Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Rechtsbericht Marokko Verjährungsfristen

Verjährung im marokkanischen Recht

Das marokkanische Recht kennt im Gegensatz zum islamischen Recht, das zum Teil auch in Marokko gilt, das Rechtsinstitut der Verjährung (taqādum, prescription).

Von Sherif Rohayem

Allgemeines

Das Verjährungsrecht regeln im Wesentlichen die Art. 371 ff. des marokkanischen Gesetzes betreffend Obligationen und Verträge. Im Gegensatz zum deutschen Recht ist die Verjährung nach marokkanischem Recht im Grundsatz als prozessuale Verjährung und nicht als Anspruchsverjährung ausgestaltet, d.h. gemäß Art. 371 mOG führt die Verjährung zum Verlust des Klagerechts infolge Zeitablaufs.

Als prozessuale Einrede ist die Verjährung ein Verteidigungsmittel gegen einen klageweise geltend gemachten Anspruch. Die wirksam erhobene Verjährungseinrede beseitigt nach marokkanischem Recht die Klagebefugnis des Klägers, während nach deutschem Recht die Verjährung eine dauerhafte Einrede gegen einen Anspruch darstellt. Allerdings sei an dieser Stelle darauf hingewiesen, dass eine trennscharfe Unterscheidung nicht durchgängig möglich ist, weil im marokkanischen Recht, das sich an das französische anlehnt, die Unterscheidung zwischen zivilrechtlichem Anspruch und Klage weniger ausgeprägt ist als im deutschen Recht. Wie im deutschen Recht auch prüft das Gericht die Verjährung nicht von Amts wegen; es obliegt vielmehr dem Beklagten, die Verjährung geltend zu machen (Art. 372 des marokkanischen Gesetzes betreffend Obligationen und Verträge (qānun al iltizamāt w-alʿuqud, Code des obligations et des contrats - mOG). Was den Zweck der Verjährung angeht, lässt sich hieraus folgender Befund ableiten:

Die Verjährung ist ein Instrument zum Schutz des Schuldners, dessen Beweisposition sich mit zunehmendem Zeitablauf regelmäßig verschlechtert; zugleich können ihm durch Zeitablauf Regressmöglichkeiten genommen werden. Schließlich ist es ihm nicht zuzumuten, für unbegrenzte Zeit Rücklagen für Risiken aus früheren Geschäften zu bilden. Denn dadurch wäre er zum Teil erheblich in seiner Dispositionsfreiheit eingeschränkt. Weil diese Schutzzwecke zwischen Eheleuten oder im Eltern-Kind-Verhältnis nicht greifen, findet bei diesen Personenkreisen keine Verjährung statt (Art. 378 mOG).

Grundsätzlich steht es allein dem Schuldner zu, die Verjährung geltend zu machen. Ist eine Forderung hingegen mit einer Bürgschaft oder anderweitig besichert, so darf sich der Bürge bzw. der Sicherungsgeber in Ansehung dieser Forderung wie der Hauptschuldner gegenüber dem Gläubiger auf die Verjährung berufen, selbst dann, wenn der Hauptschuldner bereits wirksam auf die Einrede der Verjährung verzichtet hat (Art. 374 mOG).

Verjährungsfristen, -beginn und -berechnung

Die regelmäßige Verjährungsfrist beträgt vorbehaltlich spezieller Regelungen fünfzehn Jahre (Art. 387 mOG). Verglichen mit der dreijährigen regelmäßigen Verjährungsfrist nach deutschem Recht, scheint dies erheblich. Allerdings gibt es eine Fülle von Ausnahmen, die wesentlich kürzere Fristen vorsehen. Dazu kommt, dass die Verjährungsfrist, soweit das Gesetz nicht einen anderen Beginn bestimmt, gemäß Art. 380 Abs. 1 mOG bereits bei der Entstehung des Anspruchs zu laufen beginnt; anders als im deutschen Recht, wo neben der objektiven Anspruchsentstehung zusätzlich die Kenntnis des Schuldners hierüber erforderlich ist, um die Frist in Gang zu setzen. So kann das Kriterium der Schuldnerkenntnis dazu führen, dass sich der Fristbeginn und damit die Verjährung selbst erheblich (bis maximal 10 Jahre) hinauszögern können.

Eine vertragliche Klausel, der zufolge die Verjährung fünfzehn Jahre übersteigt, ist unwirksam (Art. 375 mOG).

Berechnet wird die Verjährung in Tagen, wobei der Tag, an dem die Verjährung beginnt, nicht mitberechnet wird. Die Verjährung tritt mit Ablauf des letzten Tages der Verjährungsfrist ein (Art. 386 Abs. 1 u. Abs. 2 mOG).

Die Artt. 388 und 389 mOG sehen Verjährungsfristen von fünf, zwei und einem Jahr vor.

Artikel 388 mOG

Nach fünf Jahren verjähren Klagen (Ansprüche) von

- Händlern, Lieferanten und Produzenten, die sich ebenfalls gegen Händler, Lieferanten oder Produzenten richten und in Ausübung ihres Gewerbebetriebs veranlasst wurden.

Nach zwei Jahren verjähren u.a. Klagen (Ansprüche) von

- Ärzten, Zahnärzten und Veterinären auf Zahlung ihres Honorars, vom Zeitpunkt der Leistungserbringung,

- Pharmazeuten auf Zahlung für gelieferte Medikamente, vom Zeitpunkt der Leistungserbringung,

- Architekten, (vermessungs- und Bau-)Ingenieuren und Sachverständigen auf Zahlung ihrer Kostenvoranschläge, Honorare und Auslagen, vom Zeitpunkt der Einreichung des Kostenvoranschlags, der Leistungserbringung oder an dem die Auslage getätigt wurde.

Nach einem Jahr (= 365 Tage) verjähren unter anderem Klagen (Ansprüche) von

- Arbeitern, Angestellten, Lehrlingen und Handelsreisenden u.a. auf Zahlung ihres Gehalts, ihrer Provision und ihrer Auslagen,

- Handwerkern auf Zahlung für die von ihnen erbrachten Leistungen, ihres Tageslohns und der im Rahmen ihrer Leistungen getätigten Auslagen.

Artikel 389 mOG

Ebenso verjähren nach einem Jahr (= 365 Tage) unter anderem Klagen (Ansprüche) von

- Prozessanwälten auf Zahlung ihres Honorars und ihrer Auslagen, vom Zeitpunkt, an dem ein Endurteil ergangen ist oder des Mandatswiderrufs,

- Maklern auf Zahlung ihrer Provision, vom Zeitpunkt des vermittelten Geschäftsabschlusses.

Spezielle Verjährungs- und sonstige Ausschlussfristen

Eine wichtige spezielle Regelung zur Verjährung außerhalb der Art. 371 ff. mOG existiert beispielsweise für deliktische Klagen (Ansprüche). Gemäß Art. 106 mOG beträgt die deliktische Verjährungsfrist fünf Jahre. Diese Frist beginnt, wenn der Geschädigte und der Schädiger Kenntnis von dem Schaden erlangt haben. Unabhängig von dieser Kenntnis beträgt die absolute Verjährungsfrist für deliktische Klagen 20 Jahre von dem Zeitpunkt, an dem der Schaden tatsächlich eingetreten ist (Art. 106 mOG).

Für die Rechtsbehelfe, die einem Käufer im Falle einer mangelhaften Sache zustehen (da ʿwa ḍamān ʾalʿyb, action rédhibitoire), hält das Kaufrecht eine spezielle Regelung vor. Beim Kauf von beweglichen Sachen verwirkt der Käufer seine Gewährleistungsrechte, wenn er diese nicht mit Ablauf des dreißigsten Tag nach der Übergabe geltend gemacht hat; bei Immobilien beträgt die Verwirkungsfrist 365 Tage vom Zeitpunkt der Übergabe (Art. 573 Abs. 3 und Abs. 2 mOG). In diesem Zusammenhang spricht das Gesetz nicht von einer Verjährung, sondern von einer Verwirkung. Konsequenterweise sind bis auf die Artt. 371 - 377 mOG die allgemeinen Regeln über die Verjährung hier nicht anwendbar. Insbesondere sind die Vorschriften über die Verjährungsunterbrechung (Artt. 381 - 386 mOG) nicht auf die Verwirkung der Gewährleistungsrechte anwendbar.

Für die Rechtsbehelfe aufgrund von Werkmängeln verweist das Werksvertragsrecht in Art. 771 Abs. 2 mOG auf die oben genannten kaufrechtlichen Fristen des Art. 573 mOG. Dieser Verweis bezieht sich jedoch nur auf Werke, die eine bewegliche Sache sind.

Für die "Verjährung" von Mängelansprüchen, die aus Bauverträgen resultieren, stellt Art. 769 mOG folgende Regelung auf:

Architekten und Ingenieure haften zehn Jahre lang wegen Einsturz oder Einsturzgefahr eines unter ihrer Leitung errichteten Gebäudes infolge:

- mangelhafter Bestandteile, die für den Bau verwendet wurden,

- Konstruktionsfehler oder

- mangelhaften Baugrund (Art. 769 Abs. 1 mOG).

Die Zehnjahresfrist fängt mit der Abnahme des Gebäudes an zu laufen. Tritt innerhalb der Zehnjahresfrist einer der oben genannten Mängel am Gebäude auf, muss der Besteller seine diesbezüglichen Gewährleistungsansprüche innerhalb von dreißig Tagen geltend machen, andernfalls ist seine darauf beruhende Klage unzulässig. Die dreißigtägige Frist beginnt von dem Zeitpunkt, an dem die die Haftung wegen Gebäudeeinsturz oder Einsturzgefahr begründenden Umstände zu Tage treten (Art. 769 Abs. 3 mOG). Auch hier verwendet das Gesetz nicht den Begriff der Verjährung, sondern geht von der Unzulässigkeit der Klage aus. Daraus folgt, dass die allgemeinen Verjährungsregeln auf diese Dreißigtagesfrist nicht anwendbar sind. Dennoch sollte in der Praxis nicht darauf vertraut werden, dass ein Gericht die oben genannte Frist von Amts wegen beachtet. Um sicher zu gehen, sollte man sich auch in einer solchen Konstellation auf den Fristablauf berufen.

Zu beachten ist, dass für die kaufrechtlichen und werkvertraglichen Klagen auf Erfüllung der Primäransprüche (das sind die Ansprüche auf Übertragung des Eigentums der Kaufsache bzw. auf Herstellung des Werkes und Zahlung des Kaufpreises bzw. Werklohns) die allgemeinen Verjährungsfristen gelten.

Verjährungsunterbrechung

Dem marokkanischen Recht ist die Hemmung der Verjährung fremd. Allerdings kennt es die Unterbrechung (inqiṭāʿ, interruption) der Verjährung.

Die Artt. 381 und 382 mOG führen die Tatbestände auf, die die Verjährung unterbrechen. So führt die Rechtsverfolgung - sowohl die gerichtliche als auch die außergerichtliche - die Unterbrechung der Verjährung herbei (Art. 381 Nr. 1 mOG), ebenso der Antrag auf Insolvenz, der die jeweilige Forderung umfasst (Art. 381 Nr. 2 mOG) sowie Sicherungs- oder Vollstreckungsmaßnahmen in das Vermögen des Schuldners (Art. 381 Nr. 3 mOG).

Erkennt der Schuldner die Forderung an, ist deren Verjährung ebenfalls unterbrochen (Art. 382 mOG).

Ist die Verjährung wirksam unterbrochen worden, wird die Zeit während des unterbrechenden Ereignisses nicht mitberechnet und die Verjährung beginnt von neuem, sobald der Unterbrechungstatbestand weggefallen ist (Art. 383 mOG). Die Unterbrechung im marokkanischen Recht lässt sich daher als Kombination aus Verjährungshemmung und Neubeginn nach deutschem Recht beschreiben. Verhandeln die Parteien über einen Anspruch, ist nach deutschem Recht die Verjährung für die Dauer der Verhandlungen gehemmt. Es handelt sich dabei um einen überaus praxisrelevanten Hemmungstatbestand, zu dem das marokkanische Recht keine vergleichbare Regelung aufweisen kann.

Service: Haben Sie schon unsere "gtai-Rechtsnews" abonniert? Kurzmeldungen über aktuelle Rechtsentwicklungen halten Sie monatlich auf dem Laufenden. Anmelden können Sie sich im Internet unter http://www.gtai.de/rechtsnews .

Mit der Reihe "Recht kompakt" bietet Ihnen der Bereich Recht/Ausländisches Wirtschafts- und Steuerrecht zudem kostenlose Basisinformationen für über 50 verschiedene Länder an. Das Länderkurzmerkblatt "Recht kompakt Marokko" ist auf der Website der Germany Trade & Invest abrufbar unter http://www.gtai.de/recht-kompakt .

Sie suchen Rechtsvorschriften in einem bestimmten Land? Nutzen Sie die Länder-Linklisten unter http://www.gtai.de/auslaendische-gesetze.

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.