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Wirtschaftsausblick | Belarus

Krieg und Sanktionen bremsen Erholung der Wirtschaft

Die Auswirkungen des Ukrainekrieges dämpfen die wirtschaftliche Entwicklung von Belarus. Weitere Strafmaßnahmen drohen. Das Land gerät in immer größere Abhängigkeit von Russland.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Wirtschaftsentwicklung: Leichtes Wachstum nach schwachem Vorjahr

Belarus spürt die Folgen des russischen Angriffskrieges auf die Ukraine sowie der verhängten Sanktionen. Für das Gesamtjahr 2023 geht die Weltbank von einem geringen Wachstum des Bruttoinlandsprodukts um real 0,6 Prozent aus. Dieses Wachstum beruht allerdings vor allem auf der bereits schwachen Entwicklung im Vorjahr. Im Jahr 2022 sank die Wirtschaftsleistung real um 4,7 Prozent - der größte Einbruch der letzten 20 Jahre. 

Hauptgrund für die wirtschaftliche Entwicklung sind die Strafmaßnahmen des Westens als Reaktion auf die Beteiligung Belarus an der russischen Invasion in die Ukraine. Die Europäische Union verhängte am 2. und 9. März 2022 Sanktionen gegen Belarus, darunter Personenlistungen, ein Handelsembargo, das belarussische Ausfuhren im Wert von 16 Milliarden US-Dollar (US$) trifft, sowie Finanzsanktionen. Vor allem der Ausschluss Belarus vom westlichen Finanzmarkt ist gravierend. Damit ist die Möglichkeit, sich im westlichen Ausland zu finanzieren, eingeschränkt. Am 27. Februar 2023 verlängerte die EU die Maßnahmen um ein weiteres Jahr.

Um die Folgen der Sanktionen abzufedern, setzt Belarus noch stärker auf wirtschaftliche Unterstützung aus Russland. Das größte Flächenland der Welt liefert Gas zu Vorzugspreisen und hält so die belarussische Industrie am Laufen. Zudem erhält Belarus eine finanzielle Entschädigung für die steigenden Ausgaben für Rohöl. Denn wegen des sogenannten Steuermanövers muss Belarus für russisches Rohöl ab 2024 Weltmarktpreise bezahlen. Aufgrund der Transportembargos gen Westen wickelt Belarus nun dreimal so viele Ausfuhren wie vor dem Krieg über russische Ostseehäfen ab.

Mittelfristig bleiben die wirtschaftlichen Aussichten trübe und das Geschäftsumfeld unsicher. Sollte Belarus noch aktiver in den Ukrainekrieg eingreifen, drohen neue Sanktionen. Die Stationierung von russischen Atomwaffen und die Präsenz der Söldnertruppe Wagner engen den Handlungsspielraum des Landes weiter ein. Zudem hängt Belarus finanziell immer stärker am Tropf von Russland, das seinerseits unter den Auswirkungen der westlichen Sanktionen leidet.

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Wirtschaftliche Eckdaten Belarus

Indikator

2021

2022

Vergleichsdaten Deutschland 2022

BIP (nominal, Mrd. US$)

69,7

72,0

4.075

BIP pro Kopf (US$)

7.452

7.732

48.630

Bevölkerung (Mio.)

9,3

9,3

83,4

Wechselkurs (Belarus-Rubel je 1 US$, Jahresdurchschnittskurs)

2,538

2,642

-

Quelle: Weltbank 2023, Destatis 2023

Investitionen: Unternehmen aus dem Westen droht Enteignung

Die Bruttoanlageinvestitionen werden 2023 im Vergleich zum Vorjahr um 3,5 Prozent zulegen, schätzt die Weltbank. Wachstumstreiber Nummer eins sind staatliche Mittel für Projekte zur Importsubstitution sowie steigende Ausgaben für das Militär. Im Vorjahr brachen die Investitionen um 13,3 Prozent ein.

Doch der haushaltspolitische Spielraum des osteuropäischen Landes ist durch die Sanktionen begrenzt. Ende 2022 belief sich der Bruttoschuldenstand auf 39,8 Prozent des BIP. Daher vereinbarte Belarus mit Russland, dem wichtigsten ausländischen Investor, eine spätere Rückzahlung bilateraler Kredite in Höhe von rund 1,4 Milliarden US$ bis 2033, darunter auch Kredite für den Bau des Atomkraftwerks Astrawez.

Das Investitionsklima für westliche Unternehmen verschlechtert sich zunehmend. Belarus droht Firmen, an denen Ausländer beteiligt sind, mit Fremdverwaltung und schafft die Voraussetzungen zur Enteignung von Bürgern aus Staaten, die Sanktionen gegen Belarus erlassen. Am 19. Juni 2023 erweiterte die Regierung die Liste der ausländischen Unternehmen, denen der Verkauf ihrer Anteile verboten wird.

Konsum: Verbraucher schnallen den Gürtel enger

Belarussische Verbraucher halten sich auch 2023 mit größeren Anschaffungen zurück. Der private Verbrauch wird mit einem leichten Plus von real 0,6 Prozent das Vorjahresniveau nur leicht übertreffen, schätzt die Weltbank. Im Jahr 2022 sank der Privatverbrauch real um 1,2 Prozent. Die Umsätze im Einzelhandel stiegen zwischen Januar und Mai 2023 nominal um 2,9 Prozent.

Hauptgrund für die gedämpfte Kauflaune ist die hohe Inflation infolge des Ukrainekrieges und der Sanktionen. Für 2023 erwartet die Weltbank einen Anstieg des Verbraucherpreisindex um 11 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2022 belief sich die Inflationsrate auf 15,2 Prozent. Um den Preisanstieg einzudämmen, regulieren die Behörden die Preise für 330 Waren des täglichen Bedarfs für Importeure und Einzelhändler.

Zugleich gehen die Einkommen der Bevölkerung zurück. Im Jahr 2022 sanken die frei verfügbaren Einkommen real um 3,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Im Jahr 2023 dürfte maximal das Vorjahresniveau gehalten werden.

Zur Deckung der Versorgungslücken aufgrund der Importbeschränkungen erlaubt die Regierung Grauimporte (sogenannte Parallelimporte) von sanktionierten Waren.

Außenhandel: Belarus bindet sich enger an Russland

Belarus konzentriert sich im Außenhandel noch stärker auf seinen Haupthandelspartner Russland sowie die Mitgliedsstaaten der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU). Der Handelsumsatz mit Russland stieg 2022 wertmäßig um 12 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der belarussische Handel mit den anderen EAWU-Ländern (Armenien, Kasachstan, Kirgisistan) legte um mehr als ein Drittel zu. Der Anteil Russlands und weiterer GUS-Staaten am belarussischen Warenexport stieg 2022 von 60 auf 68 Prozent.

Außenhandel von Belarus (in Milliarden US$; Veränderung in Prozent)

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Importe

41,8

38,6

-7,6

Exporte

40

38,3

-4,2

Quelle: Belstat 2023

Trotz der zunehmenden Abkopplung vom Westen wächst der deutsch-belarussische Handel. Allerdings bleibt der Handelsumsatz gering. Zwischen Januar und April 2023 stieg der Warenaustausch laut Statistischem Bundesamt um rund ein Drittel auf 711,7 Millionen Euro. Die Bundesrepublik exportierte mit 616,8 Millionen Euro rund 90 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Grund für das starke Plus sind ein niedriger Basiswert sowie die Lieferung nicht-sanktionierter Waren wie Kfz, Landmaschinen oder pharmazeutische Erzeugnisse. Die Einfuhren aus Belarus gingen hingegen um 56 Prozent auf 95 Millionen Euro zurück. Im Gesamtjahr 2022 sank das Handelsvolumen um 18 Prozent auf rund 1,8 Milliarden Euro.

Der Handel zwischen Belarus und Europa wird immer aufwändiger. Zum 1. Juni 2023 schloss Polen alle Grenzübergänge für Lkw aus Belarus und Russland.

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