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Markttrends

Coronapandemie und Ukraine-Krieg haben Polens Fahrzeugindustrie zugesetzt. Mittlerweile läuft das Geschäft wieder besser. Davon profitieren aber nicht alle Werke.

Von Christopher Fuß | Warschau

Auf dem Weg der Besserung

Die trübe Stimmung in Polens Fahrzeugindustrie klart im 1. Quartal 2023 etwas auf. Die Branche bewertet die wirtschaftliche Situation negativ, jedoch nicht mehr ganz so schlecht wie Ende 2022. Parallel steigt laut Statistikbehörde GUS die Zahl der Firmen, die ihre künftigen Geschäftschancen positiv einschätzen.

Dieses gemischte Stimmungsbild spiegelt sich in den Produktionszahlen wider. Hersteller von PKW und von Bussen mussten 2022 erneut Produktionsrückgänge verkraften. Zum Jahresauftakt gab es einen kleinen Lichtblick. Im Januar 2023 rollten mehr Fahrzeuge vom Band als im Vorjahresmonat. Die Lage auf Exportmärkten verbessert sich.

Für die Mitarbeiter des deutschen Herstellers MAN kommt diese potenzielle Kehrtwende wohl zu spät. Im Bus-Werk Starachowice will das Unternehmen 860 Stellen streichen. Seit 2019 sei die Zahl der verkauften Busse deutlich zurückgegangen. Immerhin: rund 500 Mitarbeiter sollen beim Kabelbaum-Hersteller PKC Group unterkommen. Der indisch-stämmige Partner von MAN fertigt in Starachowice.

Auch der Opel-Mutterkonzern Stellantis baut Stellen ab. Wegen rückläufiger Produktionszahlen entlässt das Unternehmen im Verbrenner-Motorenwerk Bielsko-Biała über 300 Personen. Damit nicht genug. Wie die Tageszeitung Rzeczpospolita schreibt, könnte die Niederlassung bis 2025 ganz schließen.

An anderer Stelle bauen die Firmen neue Kapazitäten auf. In Gliwice plant Stellantis ein Software-Zentrum. Volvo kündigt den Bau einer IT-Entwicklung in Krakau an. Wie die Firmen berichten, sei Software entscheidend für den Betrieb von Elektroautos. Das größte Investitionsvorhaben der vergangenen Monate kommt vom deutschen Hersteller Mercedes-Benz. Das Unternehmen will in Jawor ein neues Werk für Elektro-Kastenwagen bauen. Die Kosten beziffert der Konzern auf 1,3 Milliarden Euro.

Zulieferer mit Umsatzplus

Während sich die Fahrzeughersteller im Umbruch befinden, schauen Zulieferer optimistisch in die Zukunft. Laut Umfragen des Branchenverbandes SDCM rechnen 62 Prozent der Teile-Produzenten im Jahr 2023 mit steigenden Umsätzen. Für 2022 melden rund 40 Prozent der Verbandsmitglieder zweistellige Umsatz-Wachstumsraten.

Einige Zulieferer müssen aber Federn lassen. Der italienische Felgenhersteller Cromodora Wheels wollte bei Kielce ein neues Werk bauen. Das Grundstück ist schon gekauft. Im Zuge von Russlands Überfall auf die Ukraine und der unsicheren Lage am Energiemarkt hat das Unternehmen die Pläne gestoppt.

Insgesamt hilft der Zulieferer-Branche, dass die Fahrzeughersteller größere Vorräte anlegen und folglich mehr bestellen. Die Versorgungslage mit Teilen hat sich verbessert. Produktionsausfälle kommen aber immer noch vor. Stellantis musste laut Branchenportal AutomotiveSuppliers.pl Anfang 2023 die Fahrzeugproduktion in Polen drosseln. Grund waren fehlende Chips.

Eine große Verlagerung der Kabelbaum-Produktion aus der Ukraine nach Polen scheint vorerst auszubleiben. Laut Branchenmagazinen erhalten die Volkswagen-Fabriken in Polen ihre Kabelbäume mittlerweile auch aus Tschechien. Es gibt Indizien, dass Hersteller nach zusätzlichen Lieferanten suchen. So berichtet die PKC Group, die unter anderem Kabelbäume fertigt, von einem „wachsenden Geschäftsbedarf“. Außerdem ist der polnische Landmaschinenhersteller Pronar Ende 2022 in die Produktion von Kabelbäumen eingestiegen.

Beim Elektroantrieb ist noch Luft nach oben

E-Mobility bleibt ein Nischenmarkt – mit beeindruckenden Wachstumszahlen. Rein elektrisch betriebene PKW und Plug-in Hybridfahrzeuge bauten ihren Anteil an allen Neuzulassungen 2022 um 1,4 Prozentpunkte aus auf insgesamt 5,6 Prozent. Die Zahl der öffentlich zugänglichen Ladesäulen wächst langsamer als der Elektro-Fahrzeugmarkt. Laut Branchenverbänden gibt es vor allem abseits der Ballungsräume und entlang der Autobahnen Nachholbedarf. Das Branchenportal WysokieNapiecie.pl rechnet vor, dass Polens E-Mobility-Sektor rund sieben Jahre hinter dem deutschen Markt ist.

Prämien des staatlichen Umweltfonds NFOŚiGW helfen bei der Aufholjagd. Privatkunden und Firmen können die Zuschüsse für Elektroautos in Anspruch nehmen. Auch Leasingverträge sind förderfähig. Gleichzeitig unterstützt der Umweltfonds den Bau von Ladesäulen. Im Februar 2023 endete die zweite Ausschreibungsrunde eines Förderprogramms.

Neue Wachstumsimpulse für den E-Mobility-Markt könnten von den Städten ausgehen. Gemeindeverwaltungen sind verpflichtet, bis zum Jahr 2025 weitere Teile ihr Dienstfahrzeugflotte auf Elektromodelle umzustellen. Ähnliche Vorgaben gibt es auch für Busse.

Großstädte wollen Umweltzonen einführen. Alte Diesel- und Benzinfahrzeuge dürfen ab Juli 2024 nicht mehr in Krakau fahren. Für bestimmte Fahrzeuge gibt es Ausnahmen. Warschau denkt ebenfalls über Umweltzonen nach. Bis zum Sommer 2023 läuft eine öffentliche Beratung. Die Altersgrenzen für zugelassene Fahrzeuge sollen Schritt für Schritt steigen. Ab 2032 wären laut Zeitungsberichten rund 27 Prozent des heutigen Fuhrparks von einem Fahrverbot betroffen. Wenig überraschend ist die Debatte um die Umweltzonen sehr aufgeladen.

Fahrzeugbauer wollen mehr grüne Energie

Hitzig verlaufen auch die Diskussionen rund um den Bau von Windkraftanlagen. Die Abstandsregelungen seien zu streng - sagen Automobilunternehmen, die mit grünem Strom produzieren wollen. Erneuerbare Energien haben bislang nur einen geringen Anteil am polnischen Strommix. Windkraft soll das ändern. Nachdem Polens Regierungskoalition eine Reform der Abstandsflächen wieder abgeschwächt hatte, meldete sich der deutsche Automobilbauer Mercedes-Benz zu Wort.

Das Unternehmen warnt gemeinsam mit anderen Firmen und Branchenverbänden in einem offenen Brief: „Ohne grüne Energie läuft die polnische Wirtschaft Gefahr, ihre Wettbewerbsfähigkeit und Marktattraktivität zu verlieren“. Die Leiterin der Unternehmenskommunikation von Mercedes-Benz Manufacturing Poland, Dr. Ewa Łabno-Falęcka, fügte auf einer Konferenz hinzu: "Ein ausländischer Investor fragt heute zuerst, ob grüne Energie verfügbar sein wird".

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