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Branchen | Aserbaidschan | Wasserwirtschaft

Wasserwirtschaft winkt mit breitem Projektportfolio

Ein neues Aktionsprogramm für die Wasser-, Abwasser- und Bewässerungswirtschaft soll dem akuten Investitionsstau in der Branche und den Auswirkungen des Klimawandels begegnen. 

Von Uwe Strohbach | Baku

Die Regierungsinitiativen versprechen eine weitgefächerte Projektpalette. Diese reicht von der Sanierung und dem Neubau von Trinkwasserleitungen über die Abwasserbehandlung bis hin zur Modernisierung und zum Bau von Wasserspeichern und Bewässerungsnetzen.

Inbegriffen sind auch wassersparende Technologien für moderne Kühlsysteme in den Wärmekraftwerken und Pilotprojekte zur Nutzung von Niederschlägen für die Melioration und als Brauch- und Trinkwasser. 

  • Klimawandel forciert Wasser- und Bewässerungsprojekte

    Aserbaidschan wappnet sich gegen die Auswirkungen des Klimawandels mit einem Aktionspaket für die rationelle Wassernutzung. Es bietet viel Liefer- und Kooperationspotenzial.

    Aserbaidschan muss in den nächsten Jahren gleich zwei große Probleme bei der Wasserversorgung bewältigen: Zum einen besteht erheblicher Nachholbedarf bei der Wasserversorgung. Dringende Aufgabe ist es, Trink- und Brauchwasser sowie Wasser für die landwirtschaftliche Melioration ausreichend und in guter Qualität zur Verfügung zu stellen. Auch in der Abwasserwirtschaft herrscht hoher Investitionsdruck.

    Zum anderen ist das Land im Südkaukasus zunehmend gezwungen, Wasser rationeller zu nutzen. Dazu drängen ein sinkendes natürliches Wasserangebot, zunehmende Niederschlagsdefizite und längere Trockenzeiten. Wassermangel und Klimawandel führen zu Ernteausfällen und Verlusten in der Viehhaltung.

    Kurs auf ressourcenschonende und klimaadaptierte Wasserwirtschaft

    Die Regierung hat ein neues Aktionsprogramm für die Wasser-, Abwasser- und Bewässerungswirtschaft auf den Weg gebracht. Der Druck durch Wirtschaft und Bevölkerung auf die zentralen Entscheider ist größer geworden, die angestauten Defizite wirkungsvoll und beschleunigt anzugehen. Dringend notwendig sind forcierte Investitionen in die wasserwirtschaftliche Infrastruktur.

    Seit April 2020 erarbeitet eine Regierungskommission unter Leitung des Vizepremiers Schahin Mustafayev zentrale Brancheninitiativen und koordiniert prioritäre Wasser-, Abwasser- und Bewässerungsprojekte. Ihr gehören Vertreter aus vier Ministerien (Umwelt und natürliche Ressorcen, Wirtschaft, Landwirtschaft und Finanzen), den drei staatlichen Unternehmen für Bewässerung, Trinkwasserversorgung und Stromerzeugung sowie aus der Staatlichen Agentur für Wasserressourcen an. Die Eckpunkte der langfristigen nationalen Strategie für die rationelle Nutzung der Wasserressourcen dürften bis Ende 2021 stehen. 

    Ausgewählte Daten der Wasserwirtschaft Aserbaidschans (in Millionen Kubikmeter)

    2000

    2010

    2015

    2019

    2020

    Potenzielles Wasserdargebot

    36.693

    42.445

    30.511

    29.000

    28.000

      Inländische Ressourcen

    9.247

    10.640

    7.985

    k.A.

    k.A.

      Zufluss aus dem Ausland (Grenzflüsse)

    27.446

    31.805

    22.526

    k.A.

    k.A.

    Wasserentnahme aus natürlichen Wasserressourcen

    11.110

    11.566

    12.285

    13.227

    12.961

      pro Einwohner (in cbm)

    1.397

    1.295

    1.289

    1.335

    1.300

    Wasserverbrauch, insgesamt

    6.588

    7.715

    8.567

    9.472

    9.693

      Bewässerung/Landwirtschaft (inklusive Forstwirtschaft)

    3.819

    5.497

    6.057

    7.038

    7.252

      Industrie und andere Wirtschaftssektoren (vorwiegend
      Stromwirtschaft) 

    2.316

    1.742

    2.117

    2.070

    2.073

       Trinkwasser

    82

    54

    46

    42

    45

          Stadt Baku

    k.A.

    37

    31

    18

    16

          Regionen Abscheron und Chizi

    k.A.

    3

    5

    13

    18

       Haushalte (Trink- und  Nutzwasser)

    449

    405

    323

    312

    319

    Menge des recycelten und nachfolgend genutzten Wassers

    1.875

    1.787

    2.441

    2.358

    2.243 *)

      Anteil am Gesamtwasserverbrauch für industrielle Zwecke (in %)

    45

    51

    54

    53

    52

    Wasserverluste (durch Lecks oder Verdunstung) beim Transport zwischen einem Entnahmeort und einem Nutzungsort

    3.053

    3.851

    3.718

    3.755

    3.268

    Anteil der Verluste an der Wasserentnahme (bereitgestellte Wassermenge; in %)

    27,5

    33,3

    30,3

    28,3

    25,2

    Abwassereinleitung

    4.106

    6.005

    5.575

    4.863

    4.759

      darunter unbehandeltes Abwasser

    171

    164

    305

    218

    228

    *) fast auschließlich vier Städte Mingetschewir, Baki, Schirwan und SumgaitQuelle: Statistikkomitee Aserbaidschans (nach Angaben der Gesellschaft für Melioration und Wasserwirtschaft)

    Die aktuell und künftig geplanten Schritte bündelte die Regierung Mitte 2020 in einem Aktionspaket für die Jahre bis 2022/2023. Im Dezember 2020  erweiterte sie es um Projekte in den von Armenien zurückeroberten Gebieten (Wirtschaftsregionen Karabach und Ost-Sangesur).

    Vorgesehen sind Projekte für das Wassermanagement und Investitionen in die Modernisierung und den Ausbau der Wasser-, Abwasser- und Bewässerungsinfrastruktur. Sie sind zugleich ein Baustein der mittel- und langfristigen Pläne der beiden staatlichen Branchenplayer Azersu (Trinkwasserversorgung/Abwasserentsorgung) und MST (Talsperren, Bewässerung und Brunnenbau). 

    Mehr Infrastrukturprojekte und besseres Ressourcenmanagement angepeilt

    Das Spektrum der Infrastrukturprojekte ist weitgefächert. Es reicht von der Sanierung und dem Neubau von Trinkwassernetzen über die komplexe Abwasserbehandlung einschließlich Abwasserrecycling bis hin zur Modernisierung und zum Bau von Wasserspeichern (Talsperren) und Bewässerungsnetzen. Es umfasst auch die Beschaffung und Installation von wassersparenden Technologien für die Modernisierung der Kühlsysteme in den Wärmekraftwerken. Angedacht sind auch Pilotprojekte zum Sammeln und Nutzen von Niederschlagswasser für die Bewässerung und als Brauch- und Trinkwasser.

    Ausschreibungen für die Beschaffung von Ausrüstungen und den Neubau von Wasserobjekten einschließlich Wasserleitungen- und Bewässerungsnetze veröffentlichen die staatlichen Unternehmen für Bewässerung und Trinkwasserversorgung auf einem Portal.

    Zu den Vorhaben im Sektor Wassermanagement zählen:

    • eine Neubewertung der Wasserressourcen,
    • die Einführung eines elektronischen Wassermanagement-Informations- und Kontrollsystems und dessen Integration in die Online-Portale für den Agrarsektor (EAIS) und für bürgernahe Dienste ASAN,
    • die Erarbeitung von Bewirtschaftungsplänen für Flussgebiete und grenzüberschreitende Flüsse und
    • der Ausbau des Gewässer- und Wassergütermonitorings in Anlehnung an die Qualitätsstandards der EU-Wasserentnahmerichtlinie.

    Bisherige Branchenprogramme verfehlten Ziele

    Aserbaidschan verabschiedete bereits verschiedene Initiativen für die Wasserwirtschaft - mit mangelndem Erfolg. So sah das Nationale Programm für die nachhaltige sozioökonomische Entwicklung aus dem Jahr 2003 vor, dass bis 2020 jeder Einwohner in der Hauptstadtregion Zugang zu sauberem Wasser hat. Davon ist das Land noch ein gutes Stück entfernt.

    Geplante Projekte haben sich verzögert, wurden nur teilweise oder auch gar nicht umgesetzt. Die Gründe sind mangelndes Projektmanagement und alte Strukturen bei den zentralen staatlichen Akteuren. Eine weitere wesentliche Ursache sind die seit 2015 spärlicher ins Land fließenden Petrodollar als Grundlage für die Projektfinanzierung.

    Kehrtwende zu einer rationellen Wassernutzung ist Gebot der Stunde

    Die jährlich erneuerbaren Frischwasserressorcen in Aserbaidschan sind in den letzten 20 Jahren um geschätzt etwa ein Fünftel gesunken. Sie weisen zudem deutlich wachsende Schwankungen auf. Die Bevölkerung hingegen ist um rund 25 Prozent angewachsen. Auch die Klimawandelmodelle verheißen wenig Gutes für Aserbaidschan.

    Hydrologen prognostizieren Wasserknappheit

    Laut dem  Internationalen Institut für Wassermanagement (IWMI) dürfte die Kaukasusrepublik im Jahr 2025 voraussichtlich zu den 13 Ländern mit den geringsten gesicherten Wasserressorcen pro Einwohner gehören.

    Das Welt-Ressourcen-Institut (WIR) kam zum Ergebnis, dass Aserbaidschan im Jahr 2040 bei einem ungebremsten Klimawandel unter allen 33 Ländern mit einem extremen Missverhältnis zwischen Wasserverbrauch und verfügbaren Wasserressourcen Rang 18 belegen könnte. Der ermittelte Indexwert von 4,69 von 5,0 (extrem hoher Wasserstress) ist sogar höher als der für Kasachstan, Usbekistan und Turkmenistan.

    Dies ist allerdings weniger den knappen Wasserressourcen, sondern vor allem den enormen Wasserverlusten in maroden Leitungs- und Bewässerungsnetzen geschuldet.


    Aserbaidschanische Wasserwirtschaft leidet unter Investitionsstau

    Die Bruttonlageinvestitionen in die Erzeugung und Verteilung von Trink- und Brauchwasser betrugen in den Jahren 2016 bis 2020 im Schnitt bescheidene 242 Millionen US-Dollar (US$) pro Jahr. In die Abwasserwirtschaft sind etwa 110 Millionen US$ geflossen. Aus dem Staatshaushalt kamen in jenem Zeitraum im Schnitt 169 Millionen US$ pro Jahr für Projekte der Gesellschaft für Melioration und Wasserwirtschaft Azmelsuteserrüfat (Bewässerung, Brunnenbau, Talsperren).

    Die nahe Zukunft wird zeigen, wie ernst es der Regierung ist mit der Schaffung besserer organisatorischer, rechtlicher und institutioneller Rahmenbedingen. Gradmesser werden auch forcierte Investitionen sein. Es wird sich herausstellen, ob staatliche Akteure mehr Geld in die Branche stecken und es ihnen besser gelingt, ausländisches Kapital (Geberfinanzierungen) für Projekte zu akquirieren.

    Von Uwe Strohbach | Baku

  • Kapitalbedarf bei Wasser und Abwasser gut 8 Milliarden US-Dollar

    Die Sicherung einer flächendeckenden und umweltfreundlichen Trinkwasserver- und und Abwasserentsorgung in  Aserbaidschan erfordert forcierte Investitionen, Expertise und Reformen.

    Die Kaukasusrepublik Aserbaidschan muss in den kommenden Jahren noch viel in die Bereitstellung von sauberem Trinkwasser und eine umweltfreundliche Abwasserwirtschaft investieren. In den vergangenen knapp zwei Jahrzehnten wurden schon viele Projekte umgesetzt. Sie reichen aber für eine flächendeckend optimierte Wasserversorgung nicht aus. Noch gravierender sind die verbliebenen Probleme bei der Abwasserentsorgung.

    Kapitalbedarf summiert sich auf mehrere Milliarden US-Dollar

    Der Kapitalbedarf für die Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung im Zeitraum bis 2035 beträgt verschiedenen Schätzungen zufolge mindestens 8 Milliarden US-Dollar. Von den Ausbauplänen des zentralen Wasserversorgers Azersu können auch ausländische Unternehmen profitieren.

    Allein der Stadtentwicklungsplan für die Hauptstadtregion Baku sieht perspektivisch den Bau von vier größeren lokalen Abwasseranlagen vor. Der tägliche Trinkwasserverbrauch auf der Abscheron-Halbinsel, einschließlich der Landesmetropole Baku, wird bis 2040 voraussichtlich um mehr als zwei Fünftel gegenüber dem heutigen Niveau anwachsen. Dann werden etwa 1,8 Millionen Kubikmeter Trinkwasser benötigt.

    Eine Auswahl der geplanten wasserwirtschaftlichen Projekte des staatlichen Wasserversorgers Azersu  im Zeitraum 2022/2023 bietet die nachfolgende Übersicht.

    Ausgewählte aktuelle wasserwirtschaftliche Projekte im Kompetenzbereich von Azersu
    • Erstellung von Machbarkeitsstudien und Projektierung von drei großen Ausbau- und Modernisierungsprojekten für eine bessere Wasserversorgung der Hauptstadtregion Baku (zweite Fernwasserleitung Baku, dritte Schollar-Fernwasserleitung und Fernwasserleitung Oguz-Gabala-Baku)
    • Ableitung von Grundwasser aus dem Gebiet der Metro Baku in das Abwassernetz und dessen weitere Nutzung
    • Machbarkeitsstudie und Konzepte für produktivere Wasserleitungen
    • Sicherung der Trinkwasserversorgung in einer Reihe kleiner Städte und in ländlichen Regionen
    • Wiederinbetriebnahme und/oder Modernisierung der Trinkwasserversorgung in Städten und Gemeinden in den Ende 2020 zurückeroberten Gebieten in Karabach einschließlich des Baus einer Fernwasserleitung (ab der Talsperre Qız Qalası)
    • Modernisierung und deutlicher Ausbau des Netzes modularer Wasserreinigungsanlagen am Fluss Kura (langfristiges Ausbauprogramm)

     

    Kenndaten der Gesellschaft für Trinkwasserver- und Abwasserentsorgung Azersu

    Kenndaten 

    Größe 

    Wasserfernleitungsnetz (in Kilometer, 1.1.2021)

    20.000

    Abwasser- und Regenwasserkanäle (in Kilometer, 1.1.2021 )

    5.000

    Kunden (in Mio., 1.4.2021 )

    1,63

      Bevölkerung (in Mio.)

    1,57

      Andere Verbraucher (in Tausend)

    62,8

    Beschäftigte

    13.600

    Abwasser- und Regenwasserkanäle (in Kilometer, 1.1.2021 )

    5.000

    Kunden (in Mio., 1.4.2021 )

    1,63

      Bevölkerung (in Mio.)

    1,57

      Andere Verbraucher (in Tausend)

    62,8

    Beschäftigte

    13.600

    Quelle: Azersu ASC (Azersu AG)

    Enormer Investitionstau

    Ursache für die gravierenden Probleme bei der Trinkwasserversorgung sind immens ausgebliebene Investitionen in die gesamte Wasserbranche. Diese schließen auch fehlende Wasserzähler vor allem in den Regionen ein.  

    Hinzu kommt, dass viele Ausbauprojekte, darunter auch geberfinanzierte, nicht den gewünschten Effekt brachten. Marktkenner nennen als Gründe eine mangelhafte Vorbereitung und Umsetzung von Projekten, unzureichend eingesetzte moderne Technologien und schlecht vorbereitete Bedarfsanalysen. Zudem verschärfen geringe Wasserstände in Flüssen und Speichern (Talsperren) die ohnehin angespannte Wasserversorgung in einigen Landesteilen weiter. 

    Noch gravierender als bei Trinkwasser ist allerdings der Nachholbedarf bei Abwasser. Nach Angaben der japanischen Agentur für internationale Zusammenarbeit /JICA) sind etwa 70 Prozent der Einwohner der Abscheron-Halbinsel (Hauptstadt Baku und Umland) nicht an die zentrale Kanalisation angeschlossen. Hier lebt etwa ein Drittel der Bevölkerung. In vielen kleineren aserbaidschanischen Städten und auf dem Lande fehlen Kanalisationssysteme gänzlich. 

    Entwicklung der Bruttoanlageninvestitionen in die Wasserver- und Abwasserentsorgung  (in Millionen US-Dollar)

    Sektor

    2016

    2017

    2018

    2019

    2020 *)

    Erzeugung und Verteilung von Wasser

    282

    283

    304

    260

    83

    Abwasserentsorgung

    72

    101

    142

    111

    123

    *) vorläufige Angaben  Quelle: Statistikkomitee Aserbaidschans

    Offizielle Statistiken verzerren die Realität

    Seit 2004 setzt die aserbaidschanische Regierung mittelfristige Programme für die sozioökonomische Entwicklung der Regionen um. Der Ausbau der Trinkwasserversorgung zählt dabei zu den zentralen Elementen der Fünfjahrespläne.

    Aserbaidschans offizielle Zahlen zu Trinkwasserprojekten können sich sehen lassen: Landesweit sind heute 69,9 Prozent der rund 10 Millionen Einwohner mit öffentlichem Trinkwasser versorgt (Stand: 1. Januar 2020). Im Jahr 2004 waren es nur rund 40 Prozent. In  81,5 Prozent der hauptstädtischen Haushalte fließt stabil Trinkwasser aus der Leitung. Das war im Jahr 2004 nur etwa 29 Prozent vergönnt. In den Regionen außerhalb der Landesmetropole Baku ist der Versorgungsgrad von nur rund 9,0 Prozent auf 63,6 Prozent gestiegen - soweit die amtliche Statistik.

    Trinkwasserversorgung in Baku und besonders in den Regionen nicht gesichert

    Die offiziellen Erfolgsmeldungen des staatlichen Wasserversorgers Azersu sind jedoch erheblich überzeichnet. Obwohl viele Haushalte an das zentrale Trinkwassernetz angeschlossen sind, bleibt auch dort mitunter der Hahn trocken. Auch kann das entnommene Wasser häufig nur als Brauchwasser genutzt werden. In vielen Hauptstadtbezirken und in den umliegenden Siedlungen hält der Ausbau der öffentlichen Wasserversorgung und Abwasserwirtschaft nicht Schritt mit dem Bau neuer mehretagiger Wohnblocks und Einfamilienhäuser.  

    Illegal betriebene Pumpen und nicht genehmigte Anschlüsse an Fernwasserleitungen sind in Aserbaidschan keine Seltenheit. Im Gegenteil, mit solchen Zubringerleitungen behelfen sich die Aserbaidschaner in mit Trinkwasser unterversorgten Gemeinden. Sie werden als Ersatz für das öffentliche Trinkwassernetz genutzt. Im ländlichen Raum liefern häufig nur private Anlagen zur Eigenversorgung, beispielsweise Brunnen, das nötige Trinkwasser. 

    Entwicklung der durchschnittlichen täglichen zentralen Wasserbereitstellung für die Bevölkerung (in Liter pro Einwohner)

    2015

    2019

    2020 *)

    Wasserbereitststellung, insgesamt 

    63,0

    61,9

    66,9

      Städte

    107,1

    109,9

    119,0

      Ländliche Regionen

    13,1

    6,9

    8,1

    *) vorläufige Angaben Quelle: Statistikkomitee Aserbaidschans




    Von Uwe Strohbach | Baku

  • Aserbaidschan investiert in Wasserspeicher und Kanäle

    Neue Entwicklungs- und Aktionspläne für eine sichere Wasserversorgung und effiziente Bewässerung bieten ein großes Projektportfolio.

    Aserbaidschan muss dringend mehr in die Bereitstellung von Wasser für die Privathaushalte und für die Bewässerung investieren. Für einen Schub sorgen soll das Entwicklungsprogramm des staatlichen Monopolunternehmens für Melioration und Wasserwirtschaft Azmelsuteserrüfat.

    Ein Prioritätenplan für weniger Wasserverluste und eine effektive Nutzung von Bewässerungswasser konkretisiert Modernisierungs- und Ausbauprojekte. Beide Dokumente umfassen zwei Zeitabschnitte, eine mittelfristige Perspektive bis 2025 und den Horizont bis 2030.

    Die Projektliste umfasst neue Wasserspeicher mit einem Bruttofassungsvermögen von insgesamt 1 Milliarde Kubikmeter Wasser und die Modernisierung von Talsperren und Bewässerungskanälen. Im Fokus stehen auch eine sparsame Bewässerung, die Wiederverwendung von Bewässerungswasser und die Nutzung erneuerbarer Energien.  

    Intensiver zusammenarbeiten will Aserbaidschan mit seinen Nachbarn Georgien, Iran und Russland bei der wasserwirtschaftlichen Nutzung von Grenzflüssen und -gewässern. Erstmals nach vielen Jahren stehen auch mit Armenien diesbezüglich Gespräche an. Aktuell gibt es nur für knapp 22 Prozent der grenzüberschreitenden Wassereinzugsgebiete Aserbaidschans Vereinbarungen zur Wasserkooperation.   

    Pegel in den Talsperren sollen wieder steigen   

    Aserbaidschan muss in den kommenden Jahren mehrere Wasserspeicher (Stauseen und Talsperren) sanieren. Die Wasservorräte mit einer Gesamtkapazität von 20,5 Milliarden Kubikmeter sind in den letzten fünf Jahren stetig geschrumpft. Ursachen sind der Klimawandel, unterlassene Investitionen in die Instandsetzung und in Reparaturen sowie Wasserverluste.

    Die Wasserreserven betrugen Anfang 2021 nur noch 10,6 Milliarden Kubikmeter gegenüber 16,5 Milliarden Kubikmeter zu Beginn des Jahres 2016. Der kritische Füllstand liegt bei 8,8 Milliarden Kubikmeter. Die Bewässerungswirtschaft leidet stark unter der geringen Füllmenge. Sie soll mittelfristig wieder das Niveau von 2016 erreichen.

    Anfang 2020 gab es in Aserbaidschan 153 Wasserspeicher. Davon verfügten 61 über ein Fassungsvermögen von jeweils mehr als 1 Millionen Kubikmeter. Die größten Stauseen sind Mingetschewir (16 Milliarden Kubikmeter), Schamkir (2,6 Millionen Kubikmeter) und Araz (1,3 Milliarden Kubikmeter).   

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    Abdichtung der Bewässerungskanäle  zentral

    In den meisten Bewässerungskanälen geht gut die Hälfte des Wassers durch Verdunstung und Versickerung verloren. Es gibt nur etwa 6.000 Kilometer Rohrleitungen, 5.900 Kilometer betonverkleidete Kanäle und 1.500 Kilometer Kastenrinnen.

    Einfache Erdkanäle machen hingegen hohe 73 Prozent der insgesamt 52.000 Kilometer Haupt- und Sekundärwasserkanäle aus. Deren Anteil soll künftig deutlich sinken. Dabei setzen die Planer auf moderne Rohrsysteme und im Ausland erprobte wasserundurchlässige Kanalbettabdichtungen (Auskleidungen).

    Der desolaten oder gänzlich fehlenden zentralen Wasserversorgung in vielen Landesteilen begegnet die Regierung mit der Bereitstellung öffentlicher Gelder für den Bau subartesischer Brunnen. Davon betrieb die staatliche Gesellschaft für Bewässerung und Wasserwirtschaft zu Jahresbeginn 2020 rund 8.100. In den letzten vier Jahren finanzierte der Staat jährlich etwa 300 bis 400 neue Brunnen.

    Agrarsektor verbraucht das meiste Wasser 

    Die Landwirtschaft verursacht als größter Wassernutzer zugleich die meisten Wasserverluste. Die jährliche Wasserentnahme für den Bedarf des Agrarsektors und der technischen Wasserbereitstellung beziffert die Gesellschaft Azmelsuteserrüfat auf rund 10 Milliarden Kubikmeter. Davon werden 7 Milliarden Kubikmeter ineffizient genutzt. 3 Milliarden Kubikmeter versickern auf dem Weg zu den Feldern.

    In Aserbaidschan werden gegenwärtig etwa 1,3 Millionen bis 1,4 Millionen Hektar Böden für den Anbau von Getreide, Futterkulturen, Rohbaumwolle, Melonen und anderen Kulturen bewässert. Mit einem Anteil von nahezu 90 Prozent dominiert die Oberflächenbewässerung.  

    Entwicklung des Wasserbrauchs für die Bewässerung nach Wirtschaftsregionen (in Millionen Kubikmeter)

    2010

    2015

    2019

    2020

    Aserbaidschan, insgesamt 

    5.496,6

    6.056,8

    7.038,3

    7.251,6

      Karabach

    1.178,6

    1.435,5

    1.587,0

    1.636,9

      Zentral-Aran

    995,4

    1.032,9

    1.171,1

    1.191,5

      Mil-Mugan

    941,8

    987,7

    1.092,3

    1.111,2

      Schirwan-Salyan

    546,6

    600,9

    731,1

    752,5

      Quazakh-Tovuz

    371,7

    501,4

    532,1

    638,1

      Ganja-Daschkesan

    346,6

    442,3

    595,6

    603,0

      Andere Regionen

    1.159,9

    1.056,1

    1.329,1

    1.318,4

    Quelle: Statistikkomitee Aserbaidschans  

    Mangelnde Finanzierung erschwert Projektumsetzung

    Für zentrale Investitionsprogramme stellte die Regierung 2019 und 2020 im Schnitt rund 220 Millionen US-Dollar (US$) pro Jahr bereit, gegenüber 132 Millionen US$ in den beiden Vorjahren. Der Kapitalbedarf ist jedoch ungleich größer. Die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) hat Aserbaidschan ein neues Darlehen über etwa 100 Millionen US$ für die Bewässerung von 23.230 Hektar Böden in der Autonomen Republik Nachitschewan in Aussicht gestellt. Eine endgültige Entscheidung steht allerdings schon seit längerem aus.

    Anfang April 2021 besetzte Präsident Alijew den Posten des Vorsitzenden der Gesellschaft für Melioration und Wasserwirtschaft mit Zaur Mikayilov neu. Die Zukunft wird zeigen, ob er die Gesellschaft zu einem effektiven und transparenten Unternehmen umkrempeln kann. Mikayilov war bisher in Leitungsfunktionen beim Mobilfunkbetreiber Bakcell, Bauunternehmen Pasha Construction und bei der Supermarktkette Bravo tätig.

    Künftig sollen regionale Betreiber von Wasserentnahmebauwerken, Dämmen, Hauptkanälen und Bewässerungsanlagen verstärkt überprüft werden. So will man erheblichen Mängeln bei der Nutzung öffentlicher und ausländischer Gelder für die Projektfinanzierung entgegnen und technische Probleme in den wasserwirtschaftlichen Anlagen schneller beseitigen.

    Projekte im Kompetenzbereich von Azmelsuteserrüfat

    Bau und/oder Sanierung von 20 Hauptbewässerungs- und Zubringerkanälen für die Bewässerung von etwa 300.000 Hektar Böden (Auswahl)

    Projekt

    Jahr der Inbetriebnahme

    Länge in Kilometern

    Baş-Muğan

    1960

    34

     

    Aşağı Muğan

    1960

    66

    Boztəpə 

    1924

    45

    Xanarx 

    2007

    67

    Köhnə Cənubi Muğan 

    1960

    65

    Köhnə Xanqızı 

    1933

    65

    Qızılarx 

    1960

    26

    Qızlıq 

    1952

    41

    Rəsul-arx

    1987

    51

    Türyançay sağ sahil 

    1956

    27

    Yeni Cənubi Muğan

    1985

    46

    Yeni Cənubi Muğan

    1985

    46

    Yuxarı Zeyxur 

    1938

    35


    Weitere Projekte zur Sicherung der Wasserbereitstellung und Bewässerung
    • Projektierung und Bau von zehn neuen Wasserspeichern für die Wasseraufnahme aus Bergflüssen (Speicher Alicançay, Qudiyalçay, Velveleçay, Qaraçay, Qusarçay, Agsuçay, Türyançay, Yengiceçay, Vileşçay und Zeyemçay)
    • Modernisierung des Wasserentnahmebauwerks Bahramtepe und des Drainagesammelbeckens Mil-Karabach
    • Rekonstruktion der Hauptaufnahmeanlage des oberen Karabachkanals im Mingetschewir-Stausee
    • Bau eines neuen Bewässerungskanals von der Talssperre Qız Qalası zu Ackerflächen in der Wirtschaftsregion Karabach
    • Projektierung und Bau von jährlich einigen hundert subartesischen Brunnen einschließlich der Erarbeitung eines einheitlichen Planungs- und Baukonzeptes (Brunnen sowohl für den Bedarf der Bewässerung als auch der Trinkwasserversorgung)
    • Modernisierung der Talsperre Suqovuşan (Sugowuschan) für die Bewässerung von 96.000 Hektar Ackerland:
      1. Phase: Wiederinbetriebnahme/Reparatur; 2021
      2. Phase: Modernisierung des Kanals am linken Ufer des Flusses Terter; 22 Kilometer; 2022
      3. Phase: Modernisierung des Kanals am rechten Ufer des Flusses Terter; 70 Kilometer; zurzeit Projektierung

    Von Uwe Strohbach | Baku

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