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Branchenanalyse | Brasilien | Bauwirtschaft

Wachstum der Bauwirtschaft lässt stark nach

Hohe Zinsen und die schwache Konjunktur bremsen die Bauwirtschaft zunehmend. Gestiegene Kosten stellen den Sektor weiter vor Herausforderungen.

Von Gloria Rose | São Paulo

  • Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

    Hohe Zinsen dämpfen die Aussichten für den Hochbau. Auch im Wirtschaftsbau sind die Erwartungen nur verhalten positiv.

    Schwaches Wachstum im Jahr 2023

    Trotz der Abschwächung der gesamtwirtschaftlichen Konjunktur wuchs der Bausektor auch im Jahr 2022 kräftig. Die Wertschöpfung der Bauwirtschaft stieg real um 6,9 Prozent, während Brasiliens Bruttoinlandsprodukt (BIP) nur um 2,9 Prozent zulegte. Für 2023 erwartet der Bauwirtschaftsverband Câmara Brasileira da Industria da Construção (CBIC) nur ein geringeres Wachstum. Mit einem Plus von 2 Prozent dürfte es aber erneut über dem Zuwachs des BIP liegen, das voraussichtlich nur um rund 1 Prozent steigen wird.

    Angesichts der Abkühlung der Baukonjunktur sah sich die CBIC im April 2023 erstmals seit zehn Quartalen dazu angehalten, die Wachstumserwartungen nach unten zu korrigieren. Bereits im 4. Quartal 2022 nahm die Wertschöpfung um 0,7 Prozent ab. Der Negativtrend setzte sich in den ersten zwei Monaten des Jahres 2023 fort. Auch das Vertrauen der Bauunternehmer entwickelt sich rückläufig.

    Finanzierungsbedingungen trüben die Aussichten

    Grund für die Abkühlung sind die stark gestiegenen Zinsen. Seit August 2022 liegt der Leitzins Selic auf einem Niveau von 13,75 Prozent. Selbst wenn die brasilianische Zentralbank den Leitzins in diesem Jahr wieder absenken sollte, dürften die Zinsen für Immobilienkredite stagnieren oder sogar noch weiter steigen. Denn für Wohnimmobilien stellen die staatlichen Banken derzeit immer weniger Mittel bereit.

    Weil die Baukosten stärker gestiegen sind als die Obergrenzen der staatlich geförderten Darlehen für den Wohnungsbau, konnten sich immer weniger Haushalte eine Immobilie leisten. Im Sozialwohnungsbau, wo Baukosten ohnehin sehr knapp kalkuliert werden, kamen somit immer weniger Projekte auf den Markt. Seit 2020 werden erstmals weniger als die Hälfte aller Neuangebote über Förderprogramme abgewickelt.

    An den Wohnungsmärkten von 150 Städten kamen im Jahr 2022 laut CBIC-Angaben mit 295.447 Einheiten 8,6 Prozent weniger Neuangebote auf den Markt als im Vorjahr. Der Verkauf und der Bestand an Immobilienangeboten ging um jeweils 3 Prozent zurück.

    Sozialwohnungsbau soll wieder anziehen

    Eine der allerersten Maßnahmen Lulas galt dem sozialen Wohnungsbau. Über die Neuauflage des Programms Minha Casa Minha Vida (MCMV) sollen bis Ende der Legislaturperiode im Jahr 2026 rund 2 Millionen Familien Zugang zu begünstigtem Wohneigentum erhalten. Der Fokus liegt auf ruhenden Baustellen. Bis Ende 2023 soll der Bau von 30.000 Wohneinheiten wieder aufgenommen werden.

    Der Bundesstaat São Paulo, der das höchste Wohnungsdefizit des Landes aufweist, errichtet Wohnungen in öffentlich-privaten Partnerschaften (PPP) über das eigene Programm Nossa Casa. Zudem bietet die Stadt São Paulo Förderung an. Über das Programm Pode Entrar sollen 38.000 Wohnungen vergeben werden. Die Wohnungsbaugesellschaften Plano&Plano, MRV, Direcional und Tenda gehören zu den Interessenten.

    Differenzierte Lage im Wirtschaftsbau

    Der schnelle Wandel zu E-Commerce und Lieferdiensten treibt die Nachfrage nach Logistikhallen und Last-Mile-Lösungen an, auch wenn sich der Boom derzeit wieder abschwächt. Dafür verbessert sich die Lage am Markt für Büroräume, auch aufgrund der steigenden Nachfrage nach Coworking-Plätzen. Der Leerstand von Büroflächen ging am wichtigsten Markt São Paulo leicht zurück. 

    Der Bau von Shoppingzentren entwickelt sich wieder positiv. Im Jahr 2022 wurden acht neue Malls eröffnet. Damit zählt der Branchenverband Abrasce nun landesweit 628 Einkaufszentren. Für 2023 erwartet der Verband 15 Neueröffnungen. Insgesamt stieg der durchschnittliche Quadratmeterpreis zur Anmietung von Gewerbeimmobilien 2022 um 5,7 Prozent.

    Im Industriebau herrscht dagegen weiterhin Zurückhaltung. Für neue Impulse bedarf es klarer Signale für ein stärkeres Wirtschaftswachstum. Und diese Signale sind bislang ausgeblieben. Für die globale Energiewende bringt Brasilien jedoch wichtige Standortvorteile mit, etwa dass jetzt schon 90 Prozent des Stroms über erneuerbare Energien erzeugt werden. Dies wiederum dürfte in den kommenden Jahren Investitionen in umweltfreundliche Industrieanlagen beflügeln. Im Bereich der Metallverarbeitung kündigten einige Unternehmen erste Investitionen an. 

    Der Bau öffentlicher Gebäude stockt. Die Budgets wurden in den vergangenen Jahren ausgehöhlt. Im Jahr 2022 ruhten knapp 39 Prozent der etwa 14.000 staatlichen Baustellen. Fast 4.000 Projekte sind auf den Bildungssektor ausgerichtet. Über die Plattform Mãos à Obra werden derzeit Daten über die Projekte gesammelt, um Prioritäten festzulegen. Allein im Jahr 2023 plant die neue Regierung mit knapp 4,5 Milliarden US-Dollar mehr Mittel bereitzustellen, als die Vorgängerregierung im Laufe ihrer vierjährigen Amtszeit.

    Start-ups entwickeln die Gebäudemodernisierung

    São Paulos Markt für ältere Wohnungen zieht bereits seit 2018 wieder an. Für Baugesellschaften lohnt sich der spekulative Kauf kaum. Doch beleben immer mehr Start-ups, sogenannte iBuyers, und innovative Dienstleister den Markt. Schließlich erlebte der Immobilienmarkt einen Digitalisierungsschub. Von der Ansicht der Grundrisse bis zur Vertragsunterzeichnung geht jetzt alles digital. Auch virtuelle Besichtigungen sind möglich. Die Start-ups Loft und Keycash sowie das landesweit größte Immobilienportal ZAP konzentrieren sich auf São Paulo. Durch spezialisierte Retrofit-Dienstleister und innovative Verfahren gelingt es, die Verkaufsabwicklung zu beschleunigen. Im Jahr 2020 startete der Baukonzern Vitacon eine eigene iBuyer-Plattform. Auch Portale zur Vermietung wie QuintoAndar beleben die Renovierungen. 

    Zudem stimuliert der Verkauf staatlicher Gebäude das Segment. Zur Haushaltskonsolidierung stoßen die Regierungen aller drei Ebenen Immobilien ab. Insgesamt stehen 55.000 Aktiva für den Verkauf zur Verfügung. Statt klassischer Versteigerungen können potenzielle Käufer nun nach dem System Propostas de aquisição de imóveis (PAI) eigene Vorschläge einreichen. Außerdem treibt Brasiliens größte Metropole São Paulo die Wiederbelebung des seit Jahrzehnten vernachlässigten Stadtzentrums voran.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen

    Energieeffizienz und Bauindustrialisierung eröffnen neue Perspektiven für deutsche Anbieter. Doch die Bevölkerung ist beim Bau nicht sehr innovationsoffen.

    Herkömmlicher Bau orientiert sich stark am Preis

    Anders als bei vielen Konsumgütern sind die Brasilianer im Wohnungsbau traditionell sehr konservativ. Beispielhaft ist der kontinuierliche Erfolg der großen Baukonzerne, die seit Jahrzehnten kaum in der Architektur variieren und sehr kostenorientiert bauen. Trends zu neuen Baustoffen oder sogar Bauweisen entwickeln sich nur sehr langsam - selbst wenn sie Kostenvorteile eröffnen. Dies erklärt mitunter die sehr langsame Marktdurchdringung von Kunststoffrahmen bei Fenstern, die deutsche Fabrikanten seit Jahren nach und nach vorantreiben.

    Energieeffizienz spielt bislang keine große Rolle

    Globale Trends zu energieeffizienten Gebäuden und umweltbewusstem Bauen schlagen sich somit weniger intensiv in der Marktnachfrage nieder. Auch die Zertifizierungen über das Programa Brasileiro de Etiquetagem em Eficiência Energética (PBE Edifica) und LEED des U.S. Green Building Council setzen nur sehr limitierte Anreize. Energieeffizienz gewinnt jedoch durch die stark gestiegenen Stromtarife an Stellenwert und stimuliert den Absatz moderner Klimaanlagen sowie das Aufkommen von Automatisierungstechnik. 

    Mit Unterstützung der deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) entstand die Plattform SIDAC, über die der CO₂-Fußabdruck von Bauprojekten berechnet werden kann. Das Informationssystem steckt noch in den Kinderschuhen und wird von Brasiliens Energieministerium koordiniert.

    Förderkredite für Energieeffizienz gehen zurück

    Spezialisierte Dienstleistungsunternehmen für Energieeinsparungen bieten Energy Performance Contracting (EPC) an. Diese sogenannten Empresas de Serviços de Conservação de Energia (ESCO) stellen interessante Vertriebskanäle für deutsche Technologien und Baulösungen dar. Der Branchenverband Abesco zählt etwa 25 Dienstleister. Gefördert werden Energieeffizienzprojekte über besondere Kreditlinien zur zinsgünstigen Finanzierung. Über das Programa de Eficiência Energética (PEE) der Stromregulierungsbehörde ANEEL steht ab Ende 2022 jedoch nur noch ein Drittel der bisherigen Mittel zur Verfügung. Abesco erwartet, dass der Markt für Energieeffizienzdienstleister dementsprechend stark schrumpfen wird.

    Trend zu Industrialisierung und Holzbauweisen

    In Bezug auf qualitativ hochwertige Baustoffe und -techniken weist Brasilien einen großen Nachholbedarf auf, insbesondere bei der Mechanisierung und Automatisierung der Bauausführung. Sowohl Architekten und Ingenieure als auch die Behörden halten bislang an sehr arbeitsintensiven Verfahren fest. Immerhin registrieren der Verband für industrielles Bauen mit Betonfertigteilen, Abcic, sowie Hersteller im Stahlskelettbau einen zunehmenden Wachstumstrend. Laut Abcic macht das industrielle Bauen maximal 10 Prozent des brasilianischen Marktes aus. Immer mehr Unternehmen leisten Überzeugungsarbeit, darunter einige ConstruTechs.

    Gebäudedatenmodellierung kommt langsam auf

    Erhebungen lassen darauf schließen, dass bislang nur ein Viertel der Unternehmen digitale Technologien nutzt. Brasiliens Regierung stimuliert die Digitalisierung des Sektors seit 2018 über die Strategie BIM BR, die Ziele und Fristen zur Gebäudedatenmodellierung festlegt. Demnach sollen ab 2024 alle Bauprojekte BIM (Building Information Modeling) einsetzen und ab 2028 alle Bauleistungen über BIM abgebildet werden. Zurzeit nutzen jedoch nur 9 Prozent der Bauunternehmen BIM routinemäßig, schätzt der Verband für Industrieentwicklung ABDI.

    Neuer Rechtsrahmen stimuliert den Holzrahmenbau

    Trotz der hochproduktiven Forstwirtschaft findet Holz nur wenig Beachtung in der Bauwirtschaft Brasiliens. Das Aufkommen der Baulösung "WoodFrame" lässt die Nachfrage aber allmählich steigen. Für eine Marktdurchdringung dieser Baumethode fehlte lange ein staatlich anerkannter Standard. Nach einer fünfjährigen Ausarbeitungsphase veröffentlichte Brasiliens Normierungsbehörde im Mai 2021 die Norm für den Holzrahmenbau: ABNT NBR 16.936. Eine weitere Hürde stellt jedoch die Besteuerung dar, die den Fertigbau verteuert.

    Der Bauträger Construtora Tenda setzt mit seinem Start-up Alea auf den Holzrahmenbau. Im Jahr 2022 baute Alea 400 Wohneinheiten. Ab 2026 will das Unternehmen 10.000 Einheiten pro Jahr errichten. Dabei ermöglicht die Produktionsanlage in Jaguariúna (São Paulo) den Bau von Häusern in einem Umkreis von bis zu 1.000 Kilometern. Wachsenden Erfolg mit modularen Holzbausystemen verzeichnet auch Tecverde. Das brasilianische Jungunternehmen nutzt deutsche Maschinentechnologie und will in den kommenden vier Jahren zwei neue Fabriken errichten. 

    Der Baukonzern HTB (bis 2016 noch Hochtief do Brasil) der deutschen Zech-Gruppe entwickelte unter dem Namen "HTB eWOOD" ein modulares System für den Holz-Hybrid-Bau. Dabei wird pro Kubikmeter Holz 1 Tonne CO₂ gebunden. Das Start-up Urbem nahm im 2. Halbjahr 2022 seine eigene Fabrik in Almirante Tamandaré (Paraná) in Betrieb. Das Holz stammt aus aufgeforsteten Kiefernwäldern. Mit dem System von Urbem errichtet Noah Tech in der Wirtschaftsmetropole São Paulo bis Ende 2023 ein elfstöckiges Holz-Hybrid-Hochhaus.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Hochbau: Projekte

    Neue Bauprojekte konzentrieren sich auf Wohn- und Logistikimmobilien.

    Sozialbau rückt wieder ins Augenmerk der Wohnungsbaugesellschaften

    Im Umfeld steigender Baukosten und abnehmender Margen wandten sich die Baugesellschaften vom sozialen Wohnungsbau ab, diversifizierten und verstärkten ihre Immobilienprojekte für mittlere Einkommensklassen. Unter der neuen Regierung Lula rückt der Sozialbau wieder in den Vordergrund. Davon dürften die Wohnungsbaugesellschaften MRV, Tenda und Cury profitieren. Auch aufgrund des drastischen Anstiegs der Kreditzinsen fahren die Immobilienkonzerne Neuprojekte zurück. Bei Projekten für die gehobenen Einkommensklassen in den Metropolen setzt sich der Wachstumstrend jedoch ungebrochen fort. Im Jahr 2022 brachten die Gesellschaften fast 300.000 neue Wohneinheiten auf den Markt. Etwa 60 Prozent des Wohnungsbaus konzentrieren sich auf die Region Südost.

    Zusätzlich zu der Förderung der Regierung Lula fördern auch die Bundesstaaten und große Städte den Sozialbau - beispielsweise das Programm Nossa Casa des Bundesstaats São Paulo und das Programm Pode Entrar der Stadt São Paulo. Bei letzterem engagieren sich die Wohnungsbaugesellschaften Plano&Plano, MRV, Direcional und Tenda besonders stark. In der Metropole São Paulo werden zurzeit noch Projekte umgesetzt, die durch den 2014 erlassenen Stadtbauplan angeregt werden. Der Plano Diretor Estratégico (PDE) wird gerade aktualisiert. Dies kann den Trend zu kleinen Apartmentwohnungen an den wichtigsten öffentlichen Verkehrswegen abbremsen.

    Logistikimmobilien stehen weiter hoch im Kurs

    Im E-Commerce-Boom investieren die großen Onlinehändler in den Ausbau eigener Lieferdienste. Am breitesten aufgestellt ist Via (Casas Bahia, Extra und Ponto) mit 30 Vertriebszentren, gefolgt von Americanas (B2W, Shoptime) mit 25 Zentren und Magazine Luiza (Magalu) mit 24 Zentren. Der argentinische Onlinehändler Mercado Livre, auf den sich ein Drittel des Datenverkehrs im brasilianischen Onlinehandel konzentriert, verfügt nur über 10 eigene Vertriebszentren. Zwischen 2020 und 2022 erweiterte Amazon seine Infrastruktur von einem auf zwölf Vertriebszentren und erobert Brasiliens E-Commerce zunehmend für sich. Starke Konkurrenz zu den südamerikanischen Plattformen bieten auch die asiatischen Händler Alibaba, Shopee und Shein. Trotz der unerwarteten Schuldenkrise bei Americanas Anfang 2023 rechnen die Händler Via, Magazine Luiza und Amazon mit einem anhaltenden Wachstumskurs.

    Brasilien erwägt, die Zollvorgaben auf Einzelhandelsware zu verschärfen. Shein fürchtet hohe Preissteigerungen und kündigte Investitionen an, um sich die Chancen auf dem Wachstumsmarkt zu sichern. Der chinesische Onlinemodehändler schloss erste Partnerschaften mit Textilunternehmen in Minas Gerais. Shein ist in 150 Ländern vertreten und Brasilien ist der drittwichtigste Markt weltweit. Shopee ist weniger betroffen, da die Plattform zu 85 Prozent Verkäufe innerhalb Brasiliens abwickelt.

    Um dem steigenden Bedarf gerecht zu werden, investieren die Anbieter von Logistikimmobilien - insbesondere in den Bundesstaaten São Paulo, Rio de Janeiro und Minas Gerais. Die Staaten Bahia und Espirito Santo weisen jedoch den größten Zuwachs auf. Der Wettbewerb um eine immer schnellere Auslieferung der Onlinebestellungen stimuliert die Nachfrage nach neuen Baulösungen. Nach dem Rekordjahr 2021 setzen sich die Investitionen in Logistikimmobilien fort. Der Leerstand in den brasilianischen Logistikhallen lag im 1. Quartal 2023 bei nur 10,8 Prozent. Logistikentwickler wie GLP und Log Properties prognostizieren jedoch abnehmende Wachstumsraten beim Onlinehandel. Dadurch, dass auch die Industrie wieder mehr Logistikimmobilien nachfragt, dürfte die Leerstandsrate niedrig bleiben. Brasiliens Marktführer GLP stellt sich sehr breit auf und investiert in Start-ups, Rechenzentren und sogar erneuerbare Energien. Neue Technologien und Last Mile stehen im Fokus der aktuellen Investitionen.

    Tourismusbranche zieht Investoren an

    Immer mehr Brasilianer machen wegen hoher Preise für Flugtickets Urlaub im eigenen Land. Das stimuliert den Inlandstourismus. Bei den größten Hotelketten Atlântica Hospitality International (AHI) und Accor steigen die Umsätze und mehrere Hotelketten investieren wieder, darunter Accor, Beach Park, das Hotel Gate 3 Guarulhos sowie die deutsche Luxusmarke Kempinski, die Luxuskette Rosewood Hotels & Resorts, die US-Kette Hard Rock, Wyndham Hotels & Resorts und die portugiesische Kette Vila Galé. Viele der Projekte konzentrieren sich auf den Nordosten.

    Im Süden São Paulos entsteht das Großprojekt Beyond The Club (BTC) im Wert von 1 Milliarde US-Dollar. Geplant sind ein Surfpark mit künstlichem Strand, Restaurants, Luxusapartments und Ladenlokale. Investitionspartner sind BTG Pactual, KSM Realty und Realty Proprieties.

    Ausgewählte Großprojekte im brasilianischen Wohnungs- und Wirtschaftsbau

    Vorhaben

    Investitionssumme (in Millionen US$) *)

    Projektstand

    Projektträger

    Bau einer Zellstofffabrik in Ribas do Rio Pardo (Mato Grosso do Sul)

    3.740

    Inbetriebnahme für 2. Quartal 2024 geplant

    Suzano

    Bau einer Zellstofffabrik in Inocência (Bundesstaat Mato Grosso do Sul)

    2.907

    Inbetriebnahme für 2028 geplant

    Arauco

    Bau einer Tourismusanlage und nachhaltigen Luxusresidenz "Maraey" mit drei Hotels an der Südküste in Maricá (Bundesstaat Rio de Janeiro)

    2.132

    Baubeginn 2023

    IDB Brasil (Cetya und Abacus Gruppe)

    Cidade Aguaduna - Bau einer Smart City in Entre Rios (Bahia)

    229 (bis 2030); 1.828 (bis 2035)

    Baubeginn 2021

    Naurigas und Seed Global Advisoring

    Bau von acht bis zehn Anlagen der US-Kette Hard Rock mit Hotel-, Geschäfts- und Wohneinheiten

    1.357  (bis 2028)

    Standorte in São Paulo, Fortaleza und Ilha do Sol im Bau, Eröffnung: 2023

    Hard Rock International und Bauunternehmen: VCI S.A.

    Bau des Freizeitkomplexes Beyond The Club (BTC) mit künstlichem Strand, Surfbecken, Sportarenen, Restaurants und Wohnungen in São Paulo (Bundesstaat São Paulo)

    1.000

    Inbetriebnahme für 2025 geplant

    BTG Pactual Asset Management, KSM Realty und Realty Properties

    Holzpellet-Komplex in Minas Gerais

    581

    Inbetriebnahme für 2024 geplant

    Braspell Bioenergia

    Neue Arzneimittelfabrik in Montes Claros (Bundesstaat Minas Gerais)

    349

    Inbetriebnahme für 2024 geplant

    Eurofarma 

    Neue Brauerei in Passos (Bundesstaat Minas Gerais) 

    349

    Inbetriebnahme für 2025 geplant

    Heineken 

    Bau eines onkologischen und hämatologischen Zentrums in São Paulo (Bundesstaat São Paulo)

    233

    Inbetriebnahme für 2025 geplant

    Hospital Israelita Albert Einstein, Grupo Bueno Netto und Investmentfonds

    * Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2022: 1 US$ = 5,16 R$.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Tiefbau: Marktlage und -entwicklung

    Brasiliens Infrastrukturausbau erfolgt hauptsächlich über private Investoren. Unter Lula steigen die staatlichen Infrastrukturausgaben wieder an.

    Private Investitionen in den Infrastrukturausbau

    Wie seine Vorgänger Michel Temer und Jair Bolsonaro setzt auch Präsident Lula da Silva auf das Programm privater Investitionspartnerschaften. Allerdings nahm die neue Regierung Abstand von weiteren Privatisierungen staatlicher Unternehmen. Über das Programa de Parceira de Investimentos (PPI) strukturiert die Regierung Projekte für den Infrastrukturausbau und versteigert diese an große Betreibergesellschaften und Konsortien. Im Jahr 2022 wurden 48 Projekte vergeben, die Investitionen im Umfang von mehr als 18 Milliarden US-Dollar (US$) anstoßen. Zu den bedeutendsten zählen die Privatisierung von Eletrobras, dem größten Stromkonzern Lateinamerikas, und die Konzessionierung von 22 Flughäfen. Für das Jahr 2023 befinden sich 141 Projekte mit einem Investitionsvolumen von etwa 45 Milliarden US$ in der Pipeline. Neben der Bundesregierung gehen auch die Bundesstaaten und Städte immer mehr Partnerschaften mit privaten Infrastrukturbetreibern ein.

    Neue Regierung verdreifacht die staatlichen Ausgaben

    Im Jahr 2022 tätigten private Unternehmen mehr als 80 Prozent der Infrastrukturinvestitionen des Landes. Zukünftig soll dem Staat wieder eine größere Bedeutung zukommen. Somit erhöhte die neue Regierung die staatlichen Infrastrukturausgaben. Das Budget wurde in den vergangenen Jahren ausgehöhlt und erreichte 2022 den tiefsten Stand seit 17 Jahren. Der Nachholbedarf ist entsprechend groß. Allein im Jahr 2023 plant die neue Regierung mit knapp 4,5 Milliarden US$ mehr Mittel bereitzustellen, als die Vorgängerregierung im Laufe ihrer vierjährigen Amtszeit.

    São Paulo erwartet starken Infrastrukturausbau

    Die Wahl von Tarcísio de Freitas zum neuen Gouverneur São Paulos begünstigt private Investitionen in die Verkehrsinfrastruktur des Bundesstaats. Der ehemalige Infrastrukturminister brachte nicht nur eigenes Know-how, sondern auch die technischen Fachkräfte aus der Regierung unter Präsident Bolsonaro mit. In den ersten 100 Tagen kündigte der Gouverneur 15 Projekte mit einem Investitionsumfang von knapp 35 Milliarden US$ an, die an private Investoren vergeben werden sollen. Anfang 2024 oder im Jahr 2025 will die bundesstaatliche Regierung die Privatisierung des größten Versorgerkonzerns Lateinamerikas Sabesp durchsetzen. 

    Entwicklungsbank soll wieder mehr Gewicht erhalten

    Infolge der anhaltend hohen Zinsen sollen die Bruttoanlageinvestitionen in diesem Jahr stagnieren. Das erwartete die brasilianische Zentralbank Ende März 2023. Dennoch bestehen gute Aussichten für PPI-Projekte. Seit der Einführung des Programms im Jahr 2016 gewannen die Infrastrukturkonzessionen zunehmend an Attraktivität. Neue Richtlinien lassen Schiedsverfahren für alle Segmente der Transportinfrastruktur sowie die freiwillige Rückgabe und Neuvergabe von Konzessionen zu. Im Kongress werden weitere Verbesserungen der Rahmenbedingungen debattiert.

    Für die Erweiterung des Portfolios mit attraktiven Projekten setzt die Regierung auf die brasilianische Entwicklungsbank BNDES (Banco Nacional de Desenvolvimento Econômico e Social), die als eine Art "Projektfabrik" fungiert. In drei Abteilungen arbeiten über 200 technische Fachkräfte strukturierte Projekte aus. Über ein Onlineportal können sich potenzielle Investoren direkt über die Projektausarbeitung informieren und Partner für Konsortien finden.

    Unter Präsident Bolsonaro zog sich BNDES als Kapitalgeber zurück und finanziert heute nur noch Projekte, die keine Finanzierung über den Kapitalmarkt erhalten. Die brasilianische Entwicklungsbank ergänzt somit nur noch das private Kapitalangebot. Zur Finanzierung von Großprojekten sollen hauptsächlich Infrastrukturanleihen dienen, die steuerlich begünstigt werden. Die Regierung beschleunigte das Genehmigungsverfahren und hoffte durch den Gesetzesvorschlag PL 2.646/2020 Investmentfonds und ausländische Anleger zu mobilisieren. Große Erwartungen liegen auch auf der Strukturierung von Projekten, die ESG-Kriterien erfüllen und somit nachhaltige Finanzierung in Anspruch nehmen können. Unter der neuen Regierung Lula kann sich der Trend umkehren. Aloizio Mercadante, der neue Präsident von BNDES, kündigte an, die Kreditvergabe der Entwicklungsbank bis 2026 zu verdoppeln, um eine Industrialisierung des Landes zu finanzieren, die auf erneuerbaren Energien und Nachhaltigkeit basiert.

    Hoher Rückstand der Wasserwirtschaft und Transportinfrastruktur

    Brasiliens Telekommunikationssektor ist vollständig in privater Hand und weist somit kein Investitionsdefizit aufgrund zu niedriger Staatsausgaben auf. Auch im Stromsektor ist die Privatisierung in allen drei Teilbereichen Erzeugung, Übertragung und Verteilung weit fortgeschritten. In beiden Infrastrukturbereichen führen private Investoren umfangreiche Investitionen durch. Mit der anstehenden Privatisierung dürfte der Großkonzern Eletrobras seine Investitionen bis 2035 verdoppeln. Durch den Regierungswechsel erwartet Brasiliens Infrastrukturverband ABDIB wenig Änderung und sieht in seiner Investitionsprognose von 2023 bis 2027 weiterhin Engpässe. Die größten Investitionslücken beobachtet ABDIB im Transportsektor und in der Abfall- und Wasserwirtschaft. Nach einem schwierigen Jahr 2023 sollen die Investitionen ab 2024 anziehen.

    Besonders groß ist der Rückstand im Bereich Wasser/Abwasser/Abfall. Hier versorgt die öffentliche Hand 94 Prozent der Städte und Gemeinden, tätigt jedoch aufgrund der leeren Kassen nur 80 Prozent der Investitionen. Ein neuer Rechtsrahmen setzt Fristen, um den großen Rückstand aufzuholen, und ermöglicht die Vergabe von Anlagen an private Betreiber. Mit der zunehmenden Privatisierung sollen die Investitionen ansteigen.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Tiefbau: Marktchancen für deutsche Unternehmen

    Privatisierung und Digitalisierung treiben die Effizienz im Tiefbau voran. 

    Paradigmenwechsel zu langfristiger Effizienz

    Das Konzessionierungsprogramm PPI revolutioniert den Tiefbau in Brasilien. An die Stelle staatlicher Bauaufträge und das Prinzip möglichst niedriger Baukosten treten professionelle Betreiberunternehmen, die ihre langfristige Effizienz maximieren wollen. Qualitätsaspekte gewinnen damit immens an Bedeutung. "Durch diesen Paradigmenwechsel eröffnen sich hervorragende Perspektiven für deutsche Produkte und Dienstleistungen", bemerkt Detlef Dralle, Geschäftsführer von HTB. Schließlich zeichnen sich deutsche Hersteller in der Regel durch hochwertige, innovative und daher auch teurere Technologien aus, die sich erst bei einer Ausrichtung auf Effizienz bezahlt machen.

    Der Baukonzern HTB (bis 2016 noch Hochtief do Brasil), der seit mehr als einem halben Jahrhundert Planungs- und Bauleistungen in Brasilien erbringt und heute zu der deutschen Gruppe Zech gehört, profitiert bereits von dem Wandel. HTB führte für Fraport den Umbau des Flughafens in Porto Alegre durch. Im Hochbau beobachtet HTB aufgrund des hohen Zinsniveaus den Einbruch von Neuprojekten. Im Tiefbau erwartet Geschäftsführer Dralle eine verstärkte Anfrage für Projekte aus der Wasser- und Abfallwirtschaft. Auch im Flughafenbau sowie dem Ausbau der Hafen- und Energieinfrastruktur sowie für Rechenzentren werden Aufträge vergeben. Wanderbaustellen betreibt HTB bislang nicht.

    Chancen durch Digitalisierung

    Im Einsatz digitaler Technologien liegt Brasiliens Bauwirtschaft noch weit zurück. Das gilt insbesondere für Big-Data-Analysen und Künstliche Intelligenz. Laut Umfragen der Bauwirtschaftskammer CBIC nutzen jedoch die Mehrheit der Bauträger, Bauunternehmen und Projektierbüros bereits Building Information Modeling (BIM). Ab dem Jahr 2024 müssen für alle Bauprojekte vorab virtuelle Bauwerksmodelle erstellt werden. Ab 2028 sollen BIM-basierte Bauablaufsimulationen dann in allen Bauphasen zum Einsatz kommen. Mit der Verbreitung von BIM dürften die Akteure Geschäfts- und Projektabläufe anpassen, wodurch sich neue Geschäftschancen ergeben.

    Entwicklungsschub für Schienenverkehr und Wasserwirtschaft

    Im Schienenbau verfügt keiner der in Brasilien ansässigen Baukonzerne über umfassende praktische Erfahrung. Beratungsdienstleistungen sowie moderne Technologien aus Deutschland könnten dabei helfen, den Güterverkehr im Land zukünftig effizienter zu gestalten. Trotz Verbesserungen und einem steigenden Transportvolumen ist der Schienentransport nach wie vor nur mangelhaft ausgebaut. Problembereiche sind beispielsweise die schlecht ausgebaute Signalsteuerung sowie unzureichende Sicherheitsvorkehrungen. Die Deutsche Bahn will die Chancen wahrnehmen. Anfang 2023 unterzeichnete DB Engineering & Consulting eine Absichtserklärung mit GPM (Grão-Pará-Maranhão) und dem brasilianischen Consultingunternehmen Sysfer. DB E.C.O. will sich an dem Bau der Schienenstrecke im Bundesstaat Maranhão beteiligen. 

    Gute Chancen bietet auch die Wasserwirtschaft. Die neuen Rahmenbedingungen für den Bereich Wasser/Abwasser/Abfall werden die Investitionen in den kommenden Jahren ankurbeln. Entsprechend vielversprechend sind die Aussichten für Umwelttechnik.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Tiefbau: Projekte

    Die Investitionen in die Kommunikationsnetze und Strominfrastruktur bleiben hoch. Schienenverkehr sowie Abfall- und Wasserwirtschaft bieten gute Perspektiven.

    Transport

    Straßen

    Wenigstens 23 Autobahnstrecken werden in diesem Jahr konzessioniert. Besonders entschlossen treibt der Bundesstaat São Paulo die Vergabe voran. Ende 2022 ersteigerte EcoRodovias ein 600 Kilometer langes Streckennetz im Nordwesten des Staates. Im März 2023 ging der Nordteil des Autobahnrings um São Paulo an den Investmentfonds Via Appia. Darüber hinaus will der Bundesstaat Autobahnen und einen Tunnel an der Nordküste errichten lassen. Aber auch andere Staaten wie zuletzt Pará und in Kürze Minas Gerais bieten Autobahnkonzessionen an. Neben den traditionellen Betreibern wie CCR, EcoRodovias, AB Concessões und Arteris interessieren sich auch lokale Konsortien für die Verträge.

    Nach Jahren rückläufiger Staatsausgaben für die Instandhaltung des etwa 50.000 Kilometer langen Straßennetzes ist der Nachholbedarf immens. In den ersten 100 Tagen der Amtszeit Lulas überholte die Behörde DNIT 2.158 Straßenkilometer. Zusammen mit der Weltbank erarbeitet das Transportministerium zurzeit ein Programm, welches die Wartung und den Ausbau von insgesamt 4.550 Kilometer Straßenstrecke in elf Bundesstaaten ermöglichen soll. Investitionen von 840 Millionen US-Dollar (US$) sollen so finanziert und ab 2024 umgesetzt werden.

    Schienen

    Für einen effizienteren Abtransport von Rohstoffen will Brasilien bis 2035 den Transportanteil der Schiene auf 40 Prozent verdoppeln. Neben den vorzeitigen Konzessionsverlängerungen der traditionellen Betreiber beleben auch neue Investitionsprojekte das Segment. Auf Grundlage des neuen Rechtsrahmens können private Investoren eigene Schienenprojekte vorschlagen und eine Genehmigung beantragen. Über das neue Förderprogramm Pró Trilhos hat die Regulierungsagentur ANTT bereits 39 Projekte mit einer Gesamtstrecke von etwa 12.000 Kilometern und einem Investitionsvolumen von etwa 33 Milliarden US$ genehmigt. Das Bergbauunternehmen Bamin, das bereits die Konzession der 537 Kilometer langen Strecke FIOL I im Staat Bahia ersteigerte, will auch die beiden anderen Teilstücke der Schienenverbindung übernehmen. FIOL II und III sollen in diesem Jahr versteigert werden.

    Wasserwege/Seehäfen

    Der Außenhandel und der wachsende Seeverkehr stimulieren die Investitionen in Hafenterminals. Über das Programm BR do Mar fördert die Regierung die Küstenschifffahrt. Zu der geplanten Privatisierung des Hafens Santos kommt es wohl nicht mehr. Aber zahlreiche Terminals zum Beispiel an den Häfen Paranaguá, Maceió und Porto Alegre sowie die Zuständigkeit für Fahrrinnen werden konzessioniert. Darüber hinaus genehmigte die Regulierungsbehörde Antaq im Jahr 2022 den Bau von elf privaten Terminals, die Investitionen von 4,8 Milliarden US$ anstoßen. Weitere Projekte im Umfang von 3,3 Milliarden US$ sind in Bearbeitung.

    Flughäfen

    Im Jahr 2022 wurden drei Konzessionspakete für insgesamt 15 Flughäfen erfolgreich versteigert. Damit wickeln private Betreiber nun über 90 Prozent des Personenflugverkehrs in Brasilien ab. Die Verträge gingen an Aena, XP Investimentos sowie das Konsortium Novo Norte. Die Konzessionäre verpflichteten sich zu Investitionen von 1,4 Milliarden US$. Zu den in Brasilien aktiven Flughafenbetreibern gehören CCR, Socicam, Invepar und XP sowie die internationalen Aena Desarrollo (Spanien), Vinci Airports (Frankreich), Inframerica (Argentinien), Fraport (Deutschland) und Zurich (Schweiz).

    Wasser/Abwasser/Abfall

    Ein neuer Rechtsrahmen ermöglicht Konzessionen in der Wasserwirtschaft und im Abfallmanagement. Die Bildung regionaler Ausschreibungspakete gilt als besonders wichtige Neuerung, um private Investoren für die Projekte zu gewinnen. Die Verträge der ersten beiden Jahre sichern der Wasserwirtschaft Investitionen von fast 15 Milliarden USD. Aufgrund des kürzlichen Regierungswechsels sind die Erwartungen für 2023 verhalten. Der Verband der privaten Wasserkonzessionäre Abcon erwartet lediglich 14 Konzessionen der Städte und Gemeinden mit einem Investitionsvolumen von 140 Millionen US$. In der Pipeline befinden sich jedoch weitere 23 Initiativen, die Investitionen von 2,7 Milliarden US$ ermöglichen. Sowohl im Bereich Abwasser als auch in der Abfallwirtschaft wachsen die Investitionsanreize zur Energieverwertung.

    Energie (Erzeugung, Übertragung, Verteilung)

    Investitionen in die Stromerzeugung fließen zunehmend in Solar- und Windenergie. Seit 2017 verdoppelte sich die installierte Nennleistung der Fotovoltaik von Jahr zu Jahr. Mit derzeit 27 Gigawatt ist Solarenergie der zweitwichtigste Energieträger nach der Wasserkraft. Etwa zwei Drittel entfallen auf dezentrale Anlagen. Für 2023 prognostiziert der Branchenverband Absolar einen durchschnittlichen Zuwachs von einem 1 Gigawatt Leistung pro Monat. Windkraft ist mit einer installierten Leistung von 25 Gigawatt der drittwichtigste Energieträger Brasiliens. Bis 2028 sollen weitere 20 Gigawatt ans Netz gehen.

    Auch in die Modernisierung der Wasserkraftwerke, Bioenergie, Gaskraftwerke und den Ausbau der Hochspannungsleitungen fließen Gelder. Erforderliche Investitionen in das Verbundnetz sichert die Regulierungsbehörde Aneel über die Konzessionierung von Netzabschnitten. Zudem erneuern die Versorgungskonzerne die Verteilungsnetze.

    Kommunikationsnetze

    Das Wachstum von Cloud-Diensten stimuliert den Zubau von Rechenzentren. Neben den US-Giganten IBM, Amazon Web Services (AWS) und Microsoft investieren die Investmentgesellschaft Piemonte Holding sowie große Rechenzentrenbetreiber wie Ascenty, Digital Colony, ODATA, Equinix und Scala Data Center. Ascenty betreibt bereits 19 Rechenzentren in Brasilien und wird 2023 weitere Zentren eröffnen.

    Seit der Versteigerung der 5G-Frequenzen im November 2021 stiegen die jährlichen Investitionen in die IKT-Netze auf über 7 Milliarden US$ an.

    Ausgewählte Großprojekte in Brasilien

    Vorhaben

    Investitionssumme (in Millionen US$)*)

    Projektstand

    Projektträger 

    Investitionen in den Personenzugverkehr in São Paulo: Schienenverbindung zwischen São Paulo und Sorocaba, CPTM-Konzessionen und neue U-Bahn-Linien

    13.372

    Planungsstadium

    Regierung des Bundesstaates São Paulo

    Ausbau des 5G-Netzes

    9.050

    Durchführung; Frequenzrechte wurden im November 2021 versteigert

    Anatel

    Konzessionen für sechs Autobahnstrecken im südlichen Bundesstaat Paraná; Gesamtlänge: 3.361 Kilometer

    8.527

    Frühstadium; die ersten beiden Konzessionen sollen im 2. Halbjahr 2023 versteigert werden

    Agência Nacional de Transportes Terrestres (ANTT)

    Abwasserentsorgung und -aufbereitung im Bundesstaat Rio de Janeiro (4 Konzessionspakete)

    6.666

    (der Großteil in den ersten zwölf Jahren der Konzession)

    Konzessionen mit einer Laufzeit von 35 Jahren wurden am 30. April 2021 und 29. Dezember 2021 versteigert

    Konzessionäre: Konsortium Aegea, Iguá, Águas do Rio und Águas do Brasil

    Bau der Eisenbahnstrecke EF-170 Ferrogrão zwischen Sinop (Mato Grosso) und Miritituba (Pará); Länge: 933 Kilometer

    4.883


    Planungsstadium; Versteigerung der Konzession mit einer Laufzeit von 69 Jahren wird debattiert


    ANTT

    Bau einer Eisenbahnstrecke und eines Privathafens im Bundesstaat Maranhão

    3.876

    Planungsstadium; Inbetriebnahme 2028

    Grão-Pará Multimodal und Deutsche Bahn

    13 Konzessionen zum Ausbau des Stromverbundnetzes (5.291 Kilometer)

    2.965

    30-jährige Konzessionen versteigert am 30. Juni 2022

    ANEEL

    Ausbau der Autobahnstrecke Dutra (BR-116/465/101/SP/RJ) zwischen Rio de Janeiro und São Paulo; Länge: 625,8 Kilometer

    2.803

    30-jährige Konzessionen versteigert am 29. Oktober 2021

    CCR

    Bau der Intercidades-Zugstrecke, die die Städte São Paulo und Campinas verbindet

    2.417

    30-jährige Konzession; Auktion geplant für den 28. November 2023

    Regierung des Bundesstaats São Paulo

    Bau der Metrolinie 6 Laranja in São Paulo (15,3 Kilometer) 

    1.996

    Neubau soll bis 2025 abgeschlossen werden

    Acciona

    * Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2022: 1 US$ = 5,16 R$.Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Wettbewerbssituation und Geschäftspraxis

    Deutsche Unternehmen müssen langfristig am Markt präsent sein und einen Mehrwert bieten, um sich im Preiswettbewerb durchzusetzen.

    Bausektor durchläuft intensive Umstrukturierung

    Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in Brasilien (Veränderung in Prozent)

    Kennziffer

    2019 1)

    2020 2)

    Veränderung 2020/19 3)

    Wert der Bauinvestitionen insgesamt (in Milliarden US$), davon

    68,3

    59,0

    12,8

      Hochbau

    30,2

    26,4

    14,2

      Tief-/Infrastrukturbau

    22,0

    19,6

    16,3

      Spezialisierte Bauleistungen

    16,2

    13,0

    5,7

    Anteil der Bauinvestitionen im öffentlichen Auftrag (in %)

    30,3

    30,0

    Anzahl der Unternehmen, davon

    125.077

    131.809

    5,4

      Hochbau

    49.568

    52.925

    6,8

      Tief-/Infrastrukturbau

    13.036

    14.048

    7,8

      Spezialisierte Bauleistungen

    62.473

    64.836

    3,8

    Wohnbau, davon 4)

      Neuangebote (Anzahl/Einheiten)

    184.761

    151.782

    -17,8

      Verkäufe (Anzahl/Einheiten)

    172.902

    189.857

    9,8

      Bestand an Immobilienangeboten zum Jahresende (Einheiten)

    187.836

    164.786

    -12,3

    1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2019: 1 US$ = 3,94 R$; 2 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2020: 1 US$ = 5,15 R$; 3 nominal bezogen auf 2020/19 und die Werte in Landeswährung R$; 4 in 150 Städten.Quelle: Statistikamt IBGE 2023; Kammer der Bauindustrie CBIC 2021

    Bis vor wenigen Jahren wurden Aufträge in Brasiliens Tiefbau größtenteils staatlich ausgeschrieben. Heute fehlen dem Staat dafür die nötigen Finanzressourcen. Der Einbruch der Auftragslage und die Korruptionsaffären der Ermittlungsoperation Lava Jato brachten alle großen brasilianischen Baukonzerne in finanzielle Schwierigkeiten. Heute erfolgt der Tiefbau zu 80 Prozent im Auftrag privater Konzessionäre oder anderer Investoren. Allerdings verlor der Tiefbau durch den Einbruch der Staatsausgaben auch an Gewicht. Im Jahr 2011 trug das Segment 42 Prozent zum Branchenumsatz bei, zehn Jahre später waren es nur noch 33 Prozent.

    Mit der Trendwende zu privaten Auftraggebern etablieren sich neue Wettbewerbsbedingungen für den Tiefbau. Die ehemals Großen haben Effizienzaspekte jahrzehntelang vernachlässigt. Privaten Betreiberunternehmen können sie daher oft keine attraktiven Lösungen anbieten. Darüber hinaus besteht das Risiko, dass die Konzerne zukünftig für Korruptionsaffären belangt werden, die bislang nicht bekannt wurden. Damit wären bereits geschlossene Wiedergutmachungsabkommen mit dem Staat hinfällig. Einmal in Verruf geraten, wird es schwer, das Vertrauen der privaten Auftraggeber zu gewinnen.

    Branche ist heute fragmentierter

    Während vor zehn Jahren die acht größten Konzerne ein Viertel des Umsatzes im Tiefbau erwirtschafteten, tragen die acht größten heute gerade einmal 10 Prozent zum Tiefbauumsatz bei. Der Umsatz der ehemals bedeutenden brasilianischen Baukonzerne Odebrecht (heute: OEC), Andrade Gutierrez, Camargo Corrêa, OAS (heute: Metha), Queiroz Galvão (heute: Álya Construtora), Galvão Engenharia, UTC Engenharia und Constran brach rasant ein. Hinzu kamen hohe Strafzahlungen, die die zukünftigen Gewinne schmälerten. Viele beantragten ein gerichtliches Sanierungsverfahren und haben Schwierigkeiten, Garantien für Großprojekte beizubringen. Die Umstrukturierung in der Baubranche ist noch immer in Gang.

    Von Brasiliens mittelgroßen Bauunternehmen sind nur wenige in der Lage, die erforderlichen Garantien zu bieten und Großaufträge anzunehmen. Zu den Ausnahmen gehört die HTB Gruppe, zu der auch das Bauunternehmen Tedesco (Porto Alegre) gehört. HTB rückte im Ranking der Topkonzerne bereits nach oben. Durch die Verlangsamung im Infrastrukturausbau bleibt den vormals mittelständischen Bauunternehmen U&M Mineração e Construção, Barbosa Melo, HTB, Racional und Construcap mehr Zeit, sich als die neuen großen Generalunternehmen (EPC-Contractor) zu etablieren.

    China engagiert sich - jedoch weiterhin ohne Vorzeigeprojekt

    Im Jahr 2016 übernahm China Communications Construction Company (CCCC) den von der Lava-Jato-Affäre betroffenen Baukonzern Concremat. Während der Reise von Präsident Lula nach China im April 2023 unterzeichnete der chinesische Baugigant ein Vorhaben für eine Schienenstrecke im Bundesstaat Pará, die 2 Milliarden US-Dollar (US$) kosten soll. Aus dem geplanten Bau eines Privathafens in São Luís im benachbarten Bundesstaat Maranhão wurde jedoch bislang nichts. Auch andere Ankündigungen setzte CCCC nicht um. Nach mehrmaligem Aufschub soll nun aber der vierjährige Bau der längsten Brücke Lateinamerikas zwischen Salvador und der Insel Itaparica (Bundesstaat Bahia) starten. Die 35-jährige Konzession, die sich CCCC im Jahr 2020 zusammen mit dem chinesischen Konzern CR20 sicherte, wurde Anfang 2022 preislich angepasst.
    Neben CCCC und CR20 engagieren sich weitere chinesische Infrastrukturkonzerne im Land. Seit 2018 errichtete die chinesische Gruppe Shandong Kerui zusammen mit Método die Erdgasverarbeitungsanlage Itaboraí (Rio de Janeiro). Allerdings kündigte Petrobras den Vertrag mit dem Konsortium Kerui-Método 2022 auf. Jetzt wird der brasilianische EPC-Generalunternehmer Toyo Setal den Erdgaskomplex fertigstellen. Für den Bau der Schienenstrecke FIOL nahm der Bergbaukonzern BAMIN im April 2023 das Konsortium des brasilianischen Tiefbauunternehmens Tiisa mit CREC-10, der Tochter der China Railway Group, unter Vertrag.

    Die chinesischen Staatskonzerne CTG, SPIC und State Grid etablierten sich als wichtige Akteure in Brasiliens Stromsektor. China Energy Engineering Corporation (CEEC) unterzeichnete anlässlich des Chinabesuchs von Präsident Lula ein Abkommen zur Investition von 10 Milliarden US$ in erneuerbare Energien in Brasilien. Chinas Energiegigant ist bereits an einem Windpark und einem Solarpark im nordöstlichen Bundesstaat Rio Grande do Norte beteiligt. CEEC-Tochter China Gezhouba Group Corporation (CGGC) übernahm 2018 die öffentlich-private Partnerschaft des Wasserreservoirs São Lourenço und plant den Bau eines Gaskraftwerkes in Maricá (Rio de Janeiro).

    Neben den chinesischen Konzernen betätigen sich nur wenige ausländische Bauunternehmen in Brasilien. Dazu gehören der spanische Baukonzern Acciona, ECB der portugiesischen Gruppe Mota-Engil und HTB der deutschen Zech-Gruppe. Der kanadische Investmentfonds Brookfield engagiert sich in Brasiliens Wasserwirtschaft über das Unternehmen BRK Ambiental.

    Top 10 der Baukonzerne in Brasilien 2021 (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Bruttoumsatz 20211)

    Veränderung 2021/20 2)

    OEC

    549

    -21

    Construcap

    259

    24

    U&M Mineração e Construção

    249

    21

    Acciona

    241

    657

    Construtora Barbosa Mello

    211

    21

    Racional Engenharia

    191

    132

    Fagundes Construção e Mineração

    188

    58

    Grupo Agis Construção 3)

    187

    5

    Áyla Construção 4)

    181

    -5

    A. Yoshii Engenharia e Construções

    177

    21

    1 Baugewerbe (ohne Dienstleistungen oder Konzessionen) umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in R$; 3 gehört Construtora Ferreira Guedes; 4 vormals: Queiroz Galvão.Quelle: Zeitschrift “O Empreiteiro”, Ausgabe Nr. 587 August/September 2022

    Branche öffnet sich für Innovationen

    Brasilianische Start-ups haben die Bauwirtschaft für sich entdeckt und beleben die Branche. Erfolgreiche Bespiele stellen Tecverde, Ambar und Housi dar. QuintoAndar und Loft zählen bereits zu den Einhörnern, sprich erzielten eine Marktbewertung von über 1 Milliarde US$. Innerhalb der vergangenen fünf Jahre verdreifachte sich die Anzahl der sogenannten PropTechs und ConstruTechs in Brasilien. Im Jahr 2022 verzeichnete Terracotta Ventures 955 Start-ups des Immobilien- und Baugewerbes, 14 Prozent mehr als im Vorjahr. Der Wagniskapitalgeber fördert das Ökosystem über die Plattform MITHUB. Einige Bauunternehmen, Wohnungsbaugesellschaften und auch Baumaterialhersteller beteiligen sich aktiv an der Entwicklung. Eine digitale Disruption erwartet die eher konservative Branche jedoch nicht.

    Top 10 der Wohnungsbaugesellschaften in Brasilien 2021 (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Bruttoumsatz 20211)

    Veränderung 2021/20 2)

    MRV

    1.318

    4,8

    Cyrela

    911

    25,3

    Even

    421

    31,1

    Direcional Engenharia

    329

    8,4

    Cury

    322

    46,0

    Tegra Incorporadora

    273

    180,0

    Plano&Plano

    241

    41,0

    A. Yoshii Engenharia e Construção

    185

    9,2

    Eztec

    177

    -6,4

    Patrimar Engenharia

    163

    90,0

    1 Umrechnung zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in R$.Quelle: Zeitschrift “O Empreiteiro”, Ausgabe Nr. 587 August/September 2022

    Top 10 der Baumaterialhersteller in Brasilien 2021 (Umsatz in Millionen US$, Veränderung in Prozent)

    Unternehmen

    Bruttoumsatz 20211)

    Veränderung 2021/20 2)

    Produkte

    Votorantim Cimentos

    4.129

    33,2

    Zement und -derivate, Mörtel, Fugenmasse etc.

    Dexco

    1.513

    39,0

    Holz- und Keramikverkleidungen, Holzplatten, Sanitärprodukte

    Arauco (Chile)

    595

    70,1

    Holzplatten und -verkleidungen

    InterCement

    584

    31,2

    Zement und -derivate

    Berneck

    555

    50,6

    Holzplatten und -verkleidungen

    Eucatex

    454

    36,3

    Holzplatten, -verkleidungen, -türen

    LafargeHolcim (Schweiz)

    397

    46,6

    Zement und -derivate, Einzelhandel

    Supermix

    372

    52,1

    Betone und -derivate

    Portobello

    354

    43,6

    Porzellan- und Keramikfliesen

    1 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 2 bezogen auf den Umsatz in R$.Quelle: Valor 1000 2022

    Starker Preiswettbewerb bei Einfuhren

    Zölle und der schwache Real verteuern die Einfuhr deutscher Produkte, die sich im Preiswettbewerb insbesondere gegenüber Importen aus China behaupten müssen. Über das Sonderregime Ex-tarifário kann eine vorübergehende Zollbefreiung für Technologien beantragt werden, die nicht in Brasilien verfügbar sind. Herstellergarantien, Vorteile im Kundenservice oder in der Finanzierung helfen, den Absatz zu steigern. Das Geschäftsmodell sollte auf Bedarf und Geschäftspraxis der jeweiligen Abnehmer abgestimmt werden.

    Besondere Herausforderungen in Brasilien

    Aufgrund der Größe des Landes unterscheiden sich die natürlichen Gegebenheiten, lokalen Gewohnheiten und auch Bauweisen in Brasilien sehr stark. Deutsche Akteure, die in Brasilien tätig sind, beklagen den Mangel an handwerklich ausgebildetem Personal, Ingenieuren und koordinierter Planung. Hinzu kommen bürokratische Verzögerungen bei Umweltlizenzen sowie ein ineffizienter Einsatz von Arbeitskraft und Material. Widrigkeiten bergen auch der Transport und die Lagerung von Materialien, ökologische Schäden und hohe Energiekosten.

    Langer Atem als Grundvoraussetzung

    Geschäftsbeziehungen entstehen in Brasilien in der Regel über eine persönliche Vertrauensbasis. Entscheidend sind Zuverlässigkeit und Vertrauen - gerade bei Infrastrukturprojekten, die in der Regel über einen langen Zeitraum projektiert, ausgeführt und auch im Nachhinein begleitet werden.

    Um sich zu platzieren, muss ein deutsches Unternehmen den brasilianischen Markt langfristig begleiten und präsent sein. Ein spontaner Markteintritt zum Zeitpunkt hoher Nachfrage ist selten erfolgreich, es sei denn, es können besonders große Preis- oder Effizienzvorteile geboten werden. Eine langfristige Zusammenarbeit mit brasilianischen Partnerunternehmen bietet sich auch wegen der immer noch hohen Bürokratie und des komplizierten Steuersystems an.

    Private und öffentliche Auftragsvergabe 

    Als Generalunternehmen (EPC-Contractor) fungieren neben den Baukonzernen und Wohnungsbaugesellschaften auch große Gesellschaften für Prestige-Immobilien wie der US-Konzern Tishman Speyer. Bei der gezielten Kontaktsuche unterstützen die Auslandshandelskammern die deutschen Unternehmen.

    Im Tiefbau empfiehlt sich ein frühzeitiger Kontakt zu potenziellen Konzessionsnehmern - möglichst noch vor einer Versteigerung der Verträge. Nur so kann der interessierte Betreiber Effizienzgewinne durch moderne Technologien in sein Gebot einkalkulieren.

    Ausschreibungen öffentlicher Projekte werden über das zentrale Portal de Compras veröffentlicht. Die Teilnahme ausländischer Unternehmen wurde bereits im Jahr 2020 entbürokratisiert. Durch den neuen Rechtsrahmen Lei nº 14.133/2021, der ab Ende 2023 auf den drei föderalen Ebenen verpflichtend sein wird, ergeben sich weitere Vereinfachungen.

    Die GTAI stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Zulieferprodukte: Marktlage

    Schwache Konjunktur und gestiegene Kosten für Transport und Energie belasten die Hersteller von Baumaterialien.

    Verhaltene Zuversicht für Baumaterialien

    Im 1. Quartal 2023 im Vergleich zum Vorjahresquartal registrierte der Verband der Baumaterialhersteller Abramat einen Umsatzrückgang um 6,5 Prozent. In Erwartung von Impulsen durch den sozialen Wohnungsbau prognostiziert der Branchenverband für das Gesamtjahr einen leichten Zuwachs um 2 Prozent. Schließlich war der Umsatz im Vorjahr bereits um fast 7 Prozent zurückgegangen. 

    Bauchemiehersteller registrieren eine positive Nachfrageentwicklung und investieren. Auch Gebäudesicherheitstechnik wächst konstant. Die meisten anderen Segmente erholen sich jedoch immer noch von dem Einbruch der Bauwirtschaft ab 2014 und lasten die Produktionskapazitäten nach wie vor suboptimal aus.

    Hersteller stellen auf emissionsarme Verfahren um

    Hohe Preise für die in US-Dollar notierten fossilen Brennstoffe treiben die Kosten für Zement, Basisglas und Keramik in die Höhe und setzen Investitionsanreize für effizientere Produktionsverfahren und alternative Brennstoffe. Neben Holzschnitzeln aus schnell wachsenden Eukalyptusbäumen stehen regional unterschiedliche Agrarreststoffe zur Verfügung. Zusätzlich zu den Bioenergieträgern setzen erste Werke auch auf die Verbrennung von Hausmüll. Dies kann die Umsetzung der Klimaschutzziele in Brasiliens Zementindustrie beschleunigen, die bereits heute relativ emissionsarm produziert. Die börsennotierten Großkonzerne investieren und setzen sich ehrgeizige Ziele - allen voran Marktführer Votorantim Cimentos. Auch die Keramikindustrie setzt auf Bioenergie. Bis 2030 will die Branche die Hälfte des Erdgasverbrauchs durch Biomethan ersetzen.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Zulieferprodukte: Zement, Beton und Holz

    Brasiliens Zementindustrie treibt die Minderung der CO₂-Emissionen voran. Nur sehr langsam gewinnt der Baustoff Holz an Bedeutung.

    Nach Boom nimmt der Verkauf von Zement wieder ab

    Aufgrund des Kaufkraftverlusts der Bevölkerung schwächelt der Eigenbau. Gleichzeitig bremsen die hohen Zinsen den kommerziellen Wohnungsbau. Nach dem deutlichen Wachstum von 2019 bis 2021 ging der Zementabsatz 2022 um 2,8 Prozent auf insgesamt 63,1 Millionen Tonnen zurück. Damit lag das Marktvolumen 8,8 Millionen Tonnen unter dem Niveau des Rekordjahres 2014. Nur im Norden und Zentralwesten Brasiliens zog der Verkauf weiter an.

    Der Herstellerverband Sindicato Nacional da Indústria do Cimento (SNIC) erwartete für 2023 zunächst ein leichtes Wachstum um bis zu 1 Prozent, dürfte seine Prognose jedoch nach unten korrigieren. Schließlich ging der Zementverbrauch im 1. Quartal um 1,2 Prozent zurück. Hinzu kommt, dass die Produktionskosten für den Sektor weiter ansteigen - anders als bei anderen Baumaterialien. Im 1. Quartal lag der Strompreis 25 Prozent höher als im 1. Quartal 2022; Zementsäcke waren 25 Prozent teurer, feuerfeste Werkstoffe 17 Prozent. Der Preis für Petrolkoks ging 2022 zwar leicht zurück, liegt aber immer noch dreimal so hoch wie vor der Coronakrise.

    Konsolidierter Sektor

    Von der Auslastung der installierten Produktionskapazität von 94 Millionen Tonnen pro Jahr ist der Sektor nach wie vor weit entfernt. Immerhin rückte die Produktion der 91 Zementwerke wieder in die Nähe des Vorkrisenniveaus von etwa 70 Millionen Tonnen.

    Das Unternehmen Votorantim Cimentos hält die unbestrittene Marktführerschaft unter den landesweit 23 Herstellern. Der brasilianische Stahl- und Bergbaukonzern CSN macht InterCement (IC) den zweiten Rang streitig. Im Jahr 2022 schloss CSN die Übernahme der Aktiva des Schweizer Baustoffkonzerns Holcim ab. Derweil befindet sich IC in finanziellen Schwierigkeiten ebenso wie die Gruppe João Santos, Cimento Tupi und Cimento Liz.

    Seit 2014 durchläuft der Sektor eine Konsolidierungsphase, die die Gruppen TITAN Cement (Griechenland), Vicat (Frankreich) und Buzzi (Italien) für den Markteinstieg nutzten. Gleichzeitig zogen sich 2021 und 2022 die irische CRH und Holcim aus Brasilien zurück. CRH verkaufte seine vier Zementwerke an CNC, eine Tochter des italienisch-brasilianischen Joint-Ventures von Buzzi und Brennand.

    Marktführer treiben Innovation voran

    Votorantim Cimentos setzt auf Innovationen und neue Technologien. Der siebtgrößte Zementhersteller der Welt mit einer Kapazität von 52,8 Millionen Tonnen entwickelt CO₂-arme Technologien und setzt auch bei Verpackungen auf Nachhaltigkeit. Votorantim Cimentos unterzeichnete 2020 ein globales Abkommen zur Emissionsminderung um 30 Prozent bis 2030. Im 1. Quartal 2023 kündigte der Konzern Investitionen von fast 200 Millionen US-Dollar (US$) an, hauptsächlich zur Dekarbonisierung. Auch bei der Digitalisierung gibt das Unternehmen die Richtung vor und optimiert die Prozesse über Industrie-4.0-Lösungen. Zudem treibt der Konzern Innovationen über das Start-up-Programm VC Connect und den Fonds iV Ventures voran.

    Ähnliche Ansätze zur Entwicklung von Industrie-4.0-Lösungen verfolgt CSN mit seiner Tochter CSN Inova. Außerdem investiert der Konzern in die Dekarbonisierung. Bis 2030 will CSN mindestens 1 Milliarde US$ investieren. Ende 2022 kündigte der Bergbaukonzern Vale an, zukünftig über das Unternehmen Circlua "grünen Zement" herzustellen.

    Sektorziel: Klimaschutz

    Zusammen mit dem Herstellerverband für Portlandzement Associação Brasileira de Cimento Portland (ABCP) veröffentlichte SNIC im April 2019 eine Technologie-Roadmap. Bis 2050 will die Zementindustrie die Treibhausgasemissionen um 33 Prozent auf 375 Kilogramm CO₂-Äquivalente pro Tonne Zement mindern.

    Da die Preise für Petrolkoks in US-Dollar notiert sind, trieb die drastische Abwertung des brasilianischen Real in den jüngsten Jahren die Energiekosten der Werke in die Höhe. Umso lohnender ist die Umstellung auf alternative Brennstoffe. Neben Holzschnitzeln aus schnell wachsenden Eukalyptusbäumen stehen regional unterschiedliche Agrarreststoffe zur Verfügung. Zusätzlich zu den Bioenergieträgern setzen erste Werke auch auf die Verbrennung von Hausmüll.

    Zementverkauf in Brasilien (in 1.000 Tonnen, Veränderung und Anteil in Prozent)

    Region

    20221)

    Veränderung 2022/21 1)

    Anteil 2022 1)

    Südosten

    28.804

    -3,6

    46,0

    Nordosten

    12.499

    -4,6

    20,0

    Süden

    10.870

    -2,0

    17,4

    Zentrum-West

    7.597

    1,6

    12,1

    Norden

    2.879

    1,6

    4,6

    Insgesamt 2)

    62.649

    -2,8

    100,0

    1 Angaben für 2022 vorläufig; 2 hinzu kommen Exporte in Höhe von 403.000 Tonnen (-13,7 Prozent im Vergleich zu 2021).Quelle: SNIC 2023

    Holzrahmenbau mit neuem Rechtsrahmen

    Trotz der hochproduktiven Forstwirtschaft findet Holz nur wenig Beachtung in der Bauwirtschaft Brasiliens. Das Aufkommen der Baulösung "WoodFrame" lässt die Nachfrage aber allmählich steigen. Für eine Marktdurchdringung dieser Baumethode fehlte lange ein staatlich anerkannter Standard. Nach einer fünfjährigen Ausarbeitungsphase veröffentlichte Brasiliens Normierungsbehörde im Mai 2021 endlich die Norm für den Holzrahmenbau: ABNT NBR 16.936.

    Auf den Holzrahmenbau setzt der Bauträger Construtora Tenda mit seinem Start-up Alea. Im Jahr 2022 baute Alea 400 Wohneinheiten. Ab 2026 will das Unternehmen 10.000 Einheiten pro Jahr errichten. Dabei ermöglicht die Produktionsanlage in Jaguariúna (São Paulo) den Bau von Häusern in einem Umkreis von bis zu 1.000 Kilometer. Wachsenden Erfolg mit modularen Holzbausystemen verzeichnet auch Tecverde, das 2009 über den Transfer deutscher Bautechnologie entstanden ist. Das brasilianische Jungunternehmen nutzt deutsche Maschinentechnologie und will in den kommenden vier Jahren zwei neue Fabriken errichten. 

    Der Baukonzern HTB (bis 2016 noch Hochtief do Brasil) der deutschen Zech-Gruppe entwickelte unter dem Namen "HTB eWOOD" ein modulares System für den Holz-Hybrid-Bau. Dabei wird pro Kubikmeter Holz 1 Tonne CO₂ gebunden. Das Start-up Urbem nahm im 2. Halbjahr 2022 seine eigene Fabrik in Almirante Tamandaré (Paraná) in Betrieb. Pro Jahr sollen hier 100.000 Kubikmeter Holz für den Bau von etwa 500.000 Kubikmeter Immobilien verarbeitet werden. Das Holz stammt aus aufgeforsteten Kiefernwäldern. Mit dem System von Urbem will Noah Tech in der Wirtschaftsmetropole São Paulo bis zu elfstöckige Holz-Hybrid-Hochhäuser errichten. Ende 2022 brachte das Start-up ein Luxusreihenhaus mit sechs Wohneinheiten auf den Markt. An dem Projekt beteiligt ist auch Brasiliens zweitgrößter Baumaterialkonzern Dexco (vormals Duratex).

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Zulieferprodukte: Glas, Fliesen und Sanitär

    Der Markt ist in der Pandemie gewachsen. Doch steigende Produktionskosten und die Konjunkturschwäche mahnen zur Vorsicht.

    Kapazitätsauslastung für Basisglas bleibt niedrig

    Brasiliens Basisglasproduktion nahm im Jahr 2022 um 4,5 Prozent ab. Der Absatz von Spiegeln an den Möbelsektor ging stark zurück. Aber auch der Bausektor, der den Großteil der Glasnachfrage ausmacht, trägt zu dem Negativtrend bei. Anders als Sicherheitsglas setzte Verbundglas, das insbesondere bei Fassaden zum Einsatz kommt, den Wachstumskurs zum dritten Jahr in Folge fort. Der Absatz an die Kfz-Industrie erholte sich nur wenig und belastet den Sektor weiter. 

    Angesichts der anhaltend hohen Zinsen zeichnet sich für 2023 kaum eine Verbesserung ab. Im März zog der Verkauf zwar drastisch an, doch lag der Absatz im 1. Quartal 2023 fast 15 Prozent unter dem Durchschnittswert des Vorjahres. Vier Fabriken sind derzeit nicht ausgelastet und produzieren somit suboptimal. Dennoch stieg der Glasimport, beispielsweise aus Malaysia, an. Das Unternehmen Guardian wird die Produktion in Tatuí (São Paulo) und der Hersteller Cebrace den Betrieb in Barra Velha (Santa Catarina) wegen Wartungen zwischenzeitlich aussetzen.

    Primärrohstoffe produzieren nur noch fünf Unternehmen in Brasilien. Die Gesamtkapazität liegt seit 2018 bei 7.530 Tonnen pro Tag. Größter Produzent ist Cebrace mit einer Kapazität von 3.600 Tonnen pro Tag, gefolgt von AGC (1.450 Tonnen pro Tag), Guardian (1.400 Tonnen pro Tag), Vivix (900 Tonnen pro Tag) und Saint-Gobain Glass (180 Tonnen pro Tag). Das Traditionsunternehmen UBV stellte 2018 den Betrieb seiner Fabrik ein. Damit verbleibt Saint-Gobain als Brasiliens einziger Hersteller von Pressglas. Alle weiteren Fabriken verwenden das Floatglasverfahren. Trotz der geringen Auslastung und der hohen Unsicherheit kündigte Vivix an, seine Kapazitäten am Standort Goiania im nordöstlichen Staat Pernambuco bis 2025 auf 1.900 Tonnen pro Tag zu verdoppeln. Investitionsziel ist der Export nach Europa und in die USA.

    Hohe Dynamik für Glasverarbeiter und Zulieferer

    Energie, Vorprodukte und Maschinen für die Glasindustrie verteuern sich weiter. Im Laufe des vergangenen Jahres setzten die Basisglashersteller erneut drei Preissteigerungen durch. Damit stieg der Preis für Floatglas seit März 2020 um insgesamt 170 Prozent. Die rund 550 glasverarbeitenden Unternehmen sorgen sich um die steigenden Kosten. Die fehlende Planungssicherheit infolge kurzfristig angekündigter Preissteigerungen der Basisindustrie, aber auch die beeinträchtigte Kaufkraft schmälern die Gewinne der Glasverarbeiter.

    Im Dezember 2021 eröffnete der italienische Ausrüstungshersteller Bavelloni eine Vertriebsniederlassung in São Bernardo do Campo. Im selben Jahr stellte die finnische Firma Glaston stellte den Betrieb seiner Maschinenfabrik in Diadema (São Paulo) ein und bedient den Markt nun über die Vertriebsunternehmen MM4Glass und LatamGlass. Weitere Lieferanten der Branche sind Diamanfer, Lisec und Sglass.

    Aus dem Photovoltaikboom in Brasilien und dem Aufkommen der organischen PV-Integration können sich Wachstumschancen für die lokale Glasindustrie ergeben. Die transparenten OPV-Folien des brasilianischen Start-ups Sunew kommen bereits auf den Glasfassaden verschiedener Unternehmenszentralen und Shoppingzentren zum Einsatz.

    Umsatz und Absatz von verarbeitetem Flachglas in Brasilien 1)

    Kategorie

    Umsatz 2021 (in Millionen US$) 2)

    Reale Veränderung 2021/20 3)

    Absatz (Millionen Quadratmeter) 2021

    Veränderung 2021/20

    Vorgespanntes Einschichten-Sicherheitsglas

    754,6

    23,7%

    35,0

    -0,6%

    Verbundglas (laminiert)

    260,0

    34,2%

    7,7

    11,6%

    Spiegel

    192,2

    5,7%

    14,0

    -16,2%

    Arbeitsplatten, gebogenes, verziertes und kantenbehandeltes Glas

    23,0

    -22,3%

    2,2

    -22,6%

    Isolierglas

    38,3

    36,0%

    0,3

    -1,3%

    Insgesamt

    1.268,1

    21,5%

    59,2

    -4,5%

    1 ohne Kfz-Industrie; 2 umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs 2021: 1 US$ = 5,4 R$; 3 bezogen auf den Umsatz in R$.Quelle: Abravidro 2023

    Verkauf von Keramikverkleidungen brach ein und bleibt 2023 schwach

    Nach dem Rekordanstieg im Vorjahr erlebten Brasiliens Hersteller von Keramikverkleidungen im Jahr 2022 einen drastischen Einbruch des Verkaufs um 17,7 Prozent. Dabei war der Rückgang am Inlandsmarkt deutlicher als im Export. Die Produktion ging um 11,6 Prozent auf 927 Millionen Quadratmeter zurück. Bodenfliesen machten 57 Prozent, Wandfliesen 21 Prozent und Feinsteinzeug 19 Prozent der Produktion aus. Für 2023 erwartet der Herstellerverband Anfacer ein vielleicht noch schwierigeres Jahr.

    Brasilien ist der weltweit zweitwichtigste Markt für Keramikverkleidungen, der drittwichtigste Produzent und der siebtgrößte Exporteur. Mit Abstand führend ist China. Die landesweit 60 Hersteller betreiben insgesamt 71 Fabriken, führen 137 verschiedene Marken und beliefern über 100 Auslandsmärkte. Regional konzentriert sich die Produktion auf den Südosten und Süden Brasiliens. Bedeutendster Industriestandort ist die Region um Santa Gertrudes (São Paulo).

    Der Sektor zeichnet sich durch hohe Produktivität und Qualität sowie moderne Technologien und Design aus. Auch im Bereich der Zertifizierung und Qualitätskontrolle ist die Branche fortschrittlich. Um die Kosten weiter zu senken, investieren die Hersteller in die Automatisierung von Prozessen und Maßnahmen zur Energieeffizienz.

    Nach der Chemieindustrie ist die Keramikindustrie der zweitgrößte Erdgaskonsument Brasiliens. Der stark gestiegene Erdgastarif setzt die Hersteller unter Druck. Um sich im internationalen Wettbewerb zu behaupten, setzt die Branche auf Dekarbonisierung. Bis zum Jahr 2030 soll der Exportanteil an der Produktion von derzeit 13,3 Prozent auf 30 Prozent der Produktion steigen. Dafür soll die Hälfte des Gasverbrauchs durch Biomethan ersetzt werden. Zehn Fabriken in Santa Gertrudes riefen im März 2023 zusammen mit der lokalen Zucker-Ethanol-Industrie ein Pilotprojekt ins Leben, das bis 2025 umgesetzt wird. Das Biomethan wird aus Reststoffen gewonnen. 

    Der Marktführer Portobello sowie die Gruppe Dexco (vormals: Duratex; Handelsmarken Ceusa und Portinari) und Roca Brasil Cerámica (Tochter der spanischen Gruppe Roca) verzeichnen ein überdurchschnittliches Wachstum, gewinnen Marktanteile und investieren besonders intensiv. 2022 kündigte die Gruppe Eliane den Bau einer neuen Fabrik in Camaçari (Bahia) an.

    Hohe Informalität und Zersplitterung bei Keramikziegeln

    Brasiliens Ziegelstein- und Dachziegelindustrie ist stark zersplittert. Nach Angaben des Branchenverbandes Anicer erwirtschaften rund 6.900 Unternehmen, oftmals kleine Familienbetriebe, einen Jahresumsatz von rund 3,5 Milliarden US-Dollar (US$). Die Informalität ist sehr hoch und nur wenige Unternehmen können Qualität nachweisen. Anfang 2022 verfügten nur 86 der über 4.000 Hersteller von Back- oder Ziegelsteinen und nur 25 der etwa 2.500 Produzenten von Dachziegeln über ein Qualitätszertifikat. Nur rund 150 Fabrikanten sind dem Industrieverband Anicer angeschlossen. Entsprechend schwierig gestaltet sich die Erhebung konjunktureller Daten.

    Überschaubare Herstellerlandschaft bei Sanitärprodukten

    Sanitärkeramik stellen in Brasilien laut dem Branchenverband Abceram nur zehn Unternehmen in landesweit 18 Betrieben her. Die dominierenden Player sind Deca (Tochter von Dexco) und die spanische Firma Roca, die in jeweils fünf Fabriken produzieren und gemeinsam über 65 Prozent des Marktes bedienen. Dabei schloss Roca 2020 mit der Übernahme von CSC am Standort Caucaia (Ceará) zum Marktführer Deca auf. Weitere Hersteller von Sanitärkeramik sind die Unternehmen Fiori (Tochter der US-Gruppe Kohler), Cerâmica Industrial de Taubaté (Hervy), Indústria Cerâmica Andradense (Icasa), Luzarte Estrela, Mari, Onix und Santa Clara.

    Außer den erwähnten fünf Fabriken für Sanitärkeramik verfügt Deca über zwei Werke für Metallbeschläge in São Paulo. Roca produziert in Brasilien in neun Betrieben Sanitärkeramik sowie Keramikverkleidung, Metallarmaturen und weitere Badausstattung.

    Auch der brasilianische Hersteller Lorenzetti gewinnt an Bedeutung. Der Marktführer für Duschen und Durchlauferhitzer verfügt landesweit über fünf Fabriken und verdoppelt die Produktionskapazität in Poços de Caldas (Minas Gerais) bis 2024.

    Docol, zweitgrößter Hersteller von Metallarmaturen nach Deca und führender Exporteur, übernahm 2019 Mekal, den Marktführer für Spül- und Waschbecken aus Stahl. Zur Erweiterung des Produktportfolios plant Docol auch den Einstieg in den Keramikmarkt. Der Markt für Armaturen ist relativ zersplittert. Zu den rund 100 Produzenten gehören neben den großen Herstellern Deca, Docol, Roca, Eternit, Lorenzetti und Fabrimar auch viele Kleinunternehmen.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Zulieferprodukte: Kunststoffe, Türen und Fenster

    Die Hersteller von Kunststoffrohren erwarten Wachstum. Die Marktdurchdringung von PVC-Rahmen erfolgt dahingegen nur allmählich.

    Rohrfabrikanten bereiten sich auf Wachstum der Wasserwirtschaft vor

    Die guten Aussichten in der brasilianischen Wasserwirtschaft animieren die Zulieferer in Brasilien. Voraussichtlich 500.000 Kilometer Rohrleitungen müssen bis 2033 verlegt werden, damit die Trinkwasserversorgung und Abwasseraufbereitung den gesetzlichen Vorgaben genügt. Aufgrund der steigenden Nachfrage plant Saint Gobain Canalização, der einzige Hersteller von Gusseisenrohren in Lateinamerika, seine Produktionskapazität von 12.000 Tonnen pro Jahr um 50 Prozent zu erweitern. Die Fabrik in Itaúna im Bundesstaat Minas Gerais wird bis 2024 ausgebaut und mit Holzkohle aus Forstwäldern schnell wachsender Eukalyptusbäume betrieben. 

    Auch Bewässerungssysteme in der Agrarwirtschaft und der Wohnungsbau werden zum Wachstum beitragen. Die führenden Hersteller für PVC-Rohre und -Verbindungen konnten ihren Umsatz in beiden Pandemiejahren zweistellig steigern. Über eine Kapitaleinlage der US-amerikanischen Private-Equity-Gesellschaft Advent baut Marktführer Tigre die Produktion sowohl am US-Markt als auch in Brasilien aus. Auch Amanco (Tochter der Gruppe Mexichem), der landesweit drittgrößte Produzent Krona und der Hersteller Corr Plastik investieren. Das neue Werk von Krona in Joinville (Santa Catarina) wurde als Referenzfabrik für Industrie-4.0-Lösungen konzipiert. Allerdings stellen die Kosten für in US-Dollar notierte Vorprodukte wie PVC den Sektor vor Herausforderungen.

    Fortlev, Brasiliens wichtigster Wassertankproduzent, investiert in 3D-Druck und Industrie-4.0-Technologien und trat 2019 mit der Gründung von Fortlev Solar in den boomenden Fotovoltaikmarkt ein. Weitere Hersteller von Rohren, Verbindungen, Deckenverkleidung sowie Tank- und Zisternensystemen aus PVC- und Faserverbundkunststoffen in Brasilien sind Duro PVC, Edra, Petrofisa, Fibral, Tecniplas, MX Tubos, Plastilit, Majestic, InbraPlasticos, Peveduto, PVC Brazil, Stringal Hurner, Interfiber und Multilit. 

    Metallrahmen bei Türen und Fenstern weiter vorrangig

    Anders als in Europa und den USA werden in Brasilien nur 4 Prozent der Tür- und Fensterrahmen aus PVC gefertigt. Es dominieren Rahmen aus Stahl (Marktanteil: 45 Prozent), Holz (30 Prozent) und Aluminium (21 Prozent). Die Marktstruktur in den einzelnen Segmenten unterscheidet sich stark. Stahlrahmen werden hauptsächlich als Standardfenster und -türen angeboten. Hersteller von standardisierten Produkten sowie kleine Familienbetriebe, die Holzrahmen anfertigen, stellen auf Aluminium um. Die Markteinführung von PVC verläuft wesentlich zäher. Marktbeobachter erwarten jedoch eine zunehmende Bedeutung von PVC und hochwertigerer Fenster- und Fassadentechnologie.

    Laut Branchenverband AFEAL versorgen etwa 5.600 Unternehmen den wachsenden Markt für Aluminiumrahmen, der etwa 7 Millionen Einheiten im Jahr absetzt. Zu etwa 70 Prozent handelt es sich um Standardrahmen. Dagegen bedienen laut dem Branchenverband ASPEC PVC nur etwa 170 Montageunternehmen den brasilianischen Markt für PVC-Rahmen. Etwa 60 Prozent des Marktes entfallen auf sechs Unternehmen, darunter die deutschen Hersteller Veka und Profine GmbH (Handelsmarke Kömmerling), den belgischen Fabrikant Deceuninck und die brasilianischen Hersteller Bazze, Weiku und Claris der Gruppe Ibrap. Auch der deutsche Systemanbieter Schüco ist am Markt vertreten.

    Sasazaki, Brasiliens Marktführer für Stahl- und Aluminiumrahmen, richtete in der Fabrik Marília (São Paulo) eine eigene Produktionslinie für Bauunternehmen ein. Weitere große Hersteller von Standardfenstern/-türen sind Atimaky, Atlântica, CRV, Ebel, Gerotto, Gravia, Metalúrgica HB, MGM, Metalúrgica Irmãos Carvalho (MIC), Ramassol, Ullian und Vitrolar. Brasiliens Branchenverband für Standardrahmen Associação Brasileira das Indústrias de Portas e Janelas Padronizadas (Abraesp) erwartet aufgrund einer Erholung im Sozialen Wohnungsbau für 2023 ein Wachstum von 7 Prozent bis 10 Prozent.

    Aufwendige Überzeugungsarbeit für PVC-Rahmen

    Wachstumspotenzial für PVC-Rahmen eröffnen insbesondere Luxushäuser in den Küstenregionen und Gebäudefassaden. Für eine Stimulierung der Nachfrage sprechen zudem die Norm ABNT NBR 15.575 über akustische und isolationstechnische Eigenschaften von Wohngebäuden und die Norm ABNT NBR 10.821. Letztere verpflichtet die Hersteller von Fenster- und Türrahmen, ihre Produkte auf Schallisolierung zu prüfen und mit einem Prüfsiegel zu kennzeichnen. Die Kennzeichnung der thermischen Isolierfähigkeit bleibt vorerst den Unternehmen überlassen. Die Normen können zur Sensibilisierung der Bevölkerung für die akustischen und thermischen Vorteile gedämmter Fenster beitragen. Im Kalkül der Brasilianer überwiegen jedoch oft kurzfristige Preisvorteile.

    Neben dem Preisnachteil mangelt es an Vorkenntnissen über die Fertigung und die Vermarktung von PVC-Rahmen. Profine beliefert den Markt seit 2014 über kleine Partnerfabrikanten, die sich auf PVC-Fenster spezialisieren, und erweiterte 2020 sein Werk für Standardrahmen in Osório (Rio Grande do Sul). Auch Veka und Rehau bauen ihr Vertriebsnetz über spezialisierte lokale Unternehmen aus. Die Hersteller der DACH-Region importieren die PVC-Profile, die in Brasilien weiterverarbeitet oder über Montagefirmen vertrieben werden.

    Ein lokaler Hersteller von PVC-Rahmen und Profilen ist Weiku. Der bedeutendste brasilianische Hersteller von PVC-Fenstern und -Türen Claris wurde 2020 von der Gruppe Ibrap übernommen. Bei einer neuen Fabrik in Santa Izabel do Pará, die 2024 in Betrieb gehen soll, entschied sich Ibrap allerdings für Aluminiumrahmen. Schließlich liegt die Weiterverarbeitung der lokalen Aluminiumproduktion im Interesse des Bundesstaats Pará, der das Vorhaben dementsprechend fördert.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Zulieferprodukte: Bauchemikalien und -isolationsmaterialien

    Positive Aussichten animieren Bauchemiehersteller zu Investitionen. Brasiliens Markt für Dämmstoffe wächst mit dem Aufkommen des Skelettbaus.

    Steigender Absatz von Bauchemie

    Nach dem Renovierungsboom in der Pandemie und einem außergewöhnlich guten Jahr 2021 brach der Absatz von Bautenanstrichmitteln im vergangenen Jahr um 5,2 Prozent ein. Für das Jahr 2023 erwartet der Verband der Farbhersteller Abrafati nur eine Teilerholung und ein Wachstum um maximal 2,5 Prozent. Der Verkauf von Immobilienfarben, der mehr als 80 Prozent des Segments ausmacht, lag 2022 bei 1,4 Millionen Liter. Der Großteil der Anstrichmittel dient der Renovierung. Neubauten machen nur ein Viertel des Marktvolumens aus. 

    Auch andere Segmente wie Mörtel, Zusatzstoffe sowie Kleb- und Dichtstoffe registrierten in der Pandemie einen deutlichen Zuwachs und erlebten einen Rückgang im Jahr 2022, der nun durch die Inflation und die hohen Zinsen verstärkt wird. Brasiliens Bauchemiehersteller erweitern ihr Angebot an Produkten mit einem immer höheren Mehrwert, insbesondere im Bereich Mörtel, Betonfertigteile und Gips. Aspekte der Nachhaltigkeit und Gesundheitsverträglichkeit treffen auf zunehmende Aufmerksamkeit der Verbraucher.

    Multinationale und lokale Hersteller investieren

    Ausländische Unternehmen nutzten die drastische Abwertung der brasilianischen Währung, um sich in Brasilien zu verstärken - darunter Saint-Gobain, der deutsche Hersteller MC Bauchemie, der niederländische Spezialchemiekonzern Nouryon (vormals Akzo Nobel Specialty Chemicals), das Schweizer Chemieunternehmen Sika, Bostik der französischen Gruppe Arkema sowie der italienische Mörtelproduzent Fassa Bortolo.

    Saint-Gobain bedient den Markt über die Marken Brasilit, Quartzolit, Brasprefer, Sekurit und Placo sowie die Handelsketten Telhanorte und Tumelero, die zum Verkauf stehen. Für 2023 erwartet die französische Gruppe ein Umsatzwachstum um 10 Prozent. Im April 2023 nahm Brasilit die Produktion von Wellplatten aus Faserzement in Abadiânia (Goiás) auf. Die neue Fabrik ist vollständig vernetzt und nutzt Industrie-4.0-Technologien. Zudem erweiterte Saint-Gobain die Produktionskapazitäten der Brasilit-Fabrik in Recife sowie verschiedener Anlagen der Schleifmittelspalte Saint-Gobain Abrasivos und übernahm den brasilianischen Dichtstoff-Hersteller Brasprefer sowie den Betonzusatz-Fabrikanten Matchem.

    Aber auch die brasilianischen Unternehmen investieren. Brasiliens Stahlkonzern Gerdau ist in den Markt für Bauzusätze eingestiegen. Die im April 2021 gegründete Tochter Gerdau Graphene errichtete eine Produktionsanlage in Ouro Branco im Staat Minas Gerais. In diesem Jahr kommt bereits die zweite Bautenanstrichfarbe auf Graphen-Basis auf den Markt. 

    Vedacit treibt Innovationen über Start-ups voran und rief mit Vedacit Labs 2018 das landesweit erste Programm für Open Innovation im Bausektor ins Leben, welches 2023 schon zum siebten Mal stattfinden wird. Brasiliens Marktführer für Isolieranstrich baut zudem den Standort in Itatiba (São Paulo) aus. Vedacit-Konkurrent Dryko, der auch zu den führenden Herstellern von Kleb- und Dichtstoffen in Brasilien gehört, verzeichnet ebenfalls zweistellige Wachstumsraten, erweitert sein Portfolio zur Bauwerksabdichtung, vergrößert die Produktionskapazitäten und investiert in Logistik. 

    Wachstumsimpulse bei Bauisolationsmaterialien durch den Skelettbau 

    Das Aufkommen von Steel Frame- und Wood Frame-Bauweisen treibt den Absatz von Isolationsmaterialien voran. Mit der Norm NBR 16.970 legte Brasiliens Normierungsbehörde ABNT im Mai 2022 erstmals einen Rechtsrahmen für den Leichtstahlbau fest. Brasiliens Branchenverbände Centro Brasileiro da Construção em Aço (CBCA) und Associação Brasileira da Construção Metálica (ABCEM) registrierten zuletzt jährliche Wachstumsraten um 25 Prozent. 

    Die Aktualisierung der Norm ABNT NBR 15.575 erweiterte bereits ab 2013 die Anforderungen an die Schallisolierung von Wohneinheiten. Seit März 2019 gelten neue Brandschutzauflagen für Bauisolationsmaterialien. Die Verwendung von mineralischen Faserdämmstoffen wie Glaswolle und Steinwolle sowie Isopor und Bauschaum dürfte sowohl im Neubau als auch bei Renovierungen zunehmen.

    Wenige Hersteller teilen sich den Markt

    Saint-Gobain baute seine Position als Marktführer für Dämmmaterialien aus. Der französische Konzern erwarb im Februar 2023 den argentinischen Mineralwolle-Fabrikanten Térmica San Luis. Mit der Marke ISOVER ist Saint-Gobain Brasiliens wichtigster Anbieter von Glaswolle.

    Auch Soprema investiert. Der Komplettanbieter von Dämmsystemen ist bereits seit 2012 in Brasilien vertreten. In der Pandemie übernahm die französische Gruppe zunächst Denver Impermeabilizantes und im Jahr 2022 Rockfibras. Weitere große Anbieter von Lösungen zur Bauisolierung sind Acital und Trisoft. Auf die akustische Isolierung konzentrieren sich Ambi und Vibrasom.

    Aufgrund der natürlichen Vorkommen von Gips konzentriert sich die Produktion von Gipskarton auf den Nordosten Brasiliens. Der deutsche Drywall-Produzent Knauf setzt in Brasilien auf kostenfreie Schulungen und auf ein innovatives Portfolio, um den Absatz zu stimulieren. Zu den wenigen Drywall-Herstellern mit einer Produktion vor Ort zählen zudem Gypsum der belgischen Gruppe Etex, Placo der Saint-Gobain-Gruppe und der brasilianische Hersteller Trevo.

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Zulieferprodukte: Gebäudetechnik

    Steigende Stromtarife sprechen für einen Trend zu Energieeffizienz. Brasiliens Markt für Sicherheitstechnik bietet ein konstant hohes Wachstum.

    Absatz von Klimageräten soll sich 2023 wieder erholen

    Inflation und hohe Zinsen schlugen sich im vergangenen Jahr unmittelbar im Absatz von Gebrauchsgütern nieder. Nach Daten des Branchenverbands Abrava sank der Umsatz mit Klimaanlagen für Haushalte um 15 Prozent. Für 2023 erwartet Abrava für den Teilmarkt nur eine leichte Erholung von maximal 2 Prozent.

    Dafür zog die Nachfrage nach zentralen Anlagen an, die von der Dynamik der Baubranche und der Erholung im Dienstleistungssektor stimuliert wurde. Nach dem Wachstum um 12 Prozent dürfte sich der Positivtrend auch 2023 fortsetzen, wenn auch nicht mehr ganz so intensiv. Auch Kühl- und Gefriersysteme für die stets steigenden Fleischexporte halten den Wachstumskurs. Dennoch sank der Gesamtumsatz am brasilianischen HKL-Markt 2022 in brasilianischen Reais (R$) um 6 Prozent auf umgerechnet insgesamt 6,6 Milliarden US-Dollar (US$). Für 2023 erwartet Abrava die vollständige Erholung. 

    Aufgrund steuerlicher Anreize konzentriert sich die Produktion von HKL-Technik auf die Freihandelszone Manaus im Bundesstaat Amazonas. Nur etwa 2 Prozent der Klimageräte werden importiert. Marktführer ist der Konzern LG, der wie der ebenso koreanische Konkurrent Samsung stark in KI und Energieeffizienz investiert. Der US-Konzern Whirlpool mit der Marke Consul stellt die Energieversorgung der Produktion in drei Fabriken schon bis 2024 komplett auf erneuerbare Energien um. Zu den bedeutendsten Anbietern von Split-Geräten in Brasilien gehören zudem der schwedische Haushaltsgeräteproduzent Electrolux, die brasilianischen Unternehmen SEMP TCL, Komeco, Agratto und Elgin, die chinesischen Hersteller Gree und Midea sowie die japanischen Unternehmen Fujitsu und Daikin.

    Insgesamt verfügt lediglich ein Fünftel der Haushalte über eine Klimaanlage. Die Produktion von zweiteiligen Klimaanlagen (Split-Klimageräte) ging 2022 um 15 Prozent zurück. Die relativ lauten und ineffizienten Fensterklimageräte, für die Brasilien nach den USA und Indien der drittgrößte Markt weltweit ist, verlieren weiter an Bedeutung und stellen nur noch rund ein Zehntel der Neugeräte dar. Heiztechnik ist in Brasilien so gut wie kein Thema. Selbst im kälteren Süden besteht weiterhin nur wenig Interesse.

    Energieeffizienz gewinnt an Stellenwert

    Aufgrund der hohen und steigenden Strompreise ziehen immer mehr Käufer energieeffiziente Technologien wie Inverter bei Kühlprozessen vor. Im Immobiliensektor ist die Entwicklung deutlich langsamer. Dabei entfällt etwa die Hälfte des Stromverbrauchs in Brasilien auf Gebäude. Über verschiedene Initiativen wird Energieeffizienz in Gebäuden gefördert. Das Programa Brasileiro de Etiquetagem em Eficiência Energética (PBE Edifica) schreibt für alle öffentlichen Gebäude eine Zertifizierung vor. Für Büro- und Geschäftsgebäude sowie AAA-Logistikhallen gehört die LEED-Zertifizierung des U.S. Green Building Council bereits zum Standard. In der Regel werden hier jedoch nur die Mindestanforderungen erfüllt. Potenzial zur Einsparung von Energie besteht daher auch bei zertifizierten Gebäuden. 

    Gebäudesicherheitstechnik verzeichnet stets hohen Zuwachs

    Überwachungstechnik zur Gebäudesicherheit ist aufgrund der hohen Kriminalität sehr gefragt. In den Metropolregionen kommen elektronische Zugangssysteme und Überwachungseinrichtungen in fast allen Wohnkomplexen zum Einsatz. Unternehmen und Luxuswohnanlagen leisten sich auch besonders hochwertige und innovative Sicherheitssysteme. Laut dem Verband für elektronische Überwachung Abese legte der Branchenumsatz gemessen in der Landeswährung auch in der Coronakrise durchgehend zweistellig zu und belief sich 2022 auf umgerechnet rund 2,1 Milliarden US$. Im Trend liegen Wärmebildkameras sowie Systeme zur Gesichtserkennung. Angeregt wird die Nachfrage durch KI und den 5G-Ausbau.

    Der brasilianische Marktführer Intelbras erweitert die Produktionskapazitäten und investiert intensiv in Forschung und Entwicklung. Partnerschaften mit Telit, einem der führenden Player auf dem Gebiet des Internet of Things (IoT), und dem chinesischen Hersteller Dahua Technology sollen Intelbras auch zukünftig starkes Wachstum garantieren. Intelbras betreibt landesweit vier Fabriken und exportiert in über 20 Länder.

    Weitere bedeutende Anbieter von Überwachungstechnik sind Giga Security der brasilianischen Gruppe Multilaser, DSI CCTV, TecVoz, JFL Alarmes und Bycon sowie der chinesische Weltmarktführer Hikvision. Letzterer schloss eine Produktionspartnerschaft mit Giga Security, der für DJI Drohnen in Brasilien vertreibt, sowie mit Multilaser.

    Hausautomatisierungstechnik kommt auf

    Auch Mess-, Regel- und Steuerungstechnik im Gebäudebereich erweist sich als krisenfest. Landesweit verfügen mittlerweile mehr als 2 Millionen Haushalte über wenigstens eine Smart-Home-Anwendung. Damit hat sich die Anzahl seit 2017 versiebenfacht. Oftmals handelt es sich jedoch um eine sehr limitierte Ausstattung über einfache Smart Speaker. Das Interesse an der Automatisierung insbesondere von Überwachung, Beleuchtung und Akustik ist hoch, doch nur wenige Haushalte können sich die Technologien leisten.

    Für 2023 erwartet der Verband für Hausautomatisierungstechnik Aureside ein Wachstum um 20 Prozent. Der Branchenumsatz dürfte 1,5 Milliarden US$ übertreffen. Der Verband begrüßt die neuen Anreize und steuerlichen Begünstigungen für die Entwicklung des Internets der Dinge im Rahmen des Gesetzes 14.108.

    Das höchste Nachfragewachstum bei Gebäudetechnik versprechen Lösungen zur Verbesserung der Energieeffizienz vorwiegend in Wohnkomplexen, Sicherheitstechnik (inklusive Brandschutz) und Anwendungen für ältere und behinderte Menschen. Eines der größten Hindernisse für eine Belebung des Marktes sieht Aureside in dem Mangel an Fachkräften.

    Stand: April 2023

    Von Gloria Rose | São Paulo

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    AHK Brasilien

    Anlaufstelle für deutsche Unternehmen

    VDMA Brasil

    VDMA Verbindungsbüro in São Paulo

    Ministério do Desenvolvimento Regional

    Ministerium für Regionale Entwicklung

    Ministério da Infraestrutura

    Infrastrukturministerium

    Programa de Parcerias de Investimentos (PPI)

    Konzessionierungs- und Privatisierungsprogramm der Regierung

    Câmara Brasileira da Industria da Construção

    Kammer der Bauwirtschaft

    Abramat

    Verband der Baustoffhersteller

    Secovi-SP

    Verband der Immobiliengesellschaften São Paulos

    Sinduscon SP

    Bauverband im Bundesstaat São Paulo

    Observatório da Construção da Federação das Indústrias do Estado de São Paulo - FIESP

    Marktbeobachtung Bauwirtschaft des Industrieverbandes des Bundesstaates São Paulo

    Associação Brasileira de Tecnologia para Construção e Mineração

    Verband der Bau- und Bergbautechnologie

    Revista O Empreiteiro

    Fachzeitschrift über Ingenieurswesen, Tiefbau und Industriebau

    Grandes Construções

    Branchenzeitschrift und Portal

    Portal AECweb

    Portal, Zeitschrift und Netzwerk von Unternehmen, Fachkräften und Bauprojekten

    Feicon Batimat

    Messe für Bauwirtschaft und Architektur, 2. bis 5. April 2024, São Paulo Expo

    M&T Expo

    Internationale Messe für Baumaschinen, 23. April bis 26. April 2024, São Paulo Expo

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