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Special | Argentinien | Smart Farming

Agrarwirtschaft: Argentiniens grüner Motor

Der Agrarsektor ist das Rückgrat der argentinischen Wirtschaft. Die Entwicklung und Adaptation neuer Technologien hat in den vergangenen Jahrzehnten zu einer neuen Blüte geführt. 

Von Carl Moses | Buenos Aires

Schon in seiner wirtschaftlichen Glanzzeit zu Beginn des vergangenen Jahrhunderts, als Argentinien gemessen am Pro-Kopf-Einkommen noch zu den reichsten Ländern der Erde zählte, erzielte das Pampaland seinen Wohlstand vornehmlich aus der Landwirtschaft. Argentinien ist der achtgrößte Flächenstaat der Erde, 53 Prozent der Fläche gelten als kultivierbar.

Auch heute ist die Agroindustrie der wichtigste Motor der argentinischen Wirtschaft. Zwar trägt der Agrarsektor direkt lediglich 7,1 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt bei. Doch unter Einschluss der vor- und nachgeschalteten Wertschöpfungsketten sowie Zulieferern wie Agrarchemie, Maschinenbau, Transportwirtschaft, Handel und andere Dienstleister hängt rund ein Drittel aller Arbeitsplätze in Argentinien direkt oder indirekt von der Landwirtschaft ab, schätzen Fachleute. Nahrungsmittel und andere Agrarprodukte erbrachten mit 36,3 Milliarden US-Dollar (US$) 2020 allein zwei Drittel der gesamten argentinischen Exporterlöse. Gemäß offiziellen Schätzungen erwartet Argentinien in der laufenden Anbauperiode 2020/21 eine Ernte von 136 Millionen Getreide und Ölsaaten. Das wäre die zweitbeste Ernte nach dem Rekord von 2019 (145,5 Millionen Tonnen). In den letzten 30 Jahren hat sich die Produktion verdreifacht. Gemäß dem Agrarzensus von 2018 gibt es rund 251.000 Produzenten (darunter 212.000 Einzelpersonen), die über insgesamt 157 Millionen Hektar Land verfügen. Davon entfallen rund 33 Millionen Hektar auf Ackerfläche, mehr als 4 Millionen werden zweimal im Jahr bestellt. Es gibt 28.526 Agrarunternehmen, die rund 59,5 Millionen Hektar bewirtschaften.

Smart Farming potenziert die Produktivität

Argentinien kann rund 400 Millionen Menschen ernähren - und das Potenzial für weiteres Wachstum ist längst nicht ausgeschöpft. Nicht nur durch die Erschließung von neuen Flächen, sondern vor allem durch weitere Steigerungen der Produktivität. Smart Farming wird dabei wie schon in den vergangenen Jahren eine wichtige Rolle spielen.

Schon seit Jahrzehnten ist Argentinien bei der Entwicklung und Anwendung neuer Agrartechnologien führend. Rund 15 Prozent des globalen Anbaus von genveränderten Kulturen entfallen allein auf Argentinien. 90 Prozent des Ackerlands werden ohne Bodenbearbeitung bewirtschaftet (Direktsaat). Auch in der Biotechnologie ist Argentinien stark. Die Entwicklung von dürreresistentem Saatgut könnte die Bewirtschaftung von Böden erlauben, die bisher aufgrund von Wasserknappheit außen vor bleiben.

Großes Potential sehen Fachleute für den Ausbau der Bewässerung von Anbauflächen. Die großen Pläne der Vorgängerregierung, unter Führung privater Investoren eine Verdreifachung der bewässerten Fläche von 2,1 Millionen auf 6,2 Millionen Hektar zu erreichen, dürften in dem gegenwärtigen Umfeld stärkerer Regulierung eher schleppend vorankommen. 

Argentinien ist hinter den USA und Brasilien der drittgrößte Produzent von Sojabohnen und heute bereits Weltmarktführer im Export von Sojaöl und -mehl. Nicht nur Fleisch und Getreide sind Exportschlager. Auch bei Zitronen, Birnen, Honig, Oliven und Erdnüssen ist Argentinien Spitze. Argentiniens Landwirte sind gleichsam Energieerzeuger. Bei Produktion und Export von Biodiesel aus Sojabohnen zählt Argentinien zu den Top-Ländern, auch die Erzeugung von Biogas nimmt zu.

Chinas Hunger nährt Argentinien

Der Appetit Chinas und anderer Wachstumsländer auf argentinische Agrarprodukte, der die Nachfrage in den letzten 20 Jahren explodieren ließ, hielt selbst der Coronakrise stand und dürfte vorerst für anhaltendes Nachfragewachstum sorgen. Die Weltmarktpreise für Soja und andere Agrarprodukte Argentiniens stiegen in den vergangenen Monaten drastisch an und erreichten das höchste Niveau seit Anfang der 2010er Jahre.

Argentiniens Fleischindustrie erlebte in den vergangenen Jahren ein spektakuläres Comeback. Nachdem zeitweise selbst kleine Nachbarländer mehr Fleisch exportierten als Argentinien, zählt das Pampaland heute mit jährlichen Exporterlösen von 3,4 Milliarden US$ (2020) wieder zu den größten Fleischexporteuren der Welt. Ein überraschendes Exportverbot der Regierung, die den Export von Rindfleisch im Mai 2021 für vorerst 30 Tage aussetzte, hat jedoch zu großer Verunsicherung und Protesten bei Viehzüchtern und in der Fleischindustrie geführt. 

Schlechte Stimmung herrscht auch bei Argentiniens Milchbauern. Niedrige Preise und eine hohe Besteuerung hemmen die Investitionsneigung. Dennoch produziert Argentinien nach Angaben des Bauernverbandes CRA 30 Prozent mehr Milch als zur Versorgung des Inlandsmarktes benötigt wird. Die Exporte von Milchprodukten verzeichnen hohe Zuwächse.

Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur in Argentinien

2020

Einwohner (in Millionen)

45,4

Ackerfläche (in Millionen Hektar, laut Agrarzensus 2018)

33,2

Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in Prozent) 

7,1

IMD Digital Competitiveness Ranking (Rang unter 63 Ländern)

59

Quelle: Indec, IMD

Automatisierung und Daten werden immer wichtiger

Gemäß der Erhebung des staatlichen Agrartechnologieinstituts INTA waren 2019 mindestens 16.140 Erntemaschinen mit Ertragsmonitoren ausgerüstet. Das entsprach rund 95 Prozent des aktiv genutzten Maschinenparks. 38 Prozent der Maschinen waren weniger als 5 Jahre alt und laut INTA komplett mit Fernlenkung und -kontrolle sowie Robotik und Automatisierungstechnik ausgerüstet. Die tatsächliche Anwendung hinke indes noch hinter der Verbreitung der Hardware her. Laut INTA waren 17.174 Traktoren und Erntemaschinen mit Autopiloten ausgestattet. Deren Einsatz sei in den letzten fünf Jahren um durchschnittlich 20 Prozent pro Jahr gewachsen. Der größte Teil der Erntearbeiten wird durch Vertragsunternehmern (contratistas) abgewickelt. Die meisten Landwirte halten keinen eigenen Maschinenpark vor. 

Der Einsatz von Systemen für die Fernübertragung von Messdaten hat sich von 2015 bis 2019 verzehnfacht. 2019 waren laut INTA in Argentinien 1.877 derartige Systeme im Einsatz. Der wichtigste Input für die Agrarunternehmen seien die Daten, die durch die Erntemonitore und die Agrarberater erhoben und gesammelt würden, kommentieren die Experten des INTA. Das geistige Eigentum der Informationen sei ein Punkt, über den zwischen den Nutzern und den Betreibern der Datenplattformen Klarheit geschaffen werden müsse.

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