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Special | Argentinien | Smart Farming

Ziele: Der Agrarsektor bringt die Devisen - wenn man ihn lässt

Der Agrarsektor ist der wichtigste Devisenbringer Argentiniens. Diese Funktion soll aber nicht mit dem Umweltschutz und den Interessen der inländischen Verbraucher kollidieren.

Von Carl Moses | Buenos Aires

Die Agroindustrie ist traditionell der wichtigste Motor der argentinischen Wirtschaft. Zu den Hauptzielen der argentinischen Wirtschaftspolitik gehört die Steigerung der Exporte, weil die Gesamtwirtschaft weniger abhängig von Devisenkrediten werden soll. Smart Farming spielt dabei eine doppelt wichtige Rolle: Sowohl der Agrarsektor als auch die wissensbasierten Dienstleistungen (WBD) sind tragende Säulen der Exportwirtschaft in Argentinien. Der Agrarsektor ist der mit Abstand wichtigste Devisenbringer Argentiniens, die WBD stehen hinter der Kfz-Industrie und etwa gleichauf mit dem Fremdenverkehr an dritter oder vierter Stelle, sind jedoch der zweitwichtigste Nettodevisenbringer.

In der konkreten Ausgestaltung der Wirtschaftspolitik wird diesen Zielen jedoch nicht immer Rechnung getragen. So sind die Agrarexporte mit Exportsteuern von bis zu 30 Prozent belegt, der Export von Rindfleisch wurde zeitweise verboten, um die Fleischpreise auf dem Inlandsmarkt zu drücken. Auf der Nachfrageseite wird die Investitionsbereitschaft der Landwirte also derzeit durch staatliche Eingriffe eher gebremst - und damit auch die Entwicklung und Anwendung von neuen Technologien. 

Fördergelder treiben Entwicklung neuer Technologien voran

Angebotsseitig wird die Entwicklung von Smart-Farming-Technologien jedoch auf verschiedene Weise gefördert. Das 2020 verabschiedete "Gesetz der Wissensökonomie" (Ley de la economía del conocimiento) setzt die schon seit vielen Jahren geltende Förderung der Softwareentwicklung fort und weitet die Förderung auf "wissensbasierten Dienstleistungen" im Allgemeinen aus. Die geförderten Aktivitäten kommen unter anderem in den Genuss von Steuererleichterungen. Das staatliche Institut für Agrartechnologie INTA leistet mit seinen zahlreichen Niederlassungen und Forschungsstellen im gesamten Land seit Jahrzehnten einen großen Beitrag zur Entwicklung und Verbreitung neuer Technologien. Die Experten des Instituts waren schon seit in den 1980er Jahren Vorreiter der Präzisionslandwirtschaft und der Direktsaattechnologie, die zusammen mit der Zulassung von gentechnisch modifiziertem Saatgut den Weg für Argentiniens "grüne Revolution" ab den 1990er Jahren bereiteten.

Das INTA beobachtet ein starkes Nachfragewachstum bei Komponenten der Präzisionslandwirtschaft, die der Datengenerierung und -verarbeitung, der Steigerung der Effizienz und Produktivität sowie der Rückverfolgbarkeit und der Zertifizierung von landwirtschaftlichen Aktivitäten dienen. Die Präzisionslandwirtschaft bekam Mitte der 1990er Jahre besonderen Schwung, als die damalige Regierung die Exportsteuern im Agrarsektor abschaffte und den Einsatz von gentechnisch modifiziertem Saatgut erlaubte. Eine Analyse des INTA von März 2021 erhob zahlreiche Daten über den Einsatz der verschiedener Komponenten.

Umweltaspekte rücken in den Fokus

Immer wieder kommt es zu Konflikten mit Umweltschützern, die vor allem den großflächigen Einsatz von Glyphosat kritisieren. Sie fordern, Smart Farming solle nicht nur höhere Erträge, Kosteneinsparungen und die Verbesserung der Qualität ermöglichen, sondern auch für Nachhaltigkeit in den Produktionsprozessen sorgen. Schätzungen zufolge liegen in Argentinien mehr als 5 Millionen Hektar Anbaufläche in der Nähe von Ortschaften oder in anderen sensiblen Gebieten. Sowohl die Zivilgesellschaft als auch behördliche Vorschriften verlangen in diesen Umgebungen den Einsatz von sehr präzisen Anwendungstechniken, um die Umweltrisiken zu minimieren. Das führende Biotechnologieunternehmen Rizobacter sieht in der Kontrolle und Überwachung des Pflanzenschutzes in solchen Umgebungen ein wichtiges Geschäftsfeld.

Ein besonders wichtiges Forum zur Diskussion dieser Themen ist die NGO zur Förderung eines bodenschonenden Anbaus, vornehmlich der Direktsaat, Aapresid (www.aapresid.org.ar). Die Liste ihrer Unterstützer (www.aapresid.org.ar/nosacompanian) gleicht einem "Who is who" der argentinischen Agroindustrie. Ähnliches gilt für die von landwirtschaftlichen Unternehmern gebildete gemeinnützige Organisation CREA (www.crea.org.ar), deren Mitglieder in verschiedenen Fachgruppen Erfahrungen und Wissen auszutauschen.

AgTechs auf dem Vormarsch

Im Jahr 2017 schloss sich eine Gruppe von Agrarproduzenten und Technologieunternehmern zusammen, um die Entwicklung von AgTech-Unternehmen in Argentinien zu stimulieren. Daraus entstand Nesters (www.nesters.tech), der erste AgTech-Enhancer des Landes. 2018 wurde das Nesters Empowerment Network - CREA gegründet, mit dem Ziel, ein dynamisches Ökosystem zu schaffen, um agroindustrielle Unternehmen mit anderen Akteuren aus der Finanzindustrie, Logistik und Marketing zusammenzubringen. Nach einer Studie von Endeavour haben 80 Prozent der AgTech-Unternehmer Erfahrung in der Agrarbranche, aber nur 45 Prozent haben Erfahrung als Technologieunternehmer. Das Potenzial Argentiniens als Lebensmittellieferant liege nicht allein in seinem weiten Territorium, seinen fruchtbaren Böden und seinen günstigen Klimas, sondern vor allem in dem Humankapital, das sich in den letzten Jahren entwickelt hat, war eine der Hauptbotschaften beim jüngsten Kongress der Nesters-CREA-Community. 

Argentiniens Landwirte sind längst eher Technologie-Nerds als Lasso schwingende Gauchos. 45 Prozent der Farmer sind jünger als 45 Jahre, 48 Prozent haben einen Universitätsabschluss, bei Großproduzenten steigt diese Quote gar auf 88 Prozent. Vier von fünf Produzenten lassen sich von Agraringenieuren und anderen Experten beraten. Argentinien habe darum nicht nur große Entwicklungschancen wegen des Potenzials seiner Landwirtschaft, so die Nesters-CREA-Community, sondern auch wegen seines Potenzials in der Wissensökonomie, mit einer Projektion, die über die Grenzen des eigenen Landes hinausgehe. Längst sind viele argentinische Agrarunternehmer in Nachbarländern wie Brasilien, Paraguay und Uruguay aktiv.

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