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Landwirtschaft: Gute Voraussetzungen für Smart Farming
Die Ukraine gehört zu den weltweit wichtigsten Produzenten von Agrargütern. Das Potenzial zur Steigerung der Produktivität ist jedoch noch nicht ausgeschöpft.
21.06.2021
Von Fabian Nemitz | Kiew
Die Landwirtschaft ist ein Schlüsselsektor der ukrainischen Wirtschaft. Im Jahr 2020 steuerte die Branche 9,3 Prozent zur Entstehung des Bruttoinlandsprodukts (BIP) bei. Agrargüter und Nahrungsmittel standen 2020 für rund 45 Prozent der gesamten Warenexporte.
Dank ihrer großen Anbauflächen und fruchtbaren Böden spielt die Ukraine eine wichtige Rolle bei der Ernährung der wachsenden Weltbevölkerung. Die Schwarzmeer-Republik verfügt über rund ein Viertel der weltweiten Schwarzerdeböden.
Schwerpunkt der Landwirtschaft in der Ukraine ist der Pflanzenanbau. Auf ihn entfallen rund drei Viertel der gesamten Agrarproduktion. Die wichtigsten Feldfrüchte sind Getreide (Weizen, Mais, Gerste) und Ölsaaten (Sonnenblumen, Soja, Raps). Bei Sonnenblumenöl ist die Ukraine weltweit der größte Produzent. Bei vielen weiteren Produkten zählt das Land zu den global führenden Erzeugern und Exporteuren.
Die Struktur der Landwirtschaft ist sehr heterogen und reicht von Subsistenzwirtschaft bis hin zu Agrarholdings, die Flächen von bis zu 500.000 Hektar bewirtschaften. Angaben des Deutsch-Ukrainischen Agrarpolitischen Dialogs (APD) zufolge bewirtschaften etwa 45.000 landwirtschaftliche Betriebe rund 70 Prozent der Agrarfläche.
Eckdaten zur Landwirtschaft und Infrastruktur in der Ukraine
2020 | |
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Einwohner (in Millionen, Jahresdurchschnitt) | 41,61) |
Ackerfläche | 32,8 Mio. Hektar2) |
Anteil der Landwirtschaft an der Entstehung des BIP (in %) | 9,3 |
58 |
Agrarbusiness zeichnet sich durch Innovationsfreude aus
Die Ukraine bietet sehr gute Voraussetzungen für die Nutzung moderner Technologien in der Landwirtschaft. Hierzu zählen finanzstarke Agrarholdings, die großen, ebenen Bodenflächen und der starke IT-Sektor des Landes. Vorreiter beim Einsatz moderner Technologien sind die großen Agrarholdings.
"Das Agribusiness in der Ukraine ist bei neuen Produktionsmethoden, Präzisionslandwirtschaft und Datenmanagement sehr innovativ, insbesondere die großen Investoren. Diese Unternehmen fordern die westlichen Lieferanten sehr stark, weil unsere Systeme häufig für reifere Märkte gemacht sind, die statischer sind und sich gar nicht so dynamisch weiterentwickeln. Diese Innovationsdynamik hat man in einem Land wie Russland, das viel stärker reguliert ist, zum Beispiel weniger", sagt Dirk Stratmann, Ländersprecher Ukraine und Zentralasien in der Arbeitsgruppe Agrarwirtschaft des Ost-Ausschusses.
Auch kleine und mittlere Unternehmen greifen vermehrt auf Innovationen zurück, beispielsweise auf Drohnen. Dank ihrer größeren Flexibilität bestimmen diese Firmen aktuell sogar das Geschehen auf dem Markt, bemerkt Valerii Iakovenko, der Gründer des Start-ups Drone.ua. Der Einsatz von Drohnen wird dabei auch durch die im Vergleich zu Westeuropa geringere Regulierung gefördert.
Nachholbedarf bei kleinen Betrieben
Zugleich arbeiten in der Ukraine noch sehr viele landwirtschaftliche Betriebe mit veralteter Technik. Für den Kauf und Einsatz innovativer Technologien fehlt es dem Gros der Bauern an Geld und Knowhow. Der Staat stellt keine Mittel für Smart-Farming-Projekte bereit. Der Zugang der Bauern zu Beratungsdienstleistungen ist laut Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen (FAO) unzureichend.
Ein weiteres Hindernis für den Ausbau von Smart Farming liegt an den im Vergleich zu Westeuropa weiter ausbaufähigen schnellen Mobilfunknetzen auf dem Land. Beim Aufbau des 5G-Netzes hinkt die Ukraine noch hinterher. Laut Einschätzung von Oleksandr Komarow, dem Vorsitzenden des Mobilfunkbetreibers Kyivstar, werden erste 5G-Ausschreibungen nicht wie bislang geplant Ende 2021, sondern voraussichtlich erst 2022 erfolgen. Der Aufbau von 5G-Netzen dürfte somit nicht vor 2023 oder 2024 beginnen.
Gute Voraussetzungen für Entwicklung digitaler Agrartechnologien
Nach Ansicht von Jurij Petruk, dem Leiter des Verbands AgTech, ist die Ukraine ein guter Standort für die Entwicklung von Agrartechnologien. Pluspunkte sind die großen Agrarressourcen, der starke IT-Sektor und die diversifizierte Struktur der Landwirtschaft - von kleinsten Erzeugern bis hin zu den Agrarholdings. Deshalb könne die Ukraine mit allen Größen landwirtschaftlicher Produzenten experimentieren und Technologien entwickeln, darunter für Industriepflanzen, die auch in anderen Ländern zum Einsatz kommen können. Ein weiterer Vorteil sei die geringe Regulierung der Forschungsarbeiten von Unternehmen.
Ausgewählte Projekte in der Ukraine
Projekt | Investition (in Mio. US$) | Stand | Projekt- |
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Bau eines Werks zur Montage von Drohnen (geplante Kapazität: 40.000 Stück/Monat) im Gebiet Transkarpatien | 75 | Beginn der vorbereitenden Arbeiten im November 2020; geplante Inbetriebnahme: 2022 | DJI Technology Co. Ltd. (China) |
Investitionen in Präzisionslandwirtschaft | 10 | in Umsetzung | Astarta-Kyiv; Unterstützung durch EBWE |
Installation eines Satelliten zur kommerziellen Nutzung für die Landwirtschaft | k. A. | Geplanter Start: 2022 | |
Einführung von Präzisionslandwirtschaft auf allen Feldern | k. A. | Projektankündigung im Januar 2021 |