Dieser Inhalt ist relevant für:
ChinaAußenwirtschafts-, Industriepolitik / Zollthemen / Einfuhrabgaben / Produktzulassung / Zolltarif, Einfuhrzoll
Wirtschaftsumfeld
Wirtschaftsumfeld | China | Außenwirtschafts-, Industriepolitik
Marktöffnung findet in China nur sehr selektiv statt. Nachgeordnete Regulierungen oder informelle Hindernisse torpedieren Zusagen häufig in der Umsetzung.
17.04.2020
Von Stefanie Schmitt | Beijing
Das Reich der Mitte ist – anders als es die chinesische Politik glauben machen will – kein Hort des Freihandels. Auch ist der politische Wille nicht erkennbar, das Land weiter für ausländische Unternehmen zu öffnen, als dies aus Sicht Beijings für die Entwicklung notwendig ist. Dies darf allerdings nicht den Blick darauf verstellen, dass im Einzelfall positive Fortschritte zu verzeichnen sind.
So wurde am 1. Januar 2020 der Einfuhrzoll für viele Produkte gesenkt. In der Zollkategorisierung HS sind dies 859 Positionen (HS-Pos.), darunter verschiedene Konsumgüter wie gefrorenes Schweinefleisch als Resultat der im Land grassierenden Afrikanischen Schweinepest (beispielsweise Schulter mit Knochen, HS-Pos. 0203.2200, von 12 auf 8 Prozent). Hinzu kamen zahlreiche Investitionsgüter (wie Gasturbinen für Luft- und Raumfahrt mit einer Leistung von 5.000 Kilowatt oder weniger, HS-Pos. 8411.8100, von 15 auf 1 Prozent) oder Rohstoffe (wie Glycerin, HS-Pos. 2905.4500, von 8 auf 3 Prozent).
Auch wurde die ursprünglich für Oktober 2017 angesetzte, dann aber auf den 1. Oktober 2019 verschobene Einführung eines Lebensmittelzertifikats für importierte „Nicht-Hochrisiko-Nahrungsmittel“ zunächst auf unbestimmte Zeit verschoben. Gegenwärtig wird auf internationaler Ebene eine Fachdiskussion über eine verbindliche Definition von „Low Risk“-Produkten geführt. Die Einführung eines allgemeinen Lebensmittelzertifikats hätte de facto eine deutliche Erschwernis, wenn nicht sogar eine Blockade ausländischer Lieferungen von Keksen über Nudeln bis hin zum Bier bedeutet. Gleichzeitig wäre China das einzige Land weltweit gewesen, dass ein solches Zertifikat in dieser Form gefordert hätte.
Der Handel mit Hochrisikoprodukten war hiervon nicht betroffen. Für diese Waren bedarf es spezifischer bilateraler Abkommen, die beispielsweise im Falle des deutsch-chinesischen Handels für Milch oder unverarbeitetes Schweinefleisch abgeschlossen wurden.
Entsprechend äußerten sich bei der jüngsten Business Confidence Survey der Deutschen Handelskammer in China 2019/20 fast die Hälfte der teilnehmenden Firmen (45 Prozent) positiv zu Chinas Bemühungen einer weiteren Marktöffnung. Umgekehrt berichteten zugleich zwei von drei Unternehmen von direkt oder indirekt diskriminierenden Restriktionen. Und auch die jährlichen Umfragen der European Chamber mahnen regelmäßig bessere Marktzugangsbedingungen und Reziprozität an.
Generell drängt auch die EU seit Jahren auf Gleichbehandlung europäischer Firmen auf dem chinesischen Markt. Vor diesem Hintergrund strebt sie mit der Volksrepublik ein weitreichendes Investitionsabkommen an, das noch Ende 2020 unterzeichnet werden soll. Im Vorfeld ist für September 2020 ein EU-China-Gipfel in Leipzig geplant. Schon 2019 galt der Zeitplan hierfür als ambitioniert. Ob er in Zeiten des Coronavirus eingehalten werden kann, ist daher mehr als fraglich. Allerdings heißt es aus diplomatischen Kreisen, die Gespräche würden proaktiv vorangetrieben.
Wettbewerbsverzerrungen und die Ungleichbehandlung ausländischer – in diesem Falle von US-Firmen – waren nicht zuletzt Auslöser für den 2019 eskalierenden Handelskonflikt zwischen den Vereinigten Staaten und China. Der Schlagabtausch war begleitet von Strafzöllen für gegenseitige Produktimporte, von Boykotten oder Währungsabwertungen und zog auch europäische und deutsche Unternehmen zum Teil in Mitleidenschaft.
Einen vorläufigen Schlussstrich zog das Mitte Januar 2020 unterzeichnete „Phase Eins“-Abkommen. Da tiefer liegende Probleme wie die chinesische Subventionspraxis (die von den USA mit Strafzöllen auf Stahl, Aluminium und Solarpanels beantwortet wurde), erzwungene Technologietransfers, Industriespionage oder weitere Formen des unerwünschten Abflusses von geistigem Eigentum nicht angegangen wurden, sprechen Experten allerdings häufig von einem Burgfrieden.
Offen ist, ob und wann die Kernpunkte Diskriminierung ausländischer Investoren und Subventionierung chinesischer Staatsunternehmen in der zweiten Phase der Verhandlungen geklärt werden können. Ebenso sind bisherige Auswirkungen des ersten Teilabkommens auf die Weltwirtschaft bislang noch unbestimmt, zumal sie von den Folgen der akuten Covid-19-Pandemie überlagert werden. Grundsätzlich wurde die vorläufige Deeskalation des Handelsstreits in Wirtschaftskreisen jedoch allgemein begrüßt.
China hat sich im ersten Teilabkommen verpflichtet, in den kommenden zwei Jahren von den Vereinigten Staaten Güter und Dienstleistungen im Wert von 200 Milliarden US-Dollar (US$) zusätzlich abzunehmen. Als Basis wurde 2017 vereinbart. Darunter sollen 75 Milliarden US$ auf Industrie-, 50 Milliarden US$ auf Energie- und 40 Milliarden US$ auf Agrargüter sowie 35 Milliarden bis 40 Milliarden US$ auf Dienstleistungen entfallen. Sollten diese Volumen auch nur annähernd erreicht werden, hätten Anbieter entsprechender Kategorien aus anderen Ländern das Nachsehen.
Mit anderen Worten: Die Marktöffnung zugunsten der USA bedeutet eine deutlich verschärfte Wettbewerbssituation für andere Marktteilnehmer. Im Gegenzug ließen die Vereinigten Staaten ihre Pläne fallen, neue Zölle in Höhe von 160 Milliarden US$ für in China hergestellte Konsumgüter wie Laptops, Smartphones und Kleidung zu erheben. Außerdem halbierten sie die im September 2019 auferlegten Zölle für weitere 120 Milliarden US$ auf 7,5 Prozent.
Hinsichtlich der Importverpflichtungen Chinas interessieren die EU – und damit auch Deutschland – vor allem Produkte wie Schweinefleisch, Flugzeuge (Boeing versus Airbus) sowie Kraftfahrzeuge und Maschinen. Die Zusage, mehr landwirtschaftliche Produkte aus den USA einzuführen, impliziert des Weiteren die Anerkennung von US-Zertifikaten. Dies bringt einen erheblichen Vorteil beim Marktzugang mit sich und erleichtert spürbar bislang sehr langwierige Prüf- und Zulassungsverfahren für amerikanische Unternehmen.