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Special | Russland | Handelspolitik

Russlands Handelspolitik forciert einseitigen Protektionismus

Die Regierung schottet den Markt gegen Importe weiter ab, pocht zugleich jedoch auf die Einhaltung von WTO-Regeln. Die Eurasische Wirtschaftsunion treibt die Integration voran.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Moskau

Das Ministerkabinett will bis Anfang August 2021 die Pläne zur Importsubstitution in einzelnen Industriezweigen aktualisieren, erklärte Ministerpräsident Michail Mischustin Ende Mai 2021. Kurz zuvor hatte der Regierungschef bei seinem Treffen mit dem UN-Generalsekretär Antonio Guterres betont, dass Maßnahmen gegen einseitigen Protektionismus ergriffen werden sollten. Im Fokus verschärfter Lokalisierungsanforderungen steht die Produktion von Telekommunikationsausrüstung, Software, Schienenfahrzeugen, Schiffen und Medizintechnik.

Industrieminister Denis Manturow kündigte im April 2021 die Schaffung einer Kommission zur Importsubstitution auf Ebene der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) an. Damit soll eine Dopplung lokalisierter Fertigungsprozesse in den einzelnen Mitgliedsstaaten vermieden werden. Diese Maßnahme dürfte jedoch den Wettbewerb einschränken und zur Ausbildung von Monopolstrukturen führen. Die Kommission soll darüber hinaus Quoten für die zollfreie Einfuhr von Waren festlegen.

Entsorgungsabgabe benachteiligt Importeure

Geplant ist eine Anhebung der Entsorgungsabgabe für motorisierte Land- und Baumaschinen sowie Kfz auf etwa das Vierfache des aktuellen Niveaus. Sowohl einheimische Unternehmen als auch Importeure müssen die Abgabe entrichten. Lokale Hersteller bekommen jedoch die Kosten abhängig vom Lokalisierungsgrad als Industriesubventionen in ähnlicher Höhe wieder erstattet. Importeure sehen sich dagegen mit höheren Kosten konfrontiert und verlieren Marktanteile.

Die betroffenen Branchenverbände kritisieren die Maßnahme als schädlich für das Vertrauen in den Wirtschaftsstandort und das Investitionsklima. Der Gesellschaftliche Rat des Landwirtschaftsministeriums bewertet die Entsorgungsabgabe sogar als nichttarifäres Handelshemmnis, das den Wettbewerb einschränkt und bestimmte Hersteller bevorzugt.

Vorbehalte gegen CO2-Grenzsteuer der EU

Russlands politische Elite blickt mit Sorge auf die geplante Einführung des Carbon Border Adjustment Mechanism (CO2-Grenzsteuer) der Europäischen Union (EU) und sieht darin eine Bedrohung für die heimische Wirtschaft. Finanzminister Anton Siluanow warnte, dass die Entwicklung einer „grünen“ Wirtschaft in Europa nicht mit der Schaffung wettbewerbswidriger Bedingungen einhergehen sollte. Der stellvertretende Vorsitzende des Sicherheitsrates, Dmitri Medwedew bezeichnete die CO2-Grenzsteuer als versteckten Protektionismus. Umweltminister Alexander Koslow rechnet damit, dass die Steuer russische Exporteure von Produkten mit einem hohen CO2-Fußabdruck wie Metalle, Zement oder Düngemittel mehr als 3 Milliarden Euro pro Jahr kosten wird. Die Steuer verringert zudem langfristig die Nachfrage nach fossilen Energieträgern, Russlands wichtigstem Exportgut.

Die Regierung reagiert auf diese Herausforderung zweigleisig. Ein Gesetz zur Begrenzung der Treibhausgasemissionen und eine „Strategie zur kohlenstoffarmen Entwicklung“ befinden sich in der Entwurfsphase. Darüber hinaus soll ein Monitoring des Treibhausgasausstoßes eingeführt werden. Parallel dazu bringt das Wirtschaftsministerium zur Abmilderung der Auswirkungen der CO2-Grenzsteuer auf russische Unternehmen die Welthandelsorganisation (WTO) ins Spiel, deren Mitglied Russland seit 2012 ist. Russlands Politik der Importsubstitution und der Einführung nichttarifärer Handelshemmnisse steht dabei selbst im Widerspruch zu den Regeln und Grundsätzen der WTO.

Regierung greift Exporteuren unter die Arme

Die Regierung fördert die landesweit etwa 7.000 exportierenden Unternehmen, um die Ausfuhren von Nicht-Rohstoffen bis 2024 auf 250 Milliarden US-Dollar (US$) zu erhöhen. Nichtrohstoffe machten im Jahr 2020 mit 161,3 Milliarden US$ rund die Hälfte der gesamten Exporte aus. Gefragt sind vor allem landwirtschaftliche Produkte und Edelmetalle. Im Fokus stehen vor allem die Wachstumsmärkte Südostasiens und Afrikas. Trotz politischer Verwerfungen bleibt auch die Europäische Union ein wichtiger Handelspartner. Russland erwirtschaftete mit den EU-Mitgliedsstaaten 2020 rund ein Drittel seines Außenhandelsumsatzes. Auf China entfielen bei steigender Tendenz bereits 20 Prozent.

Russland setzt beim Außenhandel auf die Abkopplung vom US-Dollar. Im 4. Quartal 2020 betrug der Dollar-Anteil am russischen Export erstmals weniger als 50 Prozent. Damit sollen Sanktionsrisiken minimiert werden. Besonders im Handel mit dem wichtigsten Partner China setzt Russland verstärkt auf den Euro und nationale Währungen.

Das Russische Exportzentrum (REZ) unterstützt Exporteure bei der Patentanmeldung oder Zertifizierung sowie bei Messeteilnahmen. Ab 2021 werden auch After-Sales-Dienstleistungen sowie Rückkaufgarantien gefördert.

Eurasische Wirtschaftsunion will internationale Bedeutung steigern

Die Eurasische Wirtschaftsunion (EAWU) möchte mit der „Strategie zur Entwicklung der EAWU bis 2025“ die Integration ihrer Mitgliedsstaaten vertiefen. Beim EAWU-Gipfel Ende April 2021 verständigten sich die Regierungschefs von Russland, Kasachstan, Belarus, Kirgisistan und Armenien auf die Harmonisierung der Exportregulierung und den weiteren Abbau von Handelsbarrieren.

In der Praxis verhängten EAWU-Mitgliedsstaaten untereinander jedoch auch Handelsblockaden gegeneinander. Ende April 2021 hatte Russland einseitig die Importregeln für Waren aus Kasachstan verschärft. Im Jahr 2020 untersagte die Aufsichtsbehörde Rosselchosnadsor die Einfuhr von Obst und Gemüse aus Kasachstan und begründete dies mit Verunreinigungen.

Mit der Entwicklungsstrategie bis 2025 sollen auch weitere Länder für eine Mitgliedschaft gewonnen werden. Neben Moldau, Usbekistan und Kuba, die einen Beobachterstatus inne haben, waren auf dem EAWU-Gipfel erstmals  Tadschikistan und Turkmenistan als Gäste vertreten. Zudem beginnen 2021 die Verhandlungen mit dem Iran zur Schaffung einer Freihandelszone. Auch mit Ägypten, Indien, Indonesien und der Mongolei sollen weitere Gespräche über einen freien Handel geführt werden.

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