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Special | Indonesien | Dekarbonisierung der Industrie

Klimaschutz-Atlas

Ausbau der Schwerindustrie hemmt die Dekarbonisierung Indonesiens

Indonesien hat zahlreiche Gesetze für mehr Energieeffizienz in der Industrie verabschiedet. Doch auch ihre Umsetzung dürfte die stark steigende Nachfrage nach Energie kaum bremsen. (Stand 05.04.2023)

Von Frank Malerius | Jakarta

Die Voraussetzungen für einen sinkenden Energiebedarf in der indonesischen Industrie sind ungünstig. Denn die Wirtschaftsleistung steigt jährlich real um mehr als 5 Prozent. Es herrscht eine stark anziehende Nachfrage nach Strom, Öl und Gas. Der Wohlstand steigt und die Bevölkerung wächst jährlich um fast 3 Millionen Menschen. Fast alle Industriebranchen befinden sich daher auf Wachstumskurs.

Gesetze für mehr Energieeffizienz

Wenn der Energiebedarf weiter steigt, bleibt nur die Möglichkeit, Energie effizienter einzusetzen. Dafür wurden schon vor vielen Jahren mehrere breit angelegte Gesetze erlassen (zum Beispiel Law No. 30/2007 on Energy, Government Regulation No. 70/2009 on Energy Conservation). Mit der sogenannten Green Industry Policy schuf die Regierung eine gesetzliche Grundlage für Verbesserungen der Energieeffizienz in der Industrie. Später folgten weitere darauf aufbauende Vorgaben.

Seitdem gelten für Unternehmen mit hohem Energieverbrauch gesetzliche Auflagen. Sie umfassen öffentliche Berichterstattung zum Energieverbrauch, verpflichtende Effizienzaudits und die Einführung von Energie-Management-Programmen. Auch der internationale ISO 50001-Standard wurde in das Standardisierungsprogramm implementiert.

Das Ministerium für Energie und Rohstoffe zeigt in einer Grafik, dass von 2015 bis 2020 Energieeinsparungen von 63,8 Millionen BOE (Barrel of Oil Equivalent) erzielt wurden, das entspräche 6,4 Prozent des Energiebedarfs des Jahres 2020. Wie akkurat dieses Ergebnis gemessen wurde, lässt sich nicht nachprüfen.

Indonesien ist abhängig von ausländischer Technologie

Um in den in vielen Branchen veralteten Industrieanlagen (energetisch) effizienter wirtschaften zu können, ist ausländische Technologie notwendig. Denn Indonesien stellt diese selbst kaum her. Vielfach müssten neue Anlagen gebaut werden, anderswo könnten durch Umrüstung Effizienzgewinne erzielt werden.

Doch hier hat ein Schwellenland wie Indonesien, in dem Entwicklungsziele auf Armutsbekämpfung und den Aufbau einer Mittelschicht ausgerichtet sind, kleinere Spielräume als wohlhabende Industrieländer. Die Regierung versucht durch Subventionen möglichst vielen Menschen die Teilnahme am Wirtschaftsleben zu ermöglichen. Eine substanzielle Kürzung der Mittel in diesen Bereichen ist in der indonesischen Demokratie nicht mehrheitsfähig.

Wenn sich Investitionen in die Umrüstung oder der Neubau von Industrieanlagen auf absehbare Zeit rentieren, dürften entsprechende Maßnahmen umgesetzt werden. Sofern diese die Preise von grundlegenden Gütern (wie Nahrungsmitteln, Dünger oder Baustoffen) für Verbraucher in die Höhe treiben, stehen die Chancen auf Veränderung schlecht. Klar ist, dass Effizienzgewinne nicht annähernd den stark steigenden Mehrbedarf an Energie ausgleichen können.

Auch die staatliche Subventionierung klimafreundlicherer Güter ist keine dauerhafte Lösung, weil dafür Mittel aus anderen Sozialleistungen abgezweigt werden müssten. Die bevorstehende Einführung eines Emissionshandels für die Industrie ist eine von zahlreichen neuen Klimaschutzinitiativen. Allerdings dürfte der Preis pro Tonne Kohlendioxid niedrig angesetzt werden, um die Wirtschaft nicht zu belasten und hätte dann nur geringen Einfluss auf den CO2-Ausstoß.

Wachsende Montanindustrie benötigt mehr Energie

Viele energieintensive Sektoren der Schwerindustrie expandieren, allen voran der Nickelsektor. In den vergangenen Jahren wurden zahlreiche Nickelschmelzen gebaut, viele weitere sind in Planung. Ein Abnehmer ist die Stahlindustrie, die durch die Weiterverarbeitung von Nickel zu Edelstahl enorm gewachsen ist. Indonesien ist - vor allem dank riesiger chinesischer Stahlwerke auf Sulawesi - binnen weniger Jahre zu einem der größten Stahlexporteure der Welt avanciert. Nickel ist auch wichtiger Bestandteil der Batterien von E-Autos, deren Produktion den Abbau des Rohstoffs zusätzlich anregt. Indonesien ist als weltweit größter Förderer bestrebt, möglichst viele der energieintensiven Weiterverarbeitungsschritte im Land zu halten.

Die Zementindustrie wächst ebenfalls und es entstehen neue Werke – trotz bestehender Überkapazitäten. Für die wachsende Bevölkerung müssen jährlich etwa 1 Million neue Häuser und Apartments gebaut werden und auch der Infrastrukturausbau boomt. Der Bedarf an Düngemitteln steigt ebenfalls stark. Die Hersteller sind abhängig von staatlich subventioniertem Gas. Neue Werke werden auch in der Papierindustrie errichtet. Zudem befinden sich mehrere Raffinerieprojekte (Neubauten und Erweiterungen) in der Pipeline. Etliche Kohlevergasungsanlagen sind im Bau. Und in einem riesigen neuen Industriepark in Nordkalimantan soll unter anderem eine Aluminiumhütte in Betrieb gehen.

Auch jenseits dieser Branchen will die Regierung die industrielle Basis stärken. Produkte, die heute importiert werden müssen, sollen schon bald in heimischen Fabriken hergestellt werden. Die angestrebte Weiterverarbeitung von mineralischen Rohstoffen im Land durch die sogenannte Downstreaming-Roadmap dürfte den Energiebedarf mittel- und langfristig ebenfalls weiter antreiben. Darüber hinaus soll die bisher schwache, exportorientierte Leichtindustrie expandieren. Indonesien will dabei auch produzierenden Unternehmen, die neben China neue Produktionsstandorte ansteuern, eine neue Heimat bieten.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen erscheint der von internationalen Klimaschutzinitiativen angestrebte industrielle Emissionszenit im Jahr 2030 unrealistisch. Alleine in den vergangenen zehn Jahren ist – trotz Coronakrise – der Strombedarf der indonesischen Industrie um 50 Prozent gestiegen. Auch bei anderen Energieformen, die etwa im Bergbau und der Weiterverarbeitung von Rohstoffen benötigt werden, steigt die Nachfrage kontinuierlich an.

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