Das Marktpotenzial für Digital Health ist groß. Der Sektor befindet sich in einer Schlüsselphase, weil derzeit die Schnittstellen für private digitale Angebote definiert werden.
Marktchancen für Digital Health in Frankreich: Studie zeigt hohes Potenzial auf
Es gibt keine belastbaren Schätzungen zum derzeitigen Marktvolumen für Digital-Health-Lösungen. Aber eine Analyse vom Beratungsunternehmen McKinsey gibt erste Hinweise auf das Marktpotenzial in den kommenden Jahren. Sie bezieht sich auf einen Zeitraum von fünf bis zehn Jahren und schätzt den Anteil der Gesundheitsausgaben in verschiedenen Bereichen, der dann auf digitale Lösungen entfallen könnte. Das Beratungsunternehmen kommt auf ein Gesamtvolumen zwischen 16,1 und 22,3 Milliarden Euro pro Jahr. Die Zahlen bilden die Basis für eine Studie zu Digital Health in Frankreich des Thinktanks Institut Montaigne.
Marktpotenzial für Digital Health in Frankreich (Jahresumsätze innerhalb von 5 bis 10 Jahren)
Bereich | Technologien | Umsatz (in Mrd. Euro) |
Patientenautonomie | Autodiagnose und Selbstbehandlung, medizinische Chatbots, Terminmanagement, Digitale Prävention | 3,3 bis 4,7 |
Digitalisierung der Daten im Gesundheitssektor, Erfassung und Austausch | Virtuelle Assistenten, E-Rezept, Plattformen zum Datenaustausch | 3,4 bis 4,7 |
Telemedizin | E-Triage, elektronische Überwachung, Videosprechstunden | 3,7 bis 5,4 |
Automatisierung | Medikamentenverwaltung, Optimierung des Patientenflusses, Überwachung, Logistik in Krankenhäusern, RFID-Verfolgung | 2,4 bis 3,4 |
Transparenz und Entscheidungshilfen | Software für Kliniken für Finanzbuchhaltung, Kommunikation mit anderen Akteuren, Performance-Analyse etc. | 3,1 bis 4,2 |
Gesamt | | 16,1 bis 22,3 |
Schätzung des jährlichen Marktpotenzials der Beratungsfirma McKinsey auf der Basis von Gesamtausgaben im Gesundheitssektor von 217 Mrd. Euro und einen Zeitraum von 5 bis 10 Jahren.Quelle: Institut Montaigne 2020
McKinsey sieht Entwicklungschancen in fünf Bereichen. Digitale Lösungen sollen die Selbstbefähigung von Patienten stärken, sowohl in der Prävention durch Informationsangebote, als auch durch Selbstdiagnose und -behandlung sowie durch administrative Erleichterungen (Online-Terminvergabe). Informationsangebote zur Prävention bestehen bereits in großer Vielfalt und die Terminvergabe über Plattformen hat sich stark entwickelt. Der größte öffentliche Klinikverbund in Europa AP-HP hat bereits 2017 begonnen, Arzttermine über die Plattform Doctolib abzuwickeln.
Für die Prävention (Raucher-Entwöhnung, Stressbewältigung, Ernährung, Schlaf) hat die größte private Klinikgruppe Ramsay Santé 2019 einen Chatbot lanciert. Die Nummer Zwei unter privaten Klinikbetreibern, Elsan, nutzt eine mobile Applikation ADEL zur Patientenbegleitung vor und nach Operationen. Im Rahmen der Covid-Epidemie hat unter anderem das Institut Pasteur einen Covid-Bot zur Selbstdiagnose mitentwickelt.
Informationssysteme in Krankenhäusern werden ausgebaut
Der zweite Bereich ist die Digitalisierung von Datenströmen. Mit der Reform des Gesundheitssystems "Ma santé 2022" von 2019 wurde ein Programm zur Ausstattung von Krankenhäusern mit Informationssystemen (HOP'EN) gestartet, das an ein früheres Programm (Hôpital Numérique) anschließt. 2019 wurden für eine finanzielle und beratungstechnische Begleitung 1.440 Kliniken ausgewählt und damit fast die Hälfte der etwa 3.000 Krankenhäuser in Frankreich. Hier werden die Informationssysteme in den kommenden Jahren modernisiert und ausgebaut, auch zur Nutzung der elektronischen Patientenakte oder zur Implementierung von Kommunikationsplattformen für die Fachkräfte untereinander.
Zusätzliche Mittel für Digitalisierung in Pflegeheimen
Ein interessantes Segment für Informationssysteme sind auch die Pflegeeinrichtungen. Das Krisenhilfspaket für den Gesundheitssektor vom Juli 2020 (Segur de la Santé) enthält zusätzliche Mittel für die Digitalisierung in Pflegeeinrichtungen. Insgesamt sollen den Einrichtungen 2,1 Milliarden Euro zugutekommen, 1,2 Milliarden Euro für bauliche Veränderungen, 300 Millionen Euro für "kleinere Geräte mit hohem Mehrwert" (Bewegungsmelder, Sturzmelder, etc.) und 600 Millionen für die Digitalisierung.
Telemedizin erfährt Boom in der Krise
Als Bereich mit dem höchsten Marktpotenzial sieht die Studie des Institut Montaigne die Telemedizin. Letztere litt bisher unter starken Vorbehalten der Ärzte und formalen Hindernissen. In der Coronakrise wurde die Telemedizin stark genutzt. Das Gesundheitsministerium hatte im März 2020 Einschränkungen aufgehoben und die Rückerstattungsfähigkeit durch die Sozialkasse auf Telefonkonsultationen ausgeweitet.
Das Wachstum ist im Ferienmonat August 2020 abgeflaut, hat sich im September aber wieder beschleunigt. Die Telemedizin dürfte sich auf hohem Niveau behaupten, weil die Regierung die Rückerstattungsfähigkeit auf 2021 ausdehnen will.
Zudem handelt das Gesundheitsministerium derzeit mit Ärzteverbänden neue Regeln für die Telemedizin aus. Die Ausnahmeregeln wurden im Juli bis Ende 2020 verlängert. Das Ministerium strebt auch eine Ausweitung von Videosprechstunden auf neue Therapiebereiche an. Widerstände gibt es unter den Verbänden, die in der Telemedizin eine Aushöhlung vor allem der Rolle der Allgemeinärzte sehen.
Als aussichtsreich gilt auch der Bereich der Automatisierung etwa der Medikamenten-, Betten- und Geräteverwaltung und der Robotisierung gewisser logistischer Dienste innerhalb von Krankenhäusern. Die Universitätsklinik von Nantes will eine digitale Kopie (digital twin) nutzen, um Patientenflüsse zu simulieren. Das Hôpital Foch im Pariser Vorort Suresnes setzt auf eine App zur Lokalisierung von Patienten und um Besucher durch die Einrichtung zu leiten.
Starke Ausgangslage in der Künstlichen Intelligenz
Ein letzter wichtiger Bereich ist der Einsatz von KI-Lösungen (Künstliche Intelligenz), um die Leistung des Klinikbetriebs zu analysieren und zu verbessern sowie als Stütze für die Diagnose. Frankreich ist bei KI in einer guten Ausgangslage mit umfangreichen Datenbanken. Diese werden über den staatlichen Health Data Hub für Anwendungen und Entwicklungsprojekte zugänglich gemacht.
Französische Forschungscluster und Start-ups gelten als stark in der künstlichen Intelligenz (KI) und hier vor allem in der Bildanalyse. In Paris hat der KI-Inkubator Paris Biotech Santé viele Start-ups hervorgebracht und in Straßburg wurde 2018 im Krebsforschungsinstitut IRCAD ein Zentrum für KI in der Chirurgie eröffnet. Bei der Entwicklung von Digital-Health-Anwendungen allgemein gelten die Regionen Île-de-France und Nouvelle Aquitaine als führend in Frankreich.
IT-Ausstattung der Kliniken heterogen
Die Ausstattung der Krankenhäuser mit Informationstechnologie unterscheidet sich stark. Generell ist der Privatsektor besser ausgerüstet als öffentliche Kliniken. Nach Erhebungen im Rahmen des staatlichen Programms Hôpital Numérique hat sich die Lage in den letzten Jahren stetig verbessert. Eine Studie aus dem Jahr 2018 gibt Auskunft über den Ausstattungsgrad und über verwendete Softwarepakete für verschiedene Bereiche.
Krankenhäuser in Frankreich (Anzahl)
Träger | Anzahl | Bettenanzahl/Plätze |
---|
Staatliche Krankenhäuser (2017) | 1.364 | 246.395 |
Gemeinnützige Privatkliniken (2017) | 680 | 56.482 |
Andere Privatkliniken (2017) | 1.002 | 96.988 |
Alters- und Pflegeheime (2015) | 10.600 | 752.000 |
Quelle: Ministère des Solidarités et de la Santé 2020
Von Peter Buerstedde
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Paris