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Wirtschaftsumfeld
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Bericht Wirtschaftsumfeld Argentinien Konjunktur
Buenos Aires (GTAI) - Der wirtschaftspolitische Kurs der neuen Regierung ist noch unklar. Devisen bleiben auf absehbare Zeit knapp. Der Staat ist klamm, doch die Privatwirtschaft hat Reserven.
06.02.2020
Die zweitgrößte Volkswirtschaft Südamerikas ist kulturell stärker als andere Länder der Region von europäischen Einflüssen geprägt. Auch das Bildungsniveau, die Qualität der Gesundheitsversorgung und der allgemeine Lebensstandard sind im regionalen Vergleich überdurchschnittlich hoch. Einer exportstarken Landwirtschaft steht eine weitgehend wenig wettbewerbsfähige Industrie gegenüber.
Die neue Regierung hat bisher noch nicht den angekündigten "integralen und konsistenten Wirtschaftsplan" vorgelegt. Der Plan hat eine hohe Bedeutung, da er die zu verhandelnde Restrukturierung der Staatsschulden mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) und den privaten Gläubigern beinhalten soll. Vom Verlauf der Verhandlungen wird abhängen, ob, wann und zu welchen Konditionen Argentinien wieder Zugang zum internationalen Kapitalmarkt erhalten wird. Die Gefahr von Zahlungsausfällen des Staates oder privater Schuldner bleibt vorerst hoch.
In jedem Fall dürfte Argentiniens Wirtschaft auf absehbare Zeit unter Devisenmangel leiden. Die Vertrauenskrise, die im Frühjahr 2018 einsetzte und sich ab August 2019 dramatisch verschärfte, hat zu einer massiven Kapitalflucht geführt. Dies zwang schon die liberal-konservative Vorgängerregierung dazu, abermals den Devisen- und Kapitalverkehr einzuschränken. Die neue Regierung hat die Restriktionen verschärft, zusätzliche sind nicht auszuschließen.
Im Vergleich zu den jüngsten sozialen und politischen Unruhen in anderen Ländern Südamerikas hat Argentinien trotz der schweren wirtschaftlichen Krise 2019 kaum Turbulenzen erlebt. Die Wahlen im Oktober 2019 boten ein Ventil für den Unmut der Bevölkerung. Für die neue Regierung hat die soziale Befriedung höchste Priorität. Eine Ausweitung von Sozialhilfen und die Eindämmung der Inflation durch Preisabkommen sollen die Armut lindern, die nach offiziellen Daten 35 Prozent der Argentinier erfasst.
Anders als die Vorgängerregierung hat die neue peronistische Regierung eine starke Position im Parlament. Auch die mächtigen Gewerkschaften und sozialen Bewegungen, Industrieverbände und andere Akteure der Zivilgesellschaft stehen bislang hinter ihr. Offen ist, ob die Regierung diesen Rückhalt für die Umsetzung von Reformen für ein nachhaltiges Wachstum der Wirtschaft nutzen wird. Innerhalb der peronistischen Regierungskoalition konkurrieren unterschiedliche Strömungen. Im Regierungskabinett haben vorerst Pragmatiker die Oberhand. Im Parlament dominiert dagegen der stärker ideologisierte linksperonistische Flügel von Vizepräsidentin Cristina Kirchner.
Sofern die Politik geeignete Rahmenbedingungen setzt, könnten die hohen Kapitalreserven der Argentinier mobilisiert werden. Das im Ausland gebunkerte Kapital beläuft sich auf 322 Milliarden US-Dollar und übersteigt damit die Höhe der gesamten Auslandsverschuldung Argentiniens. Dies macht deutlich, dass es in Argentinien nicht an Kapital mangelt, sondern an Vertrauen und Zuversicht der Wirtschaftsakteure.
Mehr zum Land finden Sie unter: http://www.gtai.de/argentinien