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Die Wirtschaftsleistung Japans hängt stark von der Konsumfreudigkeit der privaten Haushalte ab. Corona und seine Folgen trüben das Verbrauchervertrauen jedoch deutlich.
21.01.2021
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Für Japan ist die Erholung des Konsumklimas ein wichtiger Treiber, um die Wirtschaft aus dem Konjunkturtal zu führen. Jedoch ist damit kurzfristig nicht zu rechnen. Vielmehr führen die dritte im Dezember 2020 angelaufene Infektionswelle und die dagegen getroffenen Eindämmungsmaßnahmen dazu, dass die Konsumenten weitgehend zu Hause bleiben und für schlechte Zeiten sparen.
Laut Einschätzung der Bank of Japan und von Prognoseinstituten, wie dem NLI Research Institute, wird sich das Bruttoinlandsprodukt daher mittelfristig nur mäßig erholen. Die Zentralbank beschrieb Mitte Januar 2021 die Situation der japanischen Wirtschaft als weiterhin „severe“ und erwartet, dass das Tempo der Erholung im Jahr 2021 nur moderat anzieht.
Aufgrund der im Januar 2021 erlassenen, vorerst auf rund einen Monat angesetzten Notstandsmaßnahmen in elf Präfekturen Japans gehen verschiedene Forschungsinstitute davon aus, dass das Bruttoinlandsprodukt in den ersten drei Monaten 2021 um real mehr als 1 Prozent schrumpft. Seit Dezember 2020 ist insbesondere der private Konsum - und dabei vor allem der Bereich Dienstleistungen - deutlich eingebrochen. Das ergaben Auswertungen von Kreditkartenzahlungen in Japan von Nowcast und JCB.
Der private Verbrauch in Japan macht im langjährigen Durchschnitt nach Angaben des Datenanalysts CEIC Data 54,5 Prozent des nominalen Bruttoinlandsprodukts aus. Daher schlägt sich ein Konsumrückgang hier schnell nieder. Laut Einschätzung von zehn Wirtschaftsanalysten wird der zweite Soft-Lockdown Anfang 2021 einen Konsumausfall von 530 Milliarden Yen bis 2.500 Milliarden Yen (circa 5 Milliarden bis 24,3 Milliarden US-Dollar) nach sich ziehen, berichtet die "Nikkei Keizai Shimbun" am 7. Januar 2021.
Darüber hinaus führen eine steigende Arbeitslosenrate und erwartete Lohneinbußen (weniger Überstunden und geringere Bonuszahlungen) zu einer sinkenden Konsumneigung. Das Verbrauchervertrauen fiel laut Statistik des Economic and Social Research Institute saisonbereinigt im April 2020 mit 21,3 Zählerpunkten auf den tiefsten Stand seit Jahrzehnten, tiefer noch als während der Finanzkrise 2009. Es hat sich bis November 2020 auf 33,8 Zähler erholt, bleibt jedoch noch weit vom Vorkrisenniveau entfernt.
Aufgrund des zweiten Soft-Lockdowns wird das Abstandhalten (social distancing) den Lebensstil vieler Konsumenten zumindest im 1. Quartal 2021 weiter bestimmen. Zudem ist mit dem Beginn einer breit angelegten Impfung erst im 2. Quartal zu rechnen. Daher wird der Service-Sektor, insbesondere die Bereiche Gastronomie, Hotels, Reisen und Freizeitaktivitäten, stark unter der Situation leiden.
Besser sieht es bei den Einzelhandelsverkäufen aus, so der Current Survey of Commerce des Ministry of Economy, Trade and Industry (Meti). Der Index brach im Frühjahr 2020 kurzfristig stark ein, zog nach Ende des ersten Lockdowns jedoch schnell wieder an. In absoluten Zahlen verzeichnete der Wareneinzelhandel im 2. Quartal 2020, zur Zeit des ersten Soft-Lockdowns, gegenüber dem Vorjahresquartal einen Rückgang. Dieser konnte im 3. und 4. Quartal 2020 jedoch nahezu wettgemacht werden.
Den größten Einbruch erlitt der Einzelhandel bei Kfz-Verkäufen, Bekleidung und Accessoires. Verkäufe von Informations- und Kommunikationsgeräten, Medizinprodukten und vor allem von Hygieneartikeln florierten hingegen. Nicht überraschend haben Einzelhändler im Bereich des Online-Handels ihren Umsatz stark ausgeweitet.
Hingegen erlebten die wachstumsverwöhnten Convenience-Läden 2020 das erste Verlustjahr seit langer Zeit. Ab März 2020 schrumpften deren Umsätze kontinuierlich wenn auch mit abnehmender Geschwindigkeit, meldet das Meti. Der im Januar 2021 verhängte zweite Soft-Lockdown wird dazu führen, dass diese Negativserie anhält, denn infolge von Telearbeit und einer geringeren Büropräsenz brechen die Einkäufe in Convenience-Läden ein.
Supermärkte sind im Einzelhandel die Gewinner der Corona-Pandemie. Da sie zu keiner Zeit schließen mussten, legten ihre Umsätze 2020 gegenüber 2019 deutlich zu. Weil mehr Verbraucher zu Hause blieben und sich selbst versorgten, machten die Lebensmittelabteilungen gute Geschäfte. Zum Teil galt dies auch für Haushaltswaren des täglichen Gebrauchs sowie für Haushaltselektronik.
Stark gelitten haben die Kaufhäuser, da sie während des ersten Soft-Lockdowns 2020 zeitweise ganz geschlossen hatten und dadurch hohe Umsatzeinbußen erlitten. Hiervon werden sie sich nicht so schnell erholen. Ihre Verkaufszahlen blieben 2020 weit unter den Ergebnissen von 2019 zurück. Der zweite Soft-Lockdown wird, auch wenn die Kaufhäuser mit verkürzter Öffnungszeit geöffnet bleiben, deren Situation nicht vereinfachen.