In Spanien sind im Bereich Digital Health einige große internationale Namen aktiv. Hinzu kommen Start-ups, für die die digitale Gesundheit oft das einzige Geschäftsfeld ist.
Etablierte Branchenriesen und Start-ups engagieren sich auf dem spanischen Markt
Laut dem spanischen Medizintechnikverband Fenin gelten bei der Zulassung von Digital-Health-Produkten und Dienstleistungen folgende Anforderungen:
Wird eine Software als medizinisches Gerät betrachtet, hängt die Bewertung von der Risikoklasse ab. Bei einem Produkt mit geringem Risiko liegt es in der Verantwortung des Herstellers, die Übereinstimmung mit den Anforderungen der Gesetzgebung zu überprüfen und das CE-Zeichen anzubringen. Bei Produkten mit mittlerem oder hohem Risiko wird die Bewertung von notifizierten Stellen durchgeführt, die von den zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten benannt werden. Es gibt keine Bewertung des Produkts durch die Gesundheitsbehörden.
Eine der notwendigen Voraussetzungen für die Zertifizierung des Geräts oder der digitalen Lösung ist die klinische Bewertung. Um die Lösung zu validieren, kann ein klinischer Versuch unter der Schirmherrschaft der Ethikkommission eines Krankenhauses durchgeführt werden, mit der Zustimmung zum Beispiel der Forschungsstiftung desselben Zentrums und mit Genehmigung der Behörde AEMPS. Eine multizentrische Studie kann durchgeführt werden, um die Lösung zu validieren.
Betriebsgenehmigung ist erforderlich
Der Hersteller und der Importeur müssen bei der Behörde AEMPS eine vorherige Betriebsgenehmigung beantragen. Die Vertriebsaktivität steht unter der Aufsicht und Kontrolle der Autonomen Gemeinschaften. Unternehmen, die Gesundheitsprodukte vertreiben, müssen den Gesundheitsbehörden der Autonomen Gemeinschaft den Beginn der Aktivität vorher mitteilen, benötigen aber keine Genehmigung.
Unter den Mitgliedern des Medizintechnikverbandes Fenin befinden sich 29 lokale und internationale Unternehmen, die im Bereich Digital Health aktiv sind. Dem Verband haben sich unter anderem Dräger Medical Hispania, Linde Medicial, Siemens Healthcare sowie General Electric Healthcare España, Roche Diagnostics und 3M España angeschlossen. Einen weiteren Anhaltspunkt bildet der Gesundheitsinformatikverband Sociedad Española de Informática de la Salud. Dessen Kooperationspartner umfassen bekannte internationale Namen wie Siemens Healthineers, T-Systems, Microsoft, Philips, Telefónica und EY.
Für einige Start-ups sind Anwendungen aus dem Bereich Digital Health das einzige Geschäftsfeld. In einer fragmentierten Gründungslandschaft zählt der Gesundheitssektor allgemein zu den größeren Sparten, in die sich die jungen Unternehmen einsortieren lassen. Im Mai 2020 wurde bekannt, dass der frühere Torhüter von Real Madrid Iker Casillas in ein kardiologisches Start-up investiert hat. Das Unternehmen namens Idoven ist auf die Fernüberwachung von Sportlern spezialisiert. Mittels künstlicher Intelligenz soll die Software helfen, Herzproblemen vorzubeugen. Im Herbst 2018 gehörte erstmals ein spanisches Unternehmen zum Akzeleratorprogramm Grants4Apps von Bayer: S-There Technologies. Bei dem Produkt handelt es sich um ein Gerät, das mittels einer Urinanalyse Gesundheitsdaten ermittelt und die Patienten per App über ihren Gesundheitszustand informiert.
Deutschland zählt bereits zu Spaniens wichtigsten Lieferländern für Medizintechnik und Arzneimittel. Deutsche Produkte werden mit besonders hoher Qualität und Vertrauenswürdigkeit assoziiert. Insbesondere im sensiblen Bereich der Gesundheit könnten solche positiven Zuschreibungen auch für Anbieter im Bereich Digital Health wertvoll sein.
Ausblick: Coronakrise sensibilisiert für den Nutzen von Digital Health
Spanien orientiert sich an der Digitalstrategie der Europäischen Union (EU), hat aber seit 2015 kein eigenes Programm aufgelegt. Die Regierung will das Gesundheitswesen modernisieren und digitalisieren. Der Verband Fenin und die Stiftung COTEC haben ihren Wunsch nach einem Rahmenprogramm zur Digitalisierung im Gesundheitswesen inklusive einer Finanzierung zu einem günstigen Zeitpunkt lanciert. Unklar ist allerdings noch, welche Bereiche Investitionsschwerpunkte werden.
Durch die hohen Risiken des direkten Kontakts hat die Covid-19-Pandemie insbesondere in Spanien die Vorteile digitaler Lösungen auf Distanz verdeutlicht. Ein Anschub für telemedizinische Anwendungen entstand aus der Not heraus. Gesundheitszentren und Krankenhäuser versuchten, alle nicht dringenden direkten Patientenkontakte zu vermeiden.
Potenzial für Telemedizin nicht ausgeschöpft
Auch zur Entlastung des Gesundheitssystems nach der Krise sind telemedizische Lösungen eine denkbare Ergänzung. Regionale Erfahrungen hierzu gibt es bereits. Laut Bertelsmann-Stiftung war Andalusien der Vorreiter, um bestimmte chronisch kranke Patienten fernzuüberwachen. Trotz der teilweise ländlichen Struktur Spaniens werden telemedizinische Dienstleistungen für Patienten bislang eher selten angeboten. Häufiger kommen Anwendungen zum Einsatz, mit denen sich Ärzte untereinander austauschen und Diagnosen oder Röntgenbilder übermitteln. Strukturell betrachtet dürfte das Potenzial für die Telemedizin noch bei weitem nicht ausgeschöpft sein. Dass gerade in dünn besiedelten Provinzen die Gesundheitsinfrastruktur lückenhafter ist, könnte sich zu einem zusätzlichen Treiber entwickeln.
Ein weiterer struktureller Faktor ist die Alterung der spanischen Gesellschaft und eine besonders hohe Lebenserwartung. Daraus leitete sich die Erwartung ab, dass eine wachsende Anzahl von Menschen eine oder auch mehrere chronische Krankheiten haben wird. In Kombination mit einer stärkeren Nutzung moderner Kommunikationstechnik auch durch ältere Menschen können digitale Anwendungen etwa für Routineüberwachungen hilfreich sein.
In der Coronakrise zeigte sich in Spanien auch eine Datenkrise. Nach dem ersten Schock der Pandemie entstanden Streit und Unklarheit hinsichtlich der Zählweisen und Daten auf regionaler Ebene. Manche Zahlen mussten korrigiert werden. Die Debatte zeigt, dass eine Zusammenführung und Auswertung von Daten momentan auf besonderes Interesse stößt - auch um auf mögliche künftige Pandemien besser vorbereitet zu sein.
Von Oliver Idem
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Madrid