Wirtschaftsumfeld | Japan | FDI
Ausländische Investoren nehmen Japan ins Visier
Unabhängig von der Pandemie bleiben Japans Unternehmen auf der Suche nach Investitionschancen. Umgekehrt sehen private Beteiligungsgesellschaften in Japan gute Gelegenheiten.
08.04.2021
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japan steht seit mehreren Jahren als Quelle von ausländischen Direktinvestitionen (FDI - Foreign Direct Investment) an der Weltspitze. Zwar hat die Covid-19-Pandemie die Investitionsaktivitäten 2020 insgesamt gebremst, dennoch blieben japanische Unternehmen international sehr aktiv. Sie dürften dafür gesorgt haben, dass das Land international bei der FDI-Vergabe weiter vorne mitspielt.
Laut UNCTAD Investment Trends Monitor, der im Januar 2021 veröffentlicht wurde, sind die weltweiten FDI-Ströme im Jahr 2020 signifikant zurückgegangen und liegen etwa 42 Prozent unter denen des Jahres 2019. Dies entspricht auch in etwa der Schrumpfungsrate der japanischen Direktinvestitionen im Ausland, die nach vorläufigen Zahlen der Japan External Trade Organization (JETRO) 2020 immerhin noch bei 175 Milliarden US-Dollar (US$) lagen.
Japan verzeichnet FDI-Rekordzufluss
Umgekehrt gehörte Japan jedoch zu den wenigen hochindustrialisierten Ländern, in denen der Zufluss an ausländischen Direktinvestitionen stieg. Die von der JETRO veröffentlichten Angaben auf Basis der Zahlungsbilanz zeigen für den Archipel 2020 einen FDI-Zustrom in Höhe von 68,3 Milliarden US$ gegenüber 36,3 Milliarden US$ im Jahr zuvor. Damit verzeichnete das Land das vierte Jahr in Folge einen deutlich steigenden Zustrom. Gegenüber den 2017 verbuchten 18,8 Milliarden US$ haben sich die ausländischen Direktinvestitionen mehr als verdreifacht.
Dabei waren es in erster Linie zwei Länder, die 2020 als Hauptquellen der FDI in Japan dienten: die USA und Großbritannien. Im Falle der USA ist dies nicht überraschend, tritt das Land doch seit vielen Jahren als größter Direktinvestor in Japan in Erscheinung. Die FDI aus den USA lagen 2020 bei 21,1 Milliarden US$. Einen veritablen Sprung machten die FDI aus Großbritannien, die 2020 im Land für einen Zufluss von 30,6 Milliarden US$ sorgten. Dieser Betrag war höher als die Gesamtsumme von britischen FDI nach Japan der vorangegangenen 15 Jahre.
Japans wichtigste Ursprungsländer von FDI (in Milliarden US$)
Land | 2019 | 2020 |
---|---|---|
Vereinigtes Königreich | 2,8 | 30,6 |
USA | 17,6 | 21,1 |
Schweiz | 1,3 | 6,6 |
Singapur | 1,5 | 5,1 |
EU | 3,2 | 3,2 |
Deutschland | 0,2 | 0,8 |
Welt | 36,3 | 68,3 |
Mega-Deals werden schwieriger
Allerdings sind diese Zahlen noch vorläufig. Denn einer der größten Deals, der Verkauf der ARM Limited, einer britischen Tochtergesellschaft der Softbank Group, an den US-Chipkonzern Nvidia ist noch nicht abgeschlossen. Wie bei allen internationalen, milliardenschweren Unternehmensfusionen und -übernahmen (M&A - Mergers & Acquisition) müssen Regulierungsbehörden verschiedener Länder ihre Zustimmung geben, um monopolartige Entwicklungen zu verhindern.
Im Falle des japanischen Halbleiter-Ausrüstungsherstellers Kokusai Electric, den der US-Branchenkonkurrent Applied Materials kaufen wollte, hatte die chinesische Regulierungsbehörde ihre Entscheidung so lange hinausgezögert, dass die Käuferseite das Interesse verlor. Bei dem Halbleiter-Deal zwischen Softbank und Nvidia könnte eine solche Entwicklung ebenfalls zu beobachten sein. Zudem haben einige Chip-Konkurrenten Einwände gegen den Kauf durch Nvidia vorgebracht.
USA bleiben Investitionsmagnet
Daher sind die oben genannten FDI-Angaben noch mit großer Unsicherheit behaftet. Sicher ist, dass die Anzahl wie auch der Wert der aus Japan getätigten grenzüberschreitenden Unternehmensfusionen und -übernahmen 2020 gesunken ist. Diese machen den Großteil von Japans Direktinvestitionen im Ausland aus, so Informationen der Beratungsgesellschaften Recof und Refinitiv. Greenfield Investitionen, wie der Aufbau neuer Produktionsstätten, waren hingegen kaum zu verzeichnen.
Laut JETRO-Angaben ist der Wert der M&A-Transaktionen japanischer Unternehmen in vielen Regionen im Jahr 2020 gegenüber dem Vorjahr relativ stabil geblieben, so etwa mit den USA als Hauptzielland. Jedoch brachen Japans wertmäßige FDI-Aktivitäten in der EU um fast zwei Drittel ein. Mit Deutschland lagen sie um rund 80 Prozent unter dem Niveau von 2019.
Japans Zielländer für FDI (in Milliarden US$)
Land | 2019 | 2020 |
---|---|---|
USA | 49,4 | 48,4 |
Luxemburg | 2,4 | 23,4 |
Schweiz | 37,6 | 21,4 |
Australien | 10,4 | 16,1 |
EU | 75,6 | 25,5 |
Deutschland | 12,7 | 2,4 |
Welt | 251,6 | 175,3 |
FDI-Aktivitäten sollen 2021 anziehen
Sobald Geschäftsreisen mit Abflauen der Corona-Pandemie wieder ungehindert möglich sind, wird auch Japans Investitionstätigkeit im Ausland zulegen. Da viele japanische Unternehmen ihre Lieferketten neu organisieren und sich gegen zukünftige Krisen resilienter aufstellen wollen, dürften unter anderem die EU und ASEAN wieder an Aufmerksamkeit gewinnen, wenn auch mit anderen branchenmäßigen Schwerpunkten.
Auf jeden Fall werden die Themen Digitalisierung und High-Tech bei Japans Firmen eine zentrale Rolle spielen. Beispielsweise hat Hitachi im Frühjahr 2021 angekündigt, den US-Softwareentwickler GlobalLogic für 9,6 Milliarden US$ übernehmen zu wollen. Fast zeitgleich hat auch Panasonic bekannt gegeben, das Unternehmen Blue Yonder für 6,5 Milliarden US$ aufzukaufen. Das US-Unternehmen ist auf das Lieferkettenmanagement spezialisiert. Panasonic hatte sich bereits 2020 mit einem Anteil von 20 Prozent hier eingekauft.
Ausländische Investitionen könnten in Japan weiter zulegen
Umgekehrt wird auch Japan selbst wieder im Fokus großer M&A-Deals stehen, denn die Reorganisation von Geschäftsaktivitäten im Land wird durch die Auswirkungen der Corona-Pandemie an Fahrt gewinnen. Einige ausländische private Beteiligungsfirmen haben in Tokyo Büros eröffnet und schauen sich nach aussichtsreichen Zielen um.
Offensichtlich sehen diese im ergänzten Foreign Exchange and Foreign Trade Act, der seit Mai 2020 in Kraft ist, kein Hindernis. In dem Gesetz wird die Schwelle, ab der ausländische Investoren den Anteilserwerb eines japanischen Unternehmens in bestimmten Branchen von der Regierung vorab genehmigen lassen müssen, von 10 Prozent auf 1 Prozent gesenkt. Immer mehr Länder haben in den letzten Jahren Kontrollmechanismen eingeführt oder bestehende erhöht, um negative Einflüsse ausländischer Investitionen auf die nationale Sicherheit und die öffentliche Ordnung zu unterbinden.