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Special | Brasilien | Smart Farming

Agrarwirtschaft: Digitalisierung verstärkt Wettbewerbsvorteile

Betriebe mit einem hohen Mechanisierungsgrad investieren in private IT-Netze und digitale Anwendungen. 5G wird die Entwicklung in Brasilien beschleunigen.

Von Gloria Rose | São Paulo

Krisenresistent nimmt die Landwirtschaft in Brasilien einen immer höheren Stellenwert ein. Im Jahr 2020 ging mehr als ein Viertel des brasilianischen Bruttoinlandsprodukts und etwa die Hälfte der Exporte auf den Sektor zurück. Verfügbare Flächen zur nachhaltigen Intensivierung, hohe Produktivität und Klimavielfalt, regelmäßiger Niederschlag und die überdurchschnittliche Wasserverfügbarkeit sowie die Attraktivität des Sektors für junge Fachkräfte dürften die Entwicklung auch zukünftig vorantreiben.

Brasiliens Landwirtschaft wächst seit Jahrzehnten kontinuierlich. Von der hohen Nachfrage am Weltmarkt und steigenden Rohstoffpreisen profitieren insbesondere die etwa 1,1 Millionen mittleren und großen Betriebe. Für die rund 4 Millionen kleinbäuerlichen Betriebe, die hauptsächlich für den Inlandsmarkt produzieren, gestaltet sich der Zugang zu Kapital und innovativen Technologien schwieriger.

Mehr als die Hälfte des Bruttowerts der agrarwirtschaftlichen Produktion wird durch Soja, Mais und Rindfleisch generiert. Weitere wichtige Agrarprodukte sind Milch, Zuckerrohr zur Verarbeitung in Zucker und Bioethanol, Geflügel, Kaffee, Baumwolle, Schweinefleisch und Orangen für den Export von Orangensaft.

Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur Brasilien

2020

Einwohner (Mio.) 

211,8

Ackerfläche1) (ha)

55.762.000 

Landwirtschaftliche Nutzfläche2) (ha)

236.879.000

Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in %)

6,8

Anteil des Agrobusiness3) an der Entstehung des BIP (in %)

26,6

IMD Digital Competitiveness Ranking (Rang unter 63 untersuchten Ländern) 

51

1) "cropland" 2018 (FAOSTAT); 2) "agricultural land" 2018 (FAOSTAT); 3) umfasst die gesamte Wertschöpfungskette inklusive Produktionsmittel, Primärproduktion, Agrarindustrie und DienstleistungenQuelle: IBGE, FAO, CNA, IMD World Digital Competitiveness Ranking 2020

Technologiedurchdringung variiert stark

Während börsengelistete Agrarkonzerne wie SLC Agrícola von Anfang an Präzisionslandwirtschaft betreiben und bereits den gesamten Produktionsprozess digitalisiert haben, verfügen viele kleine Betriebe noch nicht einmal über einen Internetzugang. Dazwischen liegen Welten, die sich nicht über Durchschnittswerte abbilden lassen. Besonders weit fortgeschritten ist die Digitalisierung im Zuckerrohranbau und bei wichtigen Agrarprodukten für den Export.

Bei Agrardrohnen liegt das Land noch weit zurück. Während in China etwa 100.000 Drohnen für den Agrarsektor im Einsatz sind, registriert Brasilien gerade einmal 1.500 Drohnen für die landwirtschaftliche Nutzung. Die anstehende Regulierung für Agrardrohnen dürfte einen kräftigen Anstieg der Nachfrage bewirken.

Soja und Mais

Sehr verbreitet ist der Einsatz von Präzisionstechnologie für die Direktsaat und Düngung. Laut dem Agrarverband FEBRAPDP erfolgt bereits 90 Prozent des Anbaus über Direktsaat. Nun setzen immer mehr Betriebe auf den zusätzlichen Einsatz von Drohnen, Sensortechnik und die Vernetzung der Produktion, um die Ressourceneffizienz weiter zu verbessern. 

Viehwirtschaft

Einige Großbetriebe nutzen bereits automatisierte Prozesse und intelligente Systeme. Insgesamt ist die Rinderhaltung jedoch noch sehr extensiv. Laut Umfrage des Beratungsunternehmens Inteligência no Agro (INA) weist die Viehwirtschaft derzeit den höchsten Innovationsdrang auf. Die Betriebe investieren in die Intensivierung, um die Produktivität zu steigern und um eine lückenlose Rückverfolgung zu garantieren.

Zuckerrohr

Während im Südosten, Zentralwesten und Süden Brasiliens die Zuckerrohrernte nahezu vollständig automatisiert und zum Großteil digitalisiert abläuft, erfolgt die Ernte im Nordosten oft noch manuell. Finanzstarke Bioenergiekonzerne wie Raízen und die Gruppe São Martinho nutzen Drohnen, investieren in private IT-Netze und treiben die Digitalisierung voran.

Kapitalkosten bremsen die Entwicklung

Eine Umfrage des Agrarforschungsunternehmens Embrapa aus 2020 ergab, dass 84 Prozent der 750 befragten Landwirte und Agrardienstleister mindestens eine digitale Lösung im Produktionsprozess nutzen und 68 Prozent bereits selbst in digitale Systeme investieren. Rund 17 Prozent verfügten über Drohnen und 16 Prozent setzen Sensortechnik ein. Interesse und Bereitschaft zur Nutzung digitaler Technologien war durchgehend vorhanden. Der Umfrage zufolge sehen zwei Drittel der Landwirte die höchste Barriere für Agro 4.0 in den hohen Anschaffungskosten für Maschinen, Ausrüstung und Apps. Weniger als die Hälfte nannte eine unzureichende IT-Infrastruktur als Hindernisgrund.

Die Überwindung der Kosten-Nutzen-Problematik und die wirtschaftliche Nutzung digitaler Technologien durch kleinere Betriebe zählen zu den größten Herausforderungen. Geschäftsmodelle der Sharing Economy und Software as a Service (SaaS) können Abhilfe schaffen. Außerdem schafft die Digitalisierung selbst allmählich neue Finanzgrundlagen. Durch die Verfügbarkeit von Daten sinken die Risiken und damit auch die Kapital- und Versicherungskosten. Im Jahr 2020 verdoppelte sich die versicherte Fläche, dennoch war nur 21 Prozent der Ackerflächen versichert. Zum Vergleich: In den USA sind es 85 Prozent der Flächen. Agrarversicherer erwarten somit eine Vervielfachung des brasilianischen Marktes.

Ausbau der Dateninfrastruktur in Reichweite

Laut der Agrarerhebung des brasilianischen Statistikamts IBGE verfügten 2017 nur 30 Prozent der Betriebe über Zugang zur IT-Infrastruktur. Über den Verband ConectarAgro engagieren sich große Zulieferer und IKT-Anbieter für den Ausbau. Immerhin erstreckt sich das 4G-Netz bereits über 5.016 der insgesamt 5.570 Städte und Gemeinden Brasiliens, in denen knapp 98 Prozent der Bevölkerung lebt. In diesem Jahr vergibt Brasilien die Frequenzen für 5G. Durch die Einführung von 5G erwarten Telekomkonzerne und Ausrüster innerhalb der kommenden fünf Jahre eine Digitalisierungsrevolution auf dem Land. Die Ausrüster Huawei, Ericsson und Nokia sowie die großen Telekomkonzerne installieren bereits 5G-Pilotprojekte für den Agrarsektor. 

Genossenschaften und Großkonzerne treiben Digitalisierung voran

Neben den Großkonzernen wie der Gruppe São Martinho, Raízen, BRF und vielen weiteren übernehmen die Agrargenossenschaften die Bereitstellung innovativer Technologien für die einzelnen Landwirte. Laut dem brasilianischen Genossenschaftsverband OCB waren 2019 fast eine Million Betriebe an die 1.223 Agrargenossenschaften angeschlossen. Unter den 50 größten Agrarkonzernen Brasiliens finden sich 15 Genossenschaften.

Ausgewählte Projekte in Brasilien

Projekt

Anmerkungen

Stand

Projektträger/Anmerkung

Privates 5G-Netz und Smart Farming Anwendungen für Zuckerrohranbau und Verarbeitung sowie Technologiezentrum von Ericsson in Pradópolis (São Paulo)

Betrieb ist mit 52 Erntemaschinen, 282 Lkws und 241 Traktoren eine der größten und fortschrittlichsten Zuckerrohr-Einheiten Brasiliens

Strategische Partnerschaft wurde im September 2020 geschlossen

São Martinho, Ericsson

5G-Netz für die Produktion von Baumwolle in Rondonópolis (Mato Grosso)

Erstes Pilotprojekt mit 5G-Standalone-Netz in Brasilien

Netzfreigabe am 11.05.21 erfolgt

Instituto Mato-grossense do Algodão (IMAmt) in Zusammenarbeit mit Ausrüster Nokia und Telekomkonzern TIM

5G-Netz für Agro-4.0-Anwendungen in der Gemeinde Rio Verde (Goiás)

Die ersten zwei Antennentürme wurden im Technologiepark IF Goiano und auf der Fazenda Nycolle errichtet.

Netzfreigabe am 03.12.20

Regierung und Institutionen des Bundesstaats Goiás, Ausrüster Huawei, Telekomkonzern Claro

Agro-4.0-Programm - Förderung von 14 Pilotprojekten mit 4.0-Technologien

Davon 10 Projekte im Süden und Südosten Brasiliens

Ende 2020 unter 99 Vorschlägen ausgewählt

Ministério da Agricultura, Pecuária e Abastecimento, Ministério da Economia, Ministério da Ciência, Tecnologia e InovaçõesAgência Brasileira de Desenvolvimento Industrial

'ABC Smart Farm' auf 29,15 ha in Ponta Grossa (Paraná)

Ackerfläche gehört zur Agrargenossenschaft Frísia Cooperativa Agroindustrial

Angekündigt im September 2020; erste Ergebnisse werden auf der Digital Agro 2021 vorgestellt

Fundação ABC

Bereitstellung von Agro-4.0-Anwendungen über die Plattformen 'Mais Pasto' und 'Campo Digital'

Coopercitrus ist mit 35.000 Mitgliedern eine der größten Agrargenossenschaften Brasiliens.

Bereitstellung der Plattformen ab 2020, kontinuierliche Erweiterung mit neuen Anwendungen

Coopercitrus

Bereitstellung der Plattform Digital Agro

An BRF sind in Brasilien etwa 9.500 Landwirte angeschlossen, die 2019 rund 1,7 Mrd. Hühnchen und 9,6 Mio. Schweine lieferten

Seit Einführung im Mai 2020 integrierten mehr als 81% der Landwirte die Anwendungen

BRF

Quelle: Recherchen von Germany Trade and Invest

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