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Vietnam will sein Gesundheitswesen digitalisieren. Das Fehlen von Standards und Planungs-Know-how aber erschwert den Aufbau übergreifender Systeme.
05.01.2022
Von Frauke Schmitz-Bauerdick | Hanoi
Vietnam plant die umfassende Digitalisierung des Gesundheitswesens. Die Digitalisierungsstrategie 4888 vom Oktober 2019 gibt den Fahrplan vor. Bereits vor der Pandemie standen digitale Gesundheitslösungen auf der To-do-Liste der Regierung. Die Gesundheitskrise aber hat laufende Entwicklungen beschleunigt und die Akzeptanz digitaler medizinischer Anwendungen bei der breiten Bevölkerung gesteigert. Vietnamesische und ausländische Start-ups sowie Branchenunternehmen engagieren sich im Bereich digitale Gesundheit.
Erste Programme zur Einführung digitaler Krankenakten und E-Health-Books, einem elektronischen Gesundheitsbuch in dem ab der Geburt bis zum Tod über eine Personal-ID sämtliche Gesundheitsdaten abgelegt werden, wurden 2019 gestartet. 2025 sollen 95 Prozent aller Patienten elektronisch erfasst sein. Telemedizin und eine elektronisch stärkere Anbindung von regionalen Satellitenkrankenhäusern sollen die Gesundheitsversorgung auf dem Land verbessern. Die Fernüberwachung von Patienten (Remote Patient Monitoring (RPM)) könnte in Zukunft die dezentrale Versorgung ausweiten und qualitativ verbessern.
Zudem sollen elektronische Krankenhausmanagementsysteme dazu beitragen, stationäre und ambulante Patientenbehandlungen effizienter zu gestalten. Erste Krankenhäuser wenden künstliche Intelligenz (KI) gerade im Bereich von Krebserkrankungen an und auch Robotik hat Einzug in die ersten Operationssäle gefunden. Genetica, ein US-amerikanisch basiertes Genforschungsunternehmen, baut in Vietnam ein KI-basiertes Genomsequenzierungs- und Forschungszentrum auf.
Die Digitalisierungspläne der Regierung wurden durch die Pandemie noch einmal angeschoben. Elektronische Patienten- und Prozessverwaltung, Ferndiagnostik und -verschreibungen oder bargeldloses Zahlen finden vor allem in städtischen Zentren vermehrt Anwendung. Auch Gesundheits-Apps haben gerade in den Zeiten akuter Erkrankungswellen rasanten Zulauf erfahren. Start-ups wie Doctor Anywhere, JioHealth oder MyDoc kooperieren mit Versicherungen und Krankenhäusern und bieten teils umfassende telemedizinische Dienstleistungen an. Privatkliniken wie die zunächst in Ho Chi Minh City stark expandierende pädiatrische Nhi Dong 315-Kette kombiniert telemedizinische Leistungen mit Vor-Ort-Behandlung.
Das Ministerium für Information und Kommunikation und das Gesundheitsministerium haben in Kooperation mit dem größten Telekommunikationsanbieter des Landes, Viettel, eine Telemedizinplattform auf den Markt gebracht. Diese bindet landesübergreifend lokale Krankenhäuser in entlegenen Regionen ohne großen technischen Aufwand an die städtischen Spezialkliniken und deren Expertise an. Die deutsche Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) unterstützt das Viet Duc University Hospital und angebundene Provinzkrankenhäuser im Rahmen eines 6 Millionen-Euro Programms bei der Installation eines Telemedizin- sowie Krankenhaus-Managementinformationssystems.
Auch wenn die Digitalisierung der Krankenhäuser auf der Agenda der Regierung ganz oben steht, dürfte die Umsetzung dieser Pläne sowohl im Hinblick auf das Know-how der beteiligten Krankenhausverwaltungen als auch in Bezug auf die Finanzierung schwierig werden. Bereits die Planung eines auf mehrjährigen Betrieb hin angelegten IT-Systems ist komplex. Entsprechende Planungskapazitäten aber sind in den Krankenhäusern und Aufsichtsbehörden bislang noch nicht umfassend vorhanden. Das Fehlen technischer Standards und Vorgaben erschwert den Aufbau einheitlicher Krankenhausverwaltungssysteme. Auch datenschutzrechtliche Fragen sind bislang weitestgehend ungeklärt.
Zudem ist die Pflege und der Betrieb von umfassenden IT-Systemen und Datenbanken kostenintensiv. Diese Folgekosten aber werden noch zu selten in die Planungen einberechnet.