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Special USA Digitale Wirtschaft
In den USA geht der Trend klar hin zu mehr Datenschutz. Datensicherheit und damit verbundene Haftungsfragen sind daher sehr wichtig.
18.05.2020
Von Heiko Steinacher | San Francisco
Der digitale Gesundheitsmarkt ist in den USA bereits weit entwickelt. Zu den größten Spielern in Nordamerika zählen McKesson Corporation, Allscripts Healthcare Solutions, Cisco Systems, Qualcomm und Philips Healthcare. Auch die US-Technologiekonzerne treiben ihre Ideen im Gesundheitsbereich immer weiter voran, oft in Kooperation mit Start-ups.
Indikator | 2018 |
---|---|
327,35 Mio. | |
2,61 (2017) | |
895 (2016) | |
Gesundheitsausgaben pro Kopf in US$ | 10.600 bis 11.200 1) |
62,7 | |
k.A. 2) |
Wegen jahrelang ausufernder Gesundheitskosten sind US-Krankenhäuser in enormen Sparzwang geraten. Ziel ist es daher, die Effizienz der Behandlungen zu steigern und längerfristig Kosten einzusparen. Dabei können die Digitalisierung traditioneller Prozesse (wie elektronische Krankenakte), Telemedizin und neue technologische Entwicklungen (wie mobiles Internet und Internet der Dinge) gleichsam helfen.
Im Rahmen mehrerer Programme vergab der Staat von 2011 bis 2015 Fördermittel für Investitionen in Höhe von über 30 Milliarden US-Dollar (US$) in die Gesundheits-IT, insbesondere zur Digitalisierung von Patientendatensätzen. Ferner erhält die US-Lebensmittelüberwachungs- und -Arzneimittelbehörde FDA 500 Millionen US$ über den Zeitraum 2017 bis 2025. Diese Mittel sind für neue Aufgaben bestimmt, wie beschleunigte Marktzulassungen für innovative Medizinprodukte, für die es keine von der FDA zugelassenen Alternativen gibt.
Das Ministerium für Gesundheitspflege und Soziale Dienste (U.S. Department of Health and Human Services; HHS) will medizinische Innovationen mithilfe maschineller Lernalgorithmen in der Sepsisdiagnostik und -behandlung fördern, unter anderem durch Partnerschaften von öffentlichen und privaten Institutionen (ÖPP). Gerade ÖPP will die US-Regierung mit der Neuauflage ihres AI R&D Strategic Plan vom Juni 2019 anregen, um Künstliche-Intelligenz-Lösungen (KI) voranzutreiben. Der Plan umreißt die strategischen Prioritäten des Bundes für die KI-Forschung. Darüber hinaus veranstaltet das Ministerium Technologiewettbewerbe ("health tech sprints") mit dem Ziel, ein KI-basiertes Ökosystem für neue Behandlungsformen zu entwickeln.
Ein Wettbewerbsvorteil für US-Firmen ist, dass es in den USA kein allgemeines und umfassendes Datenschutzgesetz gibt. Personenbezogene Daten unterliegen bundesweit nicht den gleichen strengen Datenschutz- und Sicherheitsbestimmungen wie in der Europäischen Union (EU). Der Trend geht aber klar in Richtung mehr Datenschutz. Deshalb sind Datenschutz, Sicherheit und damit verbundene rechtliche Haftungsbelange in den USA sehr wichtig. So wurden zum Beispiel nach Änderungen des US Health Insurance Portability and Accountability Act (HIPAA) auch für Anbieter von Telemedizin die Datenschutz- und Sicherheitsmaßnahmen bei Gesundheitsinformationen verschärft.
Der HIPAA deckt die Themengebiete Medikationsplan, elektronischer Arztbrief, Videosprechstunden, Versichertenstammdatenmanagement, elektronische Patientenakte, elektronisches Patientenfach und Notfalldatenspeicherung ab. Sein Anwendungsbereich umfasst die Übertragbarkeit und Kontinuität des Krankenversicherungsschutzes. In seinen Geltungsbereich fallen vor allem Krankenhäuser, Kliniken, Versicherungsanbieter und Clearingstellen, die medizinische Daten verarbeiten.
Im US-Bundesstaat Kalifornien gelten seit Inkrafttreten des California Consumer Privacy Act (CCPA) am 1. Januar 2020 noch weiter gehende Regelungen. Im Gegensatz zum HIPAA gilt das CCPA für alle gewinnorientierten Organisationen, die in Kalifornien tätig sind und bestimmte Schwellenwerte für Einnahmen und Datenverarbeitung überschreiten.
Von technologischer Seite ist zu berücksichtigen, dass sich nicht alle Lösungen einfach in bestehende Arbeitsprozesse integrieren lassen. Ärzte, Kliniken und Apotheken arbeiten auf unterschiedlichen technologischen Niveaus, und für institutionsübergreifende Anwendungen fehlen oft geeignete Datenschnittstellen. Bislang gibt es weder eine nationale Plattform für den Datenaustausch noch ein Daten-Interface für Patienten. Die Behandlungsdaten sind Eigentum der Patienten, sie müssen sie von Arzt zu Arzt mitnehmen.
Apple startete im März 2018 eine App, mit der Nutzer ihre Krankenakte auf dem iPhone speichern können. Im August 2019 beschloss das Hard- und Softwareunternehmen dann eine Partnerschaft mit Allscripts Healthcare. Dank einer weiteren Kooperation mit dem US-Kriegsveteranenministerium können Veteranen der US-Streitkräfte per iPhone mit mehr als 100 US-Gesundheitseinrichtungen Daten zu Allergien, Laborergebnissen oder Medikation austauschen. Dadurch haben mehr als 9 Millionen Menschen potenziell Zugang zu Apples Patientenakte.
Auch andere Tech-Konzerne treiben Ideen im Gesundheitsbereich voran, oft in Kooperation mit Start-ups. Wie das Apple-Beispiel zeigt, geht es dabei nicht nur um Apps, Smartwatches oder Fitnesstracker, sondern zum Beispiel auch um Speicher für Gesundheitsdaten. Ende 2019 hat Amazon das Programm Transcribe Medical gelauncht, eine selbstlernende Spracherkennungssoftware für die klinische Dokumentation. Das zum Google-Konzern gehörende Unternehmen DeepMind hat eine KI namens AlphaFold entwickelt, welche die Faltung neuer Proteine genauer als jedes andere Computerprogramm vorhersagt. Meist sind finanzkräftige Investoren mit an Bord, wie Berkshire Hathaway und JP Morgan.
Gerade bei KI bedarf es für eine erfolgreiche Kommerzialisierung neben Forschern, talentierten Entwicklern, strategischen Unternehmen und Investoren auch einer agilen Legislative. Deshalb hat die FDA im September 2019 neue Richtlinien für den Einsatz KI-basierter Medizinprodukte vorgeschlagen, die Softwareentwicklern mehr Planungssicherheit geben sollen. Auch ohne allgemeinen Rechtsrahmen ist die Zahl der Zulassungen in den letzten Monaten bereits stark gestiegen. Um die 35 KI-Medizinprodukte soll die FDA in den beiden Jahren 2018 und 2019 insgesamt genehmigt haben.
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