Sie sind ein ausländisches Unternehmen, das in Deutschland investieren möchte?

Wirtschaftsausblick | Bosnien und Herzegowina

Bosnien und Herzegowina erwartet moderates Wachstum

Die Wirtschaft in Bosnien und Herzegowina verliert etwas an Dynamik, wächst aber weiter. Dafür sorgen der private Konsum und Investitionen – auch aus Deutschland.

Von Martin Gaber | Belgrad

Wirtschaftsentwicklung: Nachfragerückgang drückt die Prognosen

Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Bosnien und Herzegowinas wird im Jahr 2023 real um knapp 2 Prozent zulegen, so die Juni-Prognose der Erste Bank Group Research. Auch die nationale Direktion für Wirtschaftsplanung (DEP) prognostiziert ein Plus von 2 Prozent. Etwas pessimistischer ist der Ausblick des Wiener Instituts für internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw), das mit einer Zunahme um 1,5 Prozent rechnet. An die Dynamik aus den Vorjahren kann die Wirtschaft damit nicht anknüpfen. Ab dem Jahr 2024 dürfte das Wachstum mit einem realen Plus zwischen 2 und 3 Prozent etwas anziehen.

Mit der Aufhebung der Coronamaßnahmen im Sommer 2021 war die Konjunktur wieder angelaufen, maßgeblich getragen von Privatkonsum, Investitionen und Exporten. Das BIP-Wachstum hatte dabei in den Jahren 2021 und 2022 die Erwartungen deutlich übertroffen. Nun scheint der Gipfel zunächst erreicht. Die Exporte verfehlen die hohen Vorjahreswerte, der Konsum gibt etwas nach und der Industrie fehlt die Nachfrage. Die Industrieproduktion lag im 1. Halbjahr 2023 mehr als 4 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum, so die Zahlen der Statistikbehörde. Selbst die sonst starke Metallverarbeitung, eigentlich Wachstumsgarant, lag im Minus.

Bosnien und Herzegowina schwankt zwischen EU-Beitritt und politischen Krisen

Im Dezember 2022 hat der Europäische Rat zugestimmt, dass Bosnien und Herzegowina den Status als Beitrittskandidat erhält. Und das, obwohl nicht alle dafür benötigten Reformen umgesetzt wurden. Diese sind laut EU jedoch Voraussetzung für die Aufnahme von Verhandlungen. Das schürt die Hoffnung auf ernste Reformen in dem Balkanstaat.  

Doch das wird nicht einfach. Es schwellt weiterhin ein latenter politischer Konflikt. Die Republika Srpska, eine der beiden Entitäten, droht seit Jahren mit der Abspaltung vom Gesamtstaat. Ihr Regionalparlament hat im Sommer 2023 Gesetze verabschiedet, die den Gesamtstaat umgehen sollten. Nur durch das Einschreiten des Hohen Repräsentanten Christian Schmidt konnte das verhindert werden. Für die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen sind das keine guten Signale.

Bild vergrößern

Wirtschaftliche Eckdaten Bosnien und Herzegowinas

Indikator

2021

2022 *

Vergleichsdaten Deutschland 2022 *

BIP (nominal, Mrd. Euro)

20,0

23,3

3.870

BIP pro Kopf (Euro)

5.796

6.781

46.182

Bevölkerung (Mio.)

3,5

3,4

83,4

Wechselkurs (Jahresdurchschnitt, 1 Euro = 1,9558 Konvertible Mark)

1,9558

1,9558

* vorläufig.Quelle: Statistikagentur Bosnien und Herzegowina 2023; Statistisches Bundesamt 2023

Investitionen: Zuflüsse mit deutlichem Plus

Die ausländischen Direktinvestitionen (FDI) sind auf Erholungskurs. Im Jahr 2022 lagen die Zuflüsse bei rund 1,2 Milliarden Konvertiblen Mark (BAM; rund 614 Millionen Euro). Das ist der höchste Stand seit dem Jahr 2008 und ein Plus von über 16 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, so Zahlen der Zentralbank. Der Wert der Zuflüsse entsprach 2022 etwa 2,7 Prozent der Wirtschaftskraft. Die DEP geht jedoch davon aus, dass dieses Niveau in den kommenden Jahren nicht gehalten werden kann und sich die FDI bei einem Anteil am BIP von knapp unter 2 Prozent einpendeln werden.

Auch deutsche Unternehmen setzen Impulse: So hat der Discounter Lidl bereits Grundstücke in Bosnien und Herzegowina erworben und plant mittelfristig den Markteinstieg. Zudem treibt der Windparkentwickler wpd sein Vorhaben im Bereich erneuerbare Energien voran. Das Bremer Unternehmen plant insgesamt rund 1,5 Milliarden Euro für Windenergieanlagen aufzubringen.

Die Unternehmen im Land investieren ebenfalls. So dürften die Bruttoanlageinvestitionen in den kommenden beiden Jahren real um rund 4 Prozent pro Jahr zulegen, so das wiiw.

Ausgewählte Großprojekte in Bosnien und Herzegowina

Projektbezeichnung

Investitionssumme (Mio. Euro) 

Projektstand

Projektträger 

Modernisierung des Eisenbahnnetzes in der Föderation Bosnien und Herzegowina

1.200

Finanzierung wird mit EBRD verhandelt

Željeznice Federacije Bosne i Hercegovine

Bau der Korridor-Vc-Teilstrecke Ovčari-Mostar Jug mit Tunnel Prenj

930

Projektdokumentation in Vorbereitung, Finanzierung wird mit EBRD, EIB, WBIF verhandelt

JP Autoceste FBiH

Bau von Solarparks auf ehemaligen Tagebauflächen

500

Partnerschaft EP BiH mit Gemeinden, Teilfinanzierung EBRD-Darlehen, Bauvorbereitungen

Elektroprivreda BiH

Bau eines 500 MW Solarparks in der Gemeinde Nevesinje

450

Projektvorbereitungen abgeschlossen, Konzession erteilt

ETMax Banja Luka

Gemeinde Nevesinje

Bau einer 72 MW Windfarm in Poklečani

198

In Vorbereitung, EIB-Darlehen beantragt

JP Elektroprivreda HZ HB dd Mostar

Bau eines neuen medizinischen Campus als F&E-Zentrum der Universitätsklinik in Banja Luka

127

Finanzierung EIB-Darlehen und WBIF-Förderung, Federführend EIB

Ministarstvo zdravlja i socijalne zaštite Republike Srpske

Bau der südlichen Gasverbindung nach Kroatien

120

EBRD, WBIF-Finanzierung in Verhandlung

BH Gas

Bau des Windparks Vlašić bei Travnik

92

Finanzierung über Kredit der EIB, KfW und EP BiH, Eigenmittel gesichert, Bauvorbereitungen

JP Elektroprivreda BiH

Modernisierung des Wasserversorgungs- und Abwasserentsorgungssystems der Republika Srpska

62

In Vorbereitung, Teilfinanzierung und Überwachung durch Weltbank

Ministarstvo poljoprivrede, šumarstva i vodoprivrede RS

Minenräumung entlang des rechten Ufers der Save (EU-Connectivity Agenda for the Western Balkans)

39

Finanzierung und Federführung Weltbank, Ausschreibungen in Vorbereitung

Ministarstvo komunikacija i prometa Bosne i Hercegovine

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest 2023; Pressemeldungen 2023

Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten finden sich unter www.gtai.de/bosnien-und-herzegowina, "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte".

Konsum: Kauflaune trotzt Inflation

Der Konsum hat sich zu einer wichtigen Säule des Wirtschaftswachstums in Bosnien und Herzegowina entwickelt. Auch wenn die deutlichen Impulse etwas zurückgehen, legt der Privatverbrauch weiter zu und wird bis 2025 pro Jahr real um 1 bis 2 Prozent wachsen, so das wiiw. Dämpfend wirken vor allem die steigenden Verbraucherpreise. Im 1. Halbjahr 2023 lagen diese laut Statistikbehörde 9,3 Prozent über dem Vorjahreszeitraum. Allerdings stabilisieren sich die Preise zunehmend und die Steigerungsraten werden in den kommenden Jahren wieder in den unteren einstelligen Bereich fallen.

Den hohen Preisen stehen anziehende Löhne und Rücküberweisungen aus dem Ausland gegenüber. Die Löhne sind in den ersten fünf Monaten des Jahres 2023 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum um nominal rund 15 Prozent gestiegen. Real ist das noch ein Plus von 5 Prozent. Der durchschnittliche Bruttomonatslohn liegt derzeit bei 1.967 BAM, rund 1.006 Euro. Gestützt werden die Gehälter von Rücküberweisungen aus dem Ausland. 

Zudem wird der Konsum durch den wachsenden Tourismus angekurbelt. Die Zahl der ankommenden Gäste übertraf zwischen Januar und Mai 2023 erstmals wieder das Vor-Corona-Niveau.

Außenhandel: Exporte können nicht an das Vorjahr anknüpfen

Bosnien und Herzegowinas Außenhandel hatte in den Jahren 2021 und 2022 einen Boom erlebt und Wachstumsraten jenseits von 30 Prozent verzeichnet. Mit diesen Werten konnte das 1. Halbjahr 2023 nicht mithalten: Die Exporte sanken laut Statistikbehörde 4,5 Prozent unter den Vorjahreswert. Die Importe lagen ungefähr auf Vorjahresniveau. Grund für diese Entwicklung ist vor allem der Nachfragerückgang in der EU. Dort kämpfen wichtige Handelspartner mit einer abflauenden Konjunktur. Bosnien und Herzegowina exportiert fast 75 Prozent seiner Waren in die EU. Deutschland ist dabei wichtigster Handelspartner mit einem Außenhandelsvolumen von 2,9 Milliarden Euro im Jahr 2022.

Die DEP rechnet für 2023 und die kommenden Jahre mit einem Import- und Exportplus im mittleren einstelligen Bereich. Die aktuellen Entwicklungen können diese Prognose allerdings nicht bestätigen. 

In einigen Bereichen wie der Metallverarbeitung bleibt das Land aber als Beschaffungsalternative zur Ukraine oder Russland eine spannende Option

Warenaußenhandel Bosnien und Herzegowinas (in Millionen Euro; Veränderung in Prozent)

2021

2022

Veränderung 2022/2021

Importe

11.042

14.642

32,6

Exporte

7.297

9.190

25,9

Quelle: Statistikagentur Bosnien und Herzegowina 2023

nach oben
Feedback

Anmeldung

Bitte melden Sie sich auf dieser Seite mit Ihren Zugangsdaten an. Sollten Sie noch kein Benutzerkonto haben, so gelangen Sie über den Button "Neuen Account erstellen" zur kostenlosen Registrierung.