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Wirtschaftsumfeld | Äthiopien | Devisenrecht

Unternehmen kämpfen um Devisen

Eines der größten Probleme im Geschäft mit Äthiopien scheint sich zuzuspitzen. Trotzdem können jetzt manche Produkte leichter importiert werden.

Von Ulrich Binkert | Bonn

„Auf diese Weise machen sie hier die Branche kaputt." Der Geschäftsführer eines großen äthiopischen Bekleidungsexporteurs klingt am Telefon verzweifelt. Von ihren Exporteinnahmen erhalte seine Firma gerade mal ein Fünftel in Form von US-Dollar. Der Rest sei in die Landeswährung Birr umzutauschen. Um daraus wieder Dollar zu bekommen, sei inzwischen eine Gebühr von 11,5 Prozent fällig, nachdem dies bis vor ein paar Monaten sehr viel weniger gekostet habe.

Bekleidungsexporteur klagt

Die Devisen braucht der Bekleidungshersteller für sein Geschäft, er importiert damit die Stoffe. Ebenso wie die anderen Bekleidungsexporteure in den großen Industrieparks Äthiopiens die meisten Vorprodukte im Ausland kaufen, weil einheimische Lieferanten die erforderlichen Qualitäten nicht schaffen.

Überprüfbar sind seine Aussagen aus der Ferne nicht, sie sind mit Blick auf die aktuell gültigen Devisenbestimmungen Äthiopiens aber zumindest denkbar: Nach einem Erlass der Zentralbank (FX/70/2021) vom 9. März 2021 kann ein Exporteur lediglich 31,5 Prozent seiner Einnahmen als Devisen behalten. Weitere 38,5 Prozent erhält er in der Landeswährung - und dies nach „Abzug“ mit „Übergabepflicht“ der verbleibenden 30 Prozent.

In der Realität können Firmen prinzipiell ihre gesamten Exporterlöse wieder in Devisen umtauschen, heißt es bei Bankern in Addis Abeba. Also auch die „abgezogenen“ 30 Prozent. Wie genau dies erfolgt und zu welchem Preis, „darüber verhandeln die Exporteure nun mit ihren Geschäftsbanken“, sagt ein äthiopischer Berater. Das Ergebnis hänge auch davon ab, wie knapp an Devisen die Bank gerade sei. Und natürlich am Standing des Kunden und dessen Bedeutung für die Bank. Dabei gibt es für einen Umtausch offenbar auch einen Devisen-Schwarzmarkt. Den hätten die Behörden in letzter Zeit aber ausgetrocknet, sagt ein Wirtschaftsvertreter in Addis Abeba.

Vereinfachter Import von Nahrungsmitteln

Der Import bestimmter Güter nach Äthiopien ist zuletzt trotzdem einfacher geworden – für diejenigen, die über Devisen und eine entsprechende Einfuhrlizenz verfügen, sagt Zelalem Temesgen. Der Berater von Victory Consult in Addis Abeba verweist dafür auf Franco Valuta: Die Regierung dehnte die Anwendung dieses Schemas nach einer Ankündigung vom April 2021 aus, um den Nachfrageüberhang bei dringend benötigten Gütern zu dämpfen und die hohe Inflation von über 20 Prozent zu drücken. Demnach können Arzneimittel sowie Speiseöl, Milchpulver und bestimmte andere Nahrungsmittel importiert werden, ohne dafür ein Akkreditiv eröffnen zu müssen. Dieses Privileg beschränkte sich Presseberichten zufolge bislang üblicherweise auf die Einfuhr von Fabrikausrüstungen. Im 1. Quartal 2021 erfolgten 30 Prozent aller äthiopischen Importe per Franco Valuta.

Der chronische Devisenmangel Äthiopiens hat sich zuletzt weiter verschärft. Schnelle Abhilfe ist nicht in Sicht, auch wenn mittelfristig große Hoffnungen auf hohen Stromexporten ruhen – wenn einmal die Turbinen am umstrittenen Grand Ethiopian Renaissance-Staudamm (GERD) am Blauen Nil laufen. Zusätzliche Devisen muss die Regierung nun für den Konflikt in der Nordregion Tigray und dessen Folgen aufwenden. Die Ausgaben dafür bezifferte Ministerpräsident Abiy Ahmed nach Presseberichten von Ende Juni auf umgerechnet 2,2 Milliarden US-Dollar (US$). Dabei erreichen die gesamten Staatsausgaben nur rund 18 Milliarden US$, so Daten der Zentralbank für das Fiskaljahr 2019/2020.

Geber halten Zahlungen zurück

Außerdem sind internationale Geber, die für Äthiopien wichtig sind, zunehmend vorsichtiger, angesichts der umstrittenen Rolle von Äthiopiens Zentralregierung in Tigray. Der Internationale Währungsfonds hat die zweite Auszahlung seines laufenden, 2,9 Milliarden US$ schweren Programms für Äthiopien ausgesetzt. Dabei geht es um gut 400 Millionen US$, die nach Einschätzung von Beobachtern nun statt im Juli erst im September ausgezahlt werden – eventuell. Offizieller Grund der Verschiebung ist, dass Äthiopien keine klaren Hinweise zur geforderten Restrukturierung seiner Schulden namentlich bei China gegeben habe. Vermutet werden aber auch politische Erwägungen wegen der Konflikte.

Die USA kündigten im April 152 Millionen US$ humanitäre Hilfe für Tigray an, haben andere Unterstützung aber teils ausgesetzt. Zu den Gründen dafür gehört auch GERD. Wegen Äthiopiens Staudamm-Streit mit Ägypten überwiesen die USA 270 Millionen US$ weniger nach Addis Abeba, so US-Regierungsaussagen Ende Februar in der Presse.

Die Weltbank unterstützt Äthiopien weiterhin bei bestimmten Sektorprogrammen und auch bei der humanitären Entwicklung. Diese Mittel waren zuvor aber laut Diplomaten teils als Budgethilfe eingeplant, sie sind demnach jetzt gebunden und stehen der äthiopischen Regierung nicht mehr direkt zur Verfügung. Die Europäische Union hat die Überweisung ihrer Budgethilfe dem Vernehmen nach verschoben. Grund war offenbar auch die mehrmalige Verschiebung der erst jetzt abgehaltenen Parlamentswahlen, in deren zeitlichen Umfeld so eine Auszahlung ohnehin nicht als opportun gelte.

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