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Special | ASEAN | Seidenstraße

China investiert in Infrastruktur und die digitale Zukunft

Südostasien erhält die meisten chinesischen Investitionen weltweit. Dabei geht der Trend von großen Infrastrukturprojekten zu Technologietransfer und digitalen Lösungen.

Von Marcus Hernig | Bonn

Am 21. Mai 2021 fand im südwestchinesischen Chongqing die West China International Fair for Investment and Trade statt. Europas und Amerikas Börsenriesen waren geladen, doch ihre Plätze blieben angesichts massiver Kritik gegenüber Chinas Politik in Xinjiang leer. Stattdessen kamen die Südostasiaten: Regierungsvertreter aus Singapur, Laos und Vietnam waren zugegen. Sogar japanische Firmen wollten sich dieses Forum nicht entgehen lassen. Der Trend wurde deutlich: Asiaten sind zunehmend unter sich.

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Der Verband zehn südostasiatischer Staaten (ASEAN) entwickelt sich zur wichtigsten Region chinesischer Direktinvestitionen weltweit. Der FDI-Bestand betrug nach GTAI-Berechnungen (Grundlage: China Statistical Bulletin 2019) circa 110 Milliarden US-Dollar (US$). Dagegen stehen nur circa 75 Milliarden US$ chinesischer Direktinvestitionen in den EU-Staaten, Großbritannien noch eingeschlossen.

Allerdings sind einzelne Staaten des ASEAN sehr von chinesischen Krediten abhängig. Besonders betroffen ist Laos, wo der Anteil der Kreditschulden nach Berechnung von GTAI fast ein Drittel des Bruttoinlandsproduktes (BIP) beträgt, Tendenz steigend. In Laos, Myanmar und Kambodscha macht der China-Anteil über 25 Prozent aller gewährten Kredite aus.

Verkehr: Chinas Süden vernetzt sich mit ASEAN

Der Bedarf an physischer Konnektivität innerhalb Südostasiens ist massiv. Infrastruktur und Digitalisierung sind im Master Plan for ASEAN Connectivity 2025 vorrangige Themen.

Im Bereich Verkehrsinfrastruktur ist die Greater Mekong Subregion mit Vietnam, Kambodscha, Thailand und Myanmar und den beiden chinesischen Provinzen Guangxi und Yunnan von großem Interesse für China. Nicht nur Investitionen in Häfen der vier ASEAN-Staaten, sondern der Ausbau der chinesischen Provinz Guangxi zu einem zentralen Hub zwischen Europa und Südostasien sind wichtige Bausteine der maritimen Seidenstraße.

Das Prestigeprojekt ist der Singapore-Kunming-Rail Link (SKRL), eine 6.617,5 Kilometer lange Hochgeschwindigkeitstrasse zwischen Südchina und Singapur. Das Projekt ist Teil der neuen Seidenstraße, China der Hauptinvestor. In Laos und Singapur wurden erste Abschnitte bereits gebaut. In Malaysia stockte das Projekt und wurde zum 31. Dezember 2020 im Abschnitt zwischen Kuala Lumpur und Singapur aufgehoben. Beteiligungen an lokalen Schlüsselprojekten im Eisenbahn- und Straßenbau sowie bei urbanen Transportsystemen kommen hinzu.

Energie: Schwerpunktsektor wird schwarz-grün ausgebaut

Energie war bereits vor Verkündung der neuen Seidenstraße 2013 ein Schwerpunkt chinesisch-südostasiatischer Zusammenarbeit. Das bleibt unverändert bestehen: Im 1. Halbjahr 2021 lagen 55 von 196 aller von GTAI recherchierten neuen BRI-Projekte Chinas in ASEAN. Wachstumsregionen mit relativ hoher Bevölkerung wie Vietnam benötigen mehr und mehr Energie. Zehn von 19 großen chinesischen Infrastrukturprojekten gehören zum Bereich Energie. Kohlekraftwerke, zudem mit regionalen Rohstoffreserven befeuert, werden mit chinesischer Expertise vorangetrieben.

Getreu der alten Devise „eine Sache teilt man in zwei“, betreibt das Reich der Mitte zusätzlich zur Kohleenergietechnik den Ausbau grüner Technologien mit besonderem Akzent auf Fotovoltaik und Windkraft. Ein Vorteil für China: Niemand hinterfragt hier per Lieferkettengesetz die Herkunft des verbauten Siliziums.

Digitales: Neue Infrastrukturen liegen im Trend

GTAI-Recherchen zur Konnektivität zwischen China und einzelnen ASEAN-Staaten zeigen eindeutig: Die Zeichen stehen in den letzten Jahren auf „digital“. Chinas Internetgiganten Baidu, Alibaba, Tencent und Huawei sind Trendsetter für Infrastrukturinvestitionen der Zukunft. Nachdem Chinas Ministerium für Industrie und Informationstechnologie im Mai 2021 verkündete, dass China im Rahmen seiner Strategie zur digitalen Seidenstraße über 70 Prozent aller 5G-Basisstationen der Welt verfügt, wird deutlich, wie wichtig entsprechende Investitionen in Indonesien oder in Thailand sind. 

Wie in Malaysia zeigt sich auch in anderen Ländern Südostasiens der neue Trend in der Belt and Road-Entwicklung nach dem Zweiten BRI-Gipfel in Beijing vom April 2019: Mehr Technologietransfer und die Bereitstellung entsprechender Infrastruktur statt großer, oft umstrittener Verkehrs- und Energieprojekte. Lebendige Start-up-Szenen, eine bedeutsame Elektronikindustrie, ein enormer Bedarf bei der Schulung qualifizierter Fachleute und nicht zuletzt eine stark ausgeprägte Leidenschaft für E-Sports und Gaming wie auf den Philippinen machen Südostasiens Markt für Informationstechnologien zu einem der wichtigsten der Welt.

Industrieparks: Chinesische Firmen produzieren in ASEAN

Von den rund 155 Industrieparks, die China bis Ende 2019 erbaut hat, liegen 32,2 Prozent in Süd-und Südostasien. Indonesien führt mit elf Projekten vor Kambodscha und Vietnam mit acht beziehungsweise sieben Parks die südostasiatische Rangliste an. Sehr häufig dienen diese Industrieparks chinesischen Firmen, die zunehmend in den ASEAN-Staaten produzieren lassen. Im Vordergrund stehen dabei elektronische Produkte und Textilien.

Chinas Rolle in Südostasien ist umstritten

Chinas Aktivitäten werden in Südostasien kontrovers wahrgenommen. Während Laos und Kambodscha als enge Verbündete Chinas gelten, pflegt Vietnam, der alte Kriegsgegner von 1979, enge wirtschaftliche Verbindungen mit Chinas Rivalen Japan. Singapur, zu 76 Prozent ethnisch Chinesisch, hat eine Ausnahmestellung für die China-Südostasien-Verbindungen.

Wichtig ist, welches strategische Konzept chinesische Investoren bei Infrastrukturentwicklungen verfolgen. Oft fehlt ihnen die Fähigkeit, die einheimische Bevölkerung mit in ihre Projekte einzubinden. Das Bild des ungeliebten Kreditgebers, der bei politischen Entscheidungen autoritärer Regierungen begünstigt wird, ist gerade in Myanmar verbreitet. Manch ein Beobachter der Region argwöhnt, dass China bewusst eine Spaltung von ASEAN betreibt, nicht nur durch seine Operationen im südchinesischen Meer.

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