitnehmers vorlag. Wenn ja, muss er darüber einen Bericht verfassen, den er gemeinsam mit seinem Antrag auf Bestätigung der Kündigung bei dem zuständigen Arbeitsgericht einreicht. Hält das Arbeitsgericht die Kündigung für unberechtigt und hat der Arbeitgeber den Arbeitnehmer gemäß Art. 66 ArbG vom Dienst freigestellt, verurteilt es den Arbeitgeber die Freistellung aufzuheben, beziehungsweise den Arbeitnehmer seine Arbeit wieder fortsetzen zu lassen (Art. 71 Abs. 3 ArbG).

Befolgt der Arbeitgeber das Urteil nicht, verpflichtet ihn Art. 71 Abs. 4 ArbG in Verbindung mit Art. 122 ArbG eine Entschädigung an den Arbeitnehmer zu zahlen. In diesem Fall spricht das Gesetz von einer grundlosen Kündigung. Das Gericht kann mit anderen Worten den Arbeitgeber verpflichten, aber nicht zwingen, das Arbeitsverhältnis fortzusetzen. Da in der Sache auch eine rechtswidrige Kündigung wirksam ist, besteht, anders als im deutschen Recht, der Lohnanspruch des Arbeitnehmers nicht fort. Der Nutzen einer Kündigungsklage nach Art. 71 Abs. 3 ArbG liegt für den Arbeitgeber einzig darin, dass bei einem Urteil zugunsten des Arbeitgebers letzterer den Arbeitnehmer entlassen kann, ohne ihn entschädigen zu müssen.

Ein Arbeitgeber kann auch direkt grundlos kündigen. Macht er dies, kann der Arbeitnehmer ihn nur auf Zahlung einer Entschädigung verklagen (Art. 122 Abs. 2 ArbG). Arbeitgeber wählen in der Praxis häufig den Weg, den Arbeitnehmer grundlos zu kündigen. Zwar müssen sie dann den Arbeitnehmer entschädigen, ihnen bleibt aber das aufwändige Inquisitionsverfahren und das arbeitsgerichtliche Verfahren erspart, dessen Ausgang ungewiss ist und dessen Dauer in der Praxis häufig die gesetzliche Frist von 15 Tagen wesentlich überschreitet. Zudem schuldet der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer auch für die Zeit der Freistellung den vollen Arbeitslohn (Art. 66 ArbG). Die Entschädigung, die der Arbeitgeber im Fall einer grundlosen Kündigung schuldet, beläuft sich auf wenigstens zwei Monatsgehälter für jedes Dienstjahr (Art. 122 Abs. 2 ArbG).

Die Zulässigkeit einer betriebsbedingten Kündigung folgt den Artt. 196 bis 201 ArbG und setzt voraus, dass der Arbeitgeber bei dem hierfür zuständigen Komitee (s.o.) einen Antrag stellt (Art. 197 ArbG).

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