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Wirtschaftsausblick | Estland

Inflation bremst Wirtschaft weiter aus

Wie im Vorjahr wird auch für 2023 ein Rückgang der estnischen Wirtschaftsleistung erwartet. Die hohe Inflation senkt die Kaufkraft. Positive Impulse kommen von den Investitionen.

Von Niklas Becker | Helsinki

Wirtschaftliche Entwicklung: Hohe Inflation macht sich bemerkbar

Estland könnte 2023 das zweite Jahr in Folge einen realen Rückgang der Wirtschaftsleistung verzeichnen. Grund dafür ist vor allem die niedrigere Kaufkraft infolge hoher Inflation. Aber auch das gedämpfte Wirtschaftswachstum bei den wichtigsten Handelspartnern macht sich in Estland bemerkbar. Das baltische Land verzeichnete zwischen Januar und März 2023 das fünfte Quartal in Folge einen realen Rückgang der Wirtschaftsleistung (im Vergleich zum Vorquartal). In der zweiten Jahreshälfte 2023 dürfte die estnische Wirtschaft aber wieder wachsen. 

Die Verbraucherpreise stiegen im Jahr 2022 um 19,4 Prozent – der höchste Wert innerhalb der EU. Die überdurchschnittliche Preissteigerung könnte der Europäischen Kommission zufolge der Wettbewerbsfähigkeit des Landes geschadet haben. Ihren Höhepunkt erreichte Estlands Inflationsrate im August 2022 mit 25,2 Prozent. Seitdem fallen die Veränderungsraten zwar kleiner, aber immer noch hoch aus. Im Mai 2023 lag die Inflation bei 11,2 Prozent. Für Juni oder Juli 2023 wird erwartet, dass die Teuerung unter 10 Prozent fällt und sich zum Jahresende der 5-Prozent-Marke nähert. Für das Gesamtjahr 2023 prognostiziert die Europäische Kommission einen durchschnittlichen Zuwachs der Verbraucherpreise um 9,2 Prozent, für 2024 um 2,8 Prozent. 

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Die Stimmung in der estnischen Industrie hat sich seit dem Sommer 2022 verschlechtert. Im Mai 2023 lag der von der Europäischen Kommission veröffentlichte Vertrauensindikator bei einem Minus von 17,6 Punkten. Firmen berichten von einem Rückgang der Aufträge – auch aus dem Ausland. Estnische Industrieunternehmen nennen die schwache Nachfrage als größtes Geschäftshindernis. Für den Sommer 2023 erwarten Unternehmen einen weiteren Rückgang ihrer Produktion. 

Wirtschaftliche Eckdaten Estland

Indikator

2021

2022

Vergleichsdaten Deutschland 2022

BIP (nominal, Mrd. Euro)

31,4

36,2

3.869,9

BIP pro Kopf (Euro)

23.640

27.170

46.182

Bevölkerung (Mio.)

1,3

1,3

83,4

Quelle: Eurostat 2023; Statistisches Bundesamt 2023

Investitionen: Der Krise zum Trotz 

Trotz der gesamtwirtschaftlich schwierigen Lage gibt es bei den Investitionen positive Aussichten. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission dürften die estnischen Ausrüstungsinvestitionen 2023 und 2024 zulegen. Bereits 2022 waren diese laut Kommission im Jahresvergleich um 4,2 Prozent gestiegen. Für 2023 rechnet die Institution mit einem Zuwachs um 2 Prozent und für 2024 sogar um 5,3 Prozent. Eines der größten Investitionshindernisse für Unternehmen ist die Verfügbarkeit von qualifiziertem Personal. Ebenso gibt es für die estnische Baubranche positive Aussichten. Die estnischen Bauinvestitionen sollen 2023 um 2,1 Prozent und 2024 um 3,5 Prozent zulegen. 

Auch die Investitionen in erneuerbare Energien dürften an Fahrt aufnehmen. Estland profitiert dabei von europäischen Fördermitteln, die den Übergang zu einer grüneren und innovativeren Wirtschaft erleichtern. Das baltische Land ist eine der kohlenstoff- und energieintensivsten Volkswirtschaften in der EU. Laut Europäischer Kommission war die Intensität der Treibhausgasemissionen der estnischen Wirtschaft 2020 doppelt so hoch wie der EU-Durchschnitt. Die Tendenz sei allerdings rückläufig. Von EU-Fördermitteln profitiert außerdem das estnische Schienen- und Straßennetz.

Der deutliche Rückgang der estnischen Bruttoanlageinvestitionen 2022 um 10,9 Prozent ist auf den Basiseffekt zurückzuführen. Die Volkswagen-Tochter Car.Software hat Ende 2020 und Anfang 2021 umfangreich in Estland investiert. Deshalb fielen die Bruttoanlageinvestitionen 2020 und 2021 deutlich höher aus.

Ausgewählte Großprojekte in Estland (Investitionssumme in Euro)

Projektbezeichnung

Summe

Projektstand

Projektträger

Bahnlinie "Rail Baltica" Estland-Lettland-Litauen

7 Mrd.

Im Bau; weitere Ausschreibungen laufen

Gemeinschaftsunternehmen RB Rail AS 

Gemeinsamer Offshore-Windpark mit Lettland "Elwind"

1 Mrd.

Planung

Estnisches Ministerium für Wirtschaft und Kommunikation

Ausbau bestehender Bahntrassen

900 Mio.

Planung, EIB-Kofinanzierung

Estonian Railways

Ausbau des Breitbandnetzes

208 Mio.

Planung, EIB-Kofinanzierung

Elektrilevi

Tallinn, ehemaliges Gefängnis Patarei, Projekt Museum 2026 (Museum für die Opfer des Kommunismus)

100 Mio.

Planung, Baugenehmigung erteilt

Zentrum Patarei

Verkehrsknotenpunkt Kangru

23,5 Mio.

Ausschreibung

Estonian Transport Administration

Wasserstoff-Valley BalticSeaH2

33 Mio. 

Ankündigung

CLIC Innovation

Energiespeicher-Pilotprojekt

k.A.

Planung

Eesti Energia strebt Beschaffung einer Speicheranlage für Landkreis Ida-Viru an

Ausbau des Stromnetzes, u.a. dritte Verbindung nach Finnland

k.A.

Planung

Elering

Quelle: Pressemeldungen 2023; Recherchen von Germany Trade & Invest

Alle Institutionen der öffentlichen Hand publizieren ihre Ausschreibungen im staatlichen Ausschreibungsregister

Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet Germany Trade & Invest auf ihrer Internetseite an.

Konsum: Verbraucher warten auf 2024

Von Estlands Privathaushalten wird 2023 kein Wachstumsimpuls ausgehen. Ihre Ausgaben werden 2023 etwa auf dem Niveau des Vorjahres stagnieren. Die hohe Inflation im Land hat die Kaufkraft der Haushalte geschwächt, weshalb diese bedachter konsumieren. Bei niedrigeren Inflationsraten ist jedoch wieder mit einer Belebung des Privatkonsums zu rechnen. Das dürfte allerdings erst 2024 eintreten. 

Zwar hat sich der estnische Arbeitskräftemangel aufgrund der wirtschaftlichen Abkühlung etwas entspannt. Für 2023 ist jedoch weiterhin mit einem deutlichen Lohnwachstum im Land zu rechnen. Die Europäische Kommission stuft das Risiko eines übermäßigen Lohnanstiegs über einen längeren Zeitraum hinweg aufgrund der flexiblen Lohngestaltung in Estland als begrenzt ein. Ab dem Jahr 2024 sollen die estnischen Lohn- und Gehaltssteigerungen zudem an Dynamik verlieren.

Außenhandel: Preissteigerungen gefährden Exporte

Die Abkühlung der europäischen Wirtschaft macht sich auch im estnischen Außenhandel bemerkbar. Die schwächere Auslandsnachfrage hat den Export von Waren aus Estland verringert. Im 1. Quartal 2023 verzeichnete das baltische Land im Jahresvergleich einen realen Rückgang der Warenausfuhren um 11,8 Prozent. Es ist bereits das vierte Quartal in Folge mit einem Rückgang. Nach Einschätzung der Swedbank hat sich die Wettbewerbsfähigkeit der estnischen Exporteure aufgrund der gestiegenen Preise im Land verschlechtert. Sie könnten sich bei einer Verbesserung der Nachfrage daher langsamer erholen.

Estlands Volkswirtschaft ist stark auf die Ostseeregion ausgerichtet. Deren Anrainerstaaten haben 2022 fast 60 Prozent aller estnischen Exporte abgenommen und 68 Prozent aller Einfuhren geliefert. Estland hat als sehr kleine und bei vielen Produkten importabhängige Volkswirtschaft ein strukturelles Handelsbilanzdefizit beim Warenhandel. Dem Land kommen jedoch seine Dienstleistungsexporte zugute.

Warenaußenhandel Estland (in Millionen Euro; nominale Veränderung in Prozent)

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Importe

17.662

22.759

28,9

Exporte

16.367

20.092

22,8

Quelle: Eurostat 2022

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