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Eine kürzere Negativliste deutet auf mehr Marktöffnung in der Volksrepublik hin. Für viele Akteure kommen die Schritte aber zu spät. Grundsätzlich gilt das Primat der Politik.
16.04.2020
Von Stefanie Schmitt | Beijing
Für deutsche Unternehmen zählt das Reich der Mitte zu den Hauptinvestitionszielen. Viele Firmen haben bislang hervorragende Geschäfte gemacht und erwarten auch für die Zukunft gute Aufträge. Zugleich ließ sie das verlockende Marktpotenzial so manche Unannehmlichkeit hinnehmen, die sie in einem weniger attraktiven Land kaum akzeptiert hätten.
Indikator | 2013 | 2014 | 2015 | 2016 | 2017 |
---|---|---|---|---|---|
Kumulierter Bestand | 916,8 | 984,2 | 1.055,2 | 1.152,7 | 1.196,4 |
.USA | 232,3 | 276,0 | 302,6 | 326,2 | 335,2 |
.Großbritannien | 105,9 | 117,5 | 122,9 | 147,2 | 145,0 |
.China | 48,1 | 63,1 | 71,5 | 76,3 | 81,0 |
.Frankreich | 36,4 | 34,4 | 39,4 | 39,8 | 42,0 |
.Österreich | 27,5 | 26,9 | 28,1 | 35,7 | 40,7 |
.Italien | 31,9 | 31,6 | 31,9 | 34,0 | 35,0 |
.Polen | 24,4 | 25,8 | 29,2 | 30,9 | 33,0 |
.Spanien | 25,5 | 26,5 | 26,1 | 27,1 | 31,3 |
.Russland | 24,3 | 15,9 | 15,8 | 19,9 | 20,8 |
Nicht grundlos pocht die European Chamber aufgrund ihrer jährlichen Umfragen regelmäßig auf bessere Marktzugangsbedingungen und Reziprozität. Bei der Business Confidence Survey der Deutschen Handelskammer in China 2019/20 äußerten sich zwar 45 Prozent der teilnehmenden Firmen positiv zu chinesischen Bemühungen einer weiteren Marktöffnung. Umgekehrt berichteten aber 66 Prozent von diskriminierenden Restriktionen.
Als generell begrüßenswert wird beispielsweise gesehen, dass die sogenannte Negativliste ("Special Administrative Measures for Foreign Investment Access") in den vergangenen Jahren immer weiter gekürzt wurde. Sie ist ein wichtiges Instrument, mit dem China den Zugang für ausländische Investoren in einzelnen Sektoren steuert, und zählt die Bereiche auf, in denen Auslandsinvestitionen gänzlich verboten oder nur unter bestimmten Bedingungen (zum Beispiel ausschließlich im Rahmen eines Joint Ventures) erlaubt sind.
So enthält die zum 30. Juni 2019 aktualisierte Negativliste nur noch 40 Beschränkungen (48 in der Vorgängerversion). Darüber hinaus kündigte das chinesische Handelsministerium an, das Verzeichnis zur Ankurbelung der Wirtschaft mit Blick auf die Auswirkungen der Covid-19-Krise weiter ausdünnen zu wollen. Schon die 2018er-Liste enthielt wesentliche Verbesserungen. "Der Marktzugang zu 22 Industriesektoren wurde geöffnet, zum Beispiel durch sofortige oder schrittweise Aufhebung der Beteiligungsgrenzen für ausländische Investoren und vereinzelt durch Verschiebung der Industriesektoren aus der Liste der für ausländische Investments verbotenen Sektoren in den beschränkt zulässigen Bereich," so die Juristin Ulrike Glück, Partnerin von CMS in Shanghai.
Die Negativliste 2018 setzte vor allem Änderungen im Automobilbereich um: Ausländische Investoren können nunmehr 100 Prozent der Geschäftsanteile von Spezialfahrzeugen und Fahrzeugen mit neuartigem Energieantrieb (New Energy Vehicles; NEV) halten. Auf dieser Basis konnte der US-Hersteller Tesla eine riesige Fabrik für Elektrofahrzeuge in Shanghai errichten.
Die Beteiligungsgrenzen für Nutzfahrzeuge sinken 2020. Die Begrenzung bei der Pkw-Herstellung sowie die Limitierung ausländischer Investoren auf maximal zwei Gemeinschaftsunternehmen sollen 2022 aufgehoben werden. Als erster ausländischer Automobilkonzern ist BMW dabei, die Mehrheit an seinem Joint Venture zu übernehmen.
Generell dürften die Auswirkungen jedoch überschaubar bleiben, denn für die meisten Vorhaben kommen sie zu spät. Der Kuchen im konventionellen Kfz-Markt ist verteilt, die Fabriken stehen, und ausländische Autobauer sind mit langjährigen Verträgen an ihre Partner gebunden. Darüber hinaus war der ursprüngliche Joint-Venture-Zwang nur ein Teilproblem, denn was nützt eine 100-prozentige Tochter, wenn sie keine Produktionslizenz erhält? Tatsächlich erfolgt die Vergabe dieser Genehmigung neuerdings sehr restriktiv und erfolgt fast ausschließlich an Hersteller von Elektrofahrzeugen.
Eine wachsende Rolle könnten in Zukunft Investitionsprüfungen spielen. Zuständige argumentieren, dass dieses Instrument auch anderswo schon gängig sei. In Deutschland werden solche Prüfungen jedoch nur nach dem Kriterium der nationalen Sicherheit durchgeführt. Rechte und Pflichten sind den höchsten rechtsstaatlichen Anforderungen entsprechend klar festgelegt. Betroffenen Unternehmen steht überdies der Rechtsweg offen. Im Gegensatz dazu bezieht die chinesische Investitionsprüfung neben der nationalen Sicherheit auch das nationale Interesse mit ein. Dies lässt sich sehr breit auslegen.
Ein Aspekt, der mit wachsender ökonomischer Stärke und einem erstarkenden Selbstbewusstsein Chinas eine immer größere Bedeutung für den Aktionsradius ausländischer Unternehmen einnimmt, ist politisches Wohlverhalten. Dies wird von Firmen, die mit dem Reich der Mitte Geschäftsbeziehungen pflegen, nicht nur in der Volksrepublik selbst, sondern zunehmend global eingefordert und kann für den firmenindividuellen Markzugang eine entscheidende Rolle spielen.
Das Mercator Institute for China Studies (MERICS) hat eine lange Liste solcher Vergehen vonseiten ausländischer Firmen und erfolgte chinesische Gegenreaktionen gesammelt. Zuletzt sorgten die Folgen des Tweets „Fight For Freedom, Stand With Hong Kong“ eines Managers der US-Basketballliga NBA für Schlagzeilen. Besonders kontrovers sind Äußerungen zu Tibet und dem Dalai-Lama sowie zu Taiwan, wenn sie die Insel als selbständiges Land darstellen.
Auch Menschenrechtsfragen sind kritisch. China vertritt hierzu seine eigene Auffassung, die insbesondere die Universalität der UN-Menschenrechtscharta in Frage stellt. Für deutsche Unternehmen ist dies insofern relevant, da von ihnen seit der Verabschiedung des Nationalen Aktionsplans "Wirtschaft und Menschenrechte" (NAP) 2016 durch die Bundesregierung erwartet wird, sich in diesem Sinne regelkonform zu verhalten.
In den Vordergrund rückte das Thema durch eine Veröffentlichung des Thinktanks Australian Strategic Policy Institute (ASPI) zu Jahresbeginn 2020. Nach dessen Recherchen leisten Zehntausende Uiguren landesweit Zwangsarbeit in chinesischen Unternehmen, die wiederum auch Zulieferer für deutsche Firmen sind. Nach chinesischer Lesart handelt es sich um gesetzeskonforme Arbeitsverhältnisse. Für deutsche Unternehmen wird es eine große Herausforderung darstellen, ihre Lieferketten in dieser Hinsicht sicher zu gestalten.