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Branchenanalyse | Marokko | Bauwirtschaft

Hohe Inflation belastet Marokkos Bausektor

Der verhaltene Aufschwung der Branche im Vorjahr setzte sich 2022 nicht fort. Positive Impulse für 2023 könnten aus dem Infrastrukturbereich kommen.

Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Hochbau: Marktlage und Marktentwicklung

    Marokkos Hochbau bleibt voraussichtlich auch 2023 hinter den Erwartungen zurück. Hohe Preise sorgen für Zurückhaltung bei den Aufträgen. Langfristig wächst jedoch der Bedarf.

    Marokkos Bausektor leidet derzeit unter der bestehenden Konjunkturflaute. Vor allem kleinere Branchenunternehmen litten zuletzt unter den wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie und mussten teilweise ihre Geschäftstätigkeit einstellen. Nun belastet die Kostenexplosion im Zuge des Ukrainekriegs die Branche. Immerhin bezeichnen Branchenvertreter die allgemeine Situation im Jahr 2023 als einigermaßen stabil, wenngleich auch außerordentlich schwierig.

    Unternehmen leiden unter Kostendruck

    Nach einem kurzfristigen Aufschwung im Jahr 2021, der auf den Nachholbedarf in Folge der Coronakrise zurückzuführen war, erfolgte 2022 der weitere Dämpfer. Laut der marokkanischen Investmentbank CDG Capital verloren die an der Börse von Casablanca notierten Bauunternehmen in dem Kalenderjahr knapp 35 Prozent an Wert. Damit schnitt der Sektor besonders schlecht ab: Branchenübergreifend lag das Jahresergebnis an der Börse bei einem Minus von unter 20 Prozent.

    Einer Sektorumfrage des Haut Commissariat au Plan (HCP) zufolge litten im Jahr 2022 mehr als 40 Prozent der marokkanischen Bauunternehmen unter Schwierigkeiten bei der Versorgung mit Baustoffen. Die Kapazitätsauslastung der Branche lag bei etwa zwei Dritteln. Die Erwartungen für das 1. Quartal 2023 sahen zum Jahreswechsel laut der HCP-Umfrage allerdings stabiler aus.

    Auch CDG Capital geht davon aus, dass die wieder stabileren Lieferketten eine Erhöhung der Bauleistungen ermöglicht. Allerdings dämpften, so die Investmentbank, weiterhin vor allem die steigenden Baukosten im Zusammenhang mit der allgemeinen Inflation die Erwartungen der gesamten Branche. Vor allem die Preise für Stahl, Zement, Holz und Kraftstoffe erhöhten sich. Allgemein sind die Realeinkommen in Marokko zurückgegangen. Das dürfte sich auch negativ auf die Nachfrage von zusätzlichem Wohnraum auswirken.

    Staatliche Unterstützung gefordert

    Verschiedene Branchenvertreter, so auch der Branchenverband Fédération Nationale du Bâtiment et Travaux Publics (FNBTP), fordern mit Blick auf den Stellenwert des Bausektors für das Königreich mehr Rückendeckung durch die Regierung. Diese erließ 2022 Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen des öffentlichen Auftragswesens. Sie verlängerte etwa die Fristen für die Vertragsausführung und veränderte die Rückerstattung von Verzugszinsen.

    Laut Direction des Études et des Prévisions Financières (DEPF) ist vor allem die Entwicklung der Zementabsätze als wichtigster Indikator für die Konjunktur im Bausektor besorgniserregend. Die Association Professionelle des Cimentiers (APC) berichtet von Nachfragerückgängen in Höhe von knapp 11 Prozent im Jahr 2022. Im Vorjahr meldete der Branchenverband noch ein Plus von rund 15 Prozent.

    Hoffnungen sind mittel- bis langfristig ausgerichtet

    Längerfristig sind die Prognosen von Analysten zwar nicht euphorisch, aber immerhin rechnen sie mit einer positiven Entwicklung. GlobalData geht davon aus, dass die marokkanische Bauindustrie zwischen 2022 und 2025 durchschnittlichen mit einer Rate von 4,3 Prozent jährlich wachsen wird. Das sei jedoch stark von den Investitionen, insbesondere in die Infrastruktur, abhängig.

    Zunächst wirkt sich jedoch noch die relativ schlechte gesamtwirtschaftliche Lage aus. Der Rückgang der Baugenehmigungen und -beginne werde sich 2023 weiter fortsetzen, befürchtet die Direction de la Promotion Immobilière. Als eine außerordentlich unwillkommene Baukonjunkturbremse könnte sich 2023 die Zinsentwicklung herauskristallisieren. Im März erhöhte die Nationalbank Banque Al-Maghrib ihren Leitzins um 50 Basispunkte auf 3 Prozent. Weitere Steigerungen dürften folgen.

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Hochbau: Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen

    Bislang bleibt das Engagement deutscher Firmen in Marokkos Bauwirtschaft beschränkt. In einzelnen Nischenbereichen könnten sie ihr Potenzial stärker ausloten.

    Die Marktchancen deutscher Unternehmen in Marokkos Hochbausektor bleiben begrenzt. Ohnehin ist der Markt ohne lokalen Partner - sei es ein marokkanisches oder multinationales Unternehmen - nur schwer zugänglich. Dies bedeutet allerdings nicht, dass kein Potenzial für Engagement auf dem Markt besteht. Chancen könnten besonders in Nischen entstehen, in denen Consultants ihren Erfahrungsvorsprung ausspielen können - beispielsweise für Architekten und Ingenieure für Planung, Entwurf und Bauleitung.

    Das gilt vor allem für höhere Preissegmente im Wohnungs- und Tourismusbau. Diese Bereiche wurden nach einer Durststrecke durch die Coronapandemie mittlerweile wieder zum Leben erweckt. Vor allem im Bereich Nachhaltigkeit könnten Chancen identifiziert werden: Hier hat Marokko Nachholbedarf, und deutsche mittelständische Unternehmen verfügen über entsprechendes Know-how.

    Im Gesundheitssektor können bi- und multilaterale Geberorganisationen, die Studien, Bauleistungen oder Ausrüstung ausschreiben, als Initiator für Geschäftsbeziehungen fungieren. Jedoch gilt es auch hier, das passende Segment zu identifizieren. E-Health könnte ein derartiges Geschäftsfeld sein. Hier dürften in den kommenden Jahren nicht nur das Interesse und der Bedarf weiterwachsen. Voraussetzung dafür ist, dass die bislang unzureichende Umsetzung offensiver initiiert wird.

    Die Regierung ist angesichts der kritisierten Gesamtsituation im Gesundheitssektor auf Erfolgsmeldungen angewiesen. Das lokale Gesundheitswesen hat während der Coronapandemie an Erfahrung gewonnen und auch Pluspunkte gesammelt. Durch die wachsende Kooperation zwischen öffentlichem und privaten Sektor entstehen neue Projekte, von denen auch internationale Akteure stärker profitieren könnten.

    Positiv dürfte sich mittel- bis langfristig die stärkere Umsetzung von Regulierungen und Maßnahmen zu Umweltschutz, Energieeffizienz oder auch Sicherheit auf Marktchancen für deutsche Produkte und Dienstleistungen auswirken. Die Stratégie Nationale de l´Efficacité Énergétique 2030 sieht für den Zeitraum 2020 bis 2030 allgemeine Energieeinsparungen von 20 Prozent vor. Im Gebäudebereich hat die Regierung ein Ziel von 14 Prozent ausgerufen, ohne dabei bislang jedoch konkrete Maßnahmen zu konkretisieren.

    In Marokko generell, besonders aber in diesen Nachhaltigkeitsbereichen kann die Verfügbarkeit von Fachkräften problematisch sein. Die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) ist ein Partner der marokkanischen Regierung in der Beschäftigungsförderung und Ausbildung. Hier können sich auch Ansatzpunkte für deutsche Unternehmen bieten. Die deutsche KfW (Kreditanstalt für Wiederaufbau) unterstützt das energieeffiziente Bauen bei öffentlichen Gebäuden.

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Hochbau: Projekte

    Durch den entstandenen Nachholbedarf steigt die Anzahl an Projekten. Die weiter wachsende Bevölkerung und die zunehmende Urbanisierung bieten langfristig Chancen.

    Wohnungsbau setzt durchwachsene Geschwindigkeit fort

    Der Wohnungsbau ist zuletzt ein wenig ins Stocken geraten, wie Statistiken des Ministère de l'Aménagement du Territoire National, de l'Urbanisme, de l'Habitat et de la Politique de la Ville aufzeigen. In den ersten sechs Monaten 2022 wurden rund 111.000 Wohnungen fertiggestellt. Darunter waren 54.000 geförderte Wohnungen. Gleichzeitig wurde der Baubeginn von knapp 98.000 Wohnungen registriert. Das waren fast 14 Prozent weniger als im 1. Halbjahr des Vorjahres. Etwa 80 Prozent der Umsätze des Sektors lassen sich auf staatlich initiierte Projekte zurückführen.

    In den Ballungsgebieten bleibt der Bedarf an neuem Wohnraum weiterhin groß. Laut Recencement Général de la Population et de l´Habitat (RGPH) soll sich die Urbanisierungsquote von 2019 bis zum Jahr 2050 von derzeit rund 66 auf dann 74 Prozent erhöhen. Die Bevölkerung könnte sich nach Prognosen der Vereinten Nationen in dem Zeitraum um knapp ein Fünftel auf 45 Millionen im Jahr 2050 erhöhen.

    Der Plan der öffentlichen Wohnungsbaupolitik sah für den Zeitraum zwischen 2017 und 2021 die Errichtung von 800.000 neuen Einheiten vor. Zur Jahresmitte 2022 war davon Schätzungen zufolge lediglich etwa ein Anteil von 60 Prozent fertiggestellt. Die Bauträger werden beim Bau von geförderten Wohnungen von den meisten Abgaben befreit. Im Rahmen der Städtebauprogramme geht es auch um die Beseitigung der "Bidonvilles", der ärmlichen und bisweilen illegalen Siedlungen.

    Ökostadt Zenata mit Vorbildcharakter

    Für die Zukunft der mittleren und oberen Bevölkerungsschicht steht neben Investitionen im Luxussegment die Entwicklung von nachhaltigem Wohnraum sowie die Entstehung von Smart Cities auf dem ambitionierten Wunschprogramm der Städteplaner. Als Leuchtturmprojekt dafür steht die nördlich von Casablanca entstehende Zenata Eco-cité, in der einmal 300.000 Einwohner leben sollen. Auf der Anlage entsteht auch ein integriertes Gesundheitszentrum, dessen Krankenhaus bald eröffnet werden soll. Ebenso dazu gehören ein internationaler Universitätscampus und ein überregionales Einkaufszentrum, das ebenfalls noch in diesem Jahr eröffnet werden soll. Laut Zenata Development Company, eine Tochtergesellschaft der CDG-Gruppe, war bereits 2022 etwa drei Viertel des Projektvolumens umgesetzt.

    Gewerbliche Bauprojekte trotzen widrigen Rahmenbedingungen

    Im Rahmen ihrer Stratégie Commerce 2021-2025 will das Ministerium für Industrie, Handel, Investitionen und digitale Wirtschaft auch die Entwicklung des Einzelhandels vorantreiben. Zahlreiche Projekte - oft als Kombination aus Wohnungs- und Gewerbebau – sind in Planung. Als Vorbilder gelten beispielsweise die Komplexe Casablanca Marina, Marrakesch Golf City oder das Arribat Center in Rabat. 

    Die im November 2018 begonnenen Arbeiten am künftig höchsten Gebäude Afrikas wurden indes fortgesetzt. Der Bank of Africa - Mohammed VI Tower, ein Hochhaus mit 55 Stockwerken und einer Höhe von 250 Metern, wird im Rahmen eines Planungs- und Bauauftrags von einem Joint Venture des belgischen Bauunternehmers BESIX und des Travaux Généraux de Construction de Casablanca (TGCC) errichtet. Die Fertigstellung ist - ursprünglichen Plänen zufolge - für 2023 anvisiert.

    Industriezonen weiter von Bedeutung

    Auch in den kommenden Jahren sollen weitere Industriezonen entstehen. Der neue Plan für die industrielle Entwicklung ist unter anderem darauf ausgelegt, verstärkt in abgelegenen Gebieten Industrieaktivitäten zu fördern. Auch der Bau von Logistikzentren dürfte daher - und aufgrund der landesweiten Zunahme von E-Commerce -  in Zukunft zunehmen.

    Ein großes Vorhaben, das seit dem Jahr 2016 im Raum steht, ist die Tangier Tech City. In einem, außerhalb von Tanger gelegenen, knapp 2.200 Hektar umfassenden Komplex sollten sich hunderte von chinesischen Unternehmen niederlassen. Der Hightech-Komplex soll unter anderem mit chinesischen Investitionen in Höhe von 1 Milliarde US-Dollar innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren entstehen.

    Ende 2020 wurden Pressemeldungen zufolge neue Vereinbarungen zwischen der China Communications Construction Company (CCCC), der China Road and Bridge Corporation (CRBC), der Tanger Med Special Agency und der Bank of Africa (BMCE) unterzeichnet. Mittlerweile wurde eine Rahmenvereinbarung getroffen und die Fertigstellung für das Jahr 2027 angekündigt.

    Besonders durch die Coronakrise in Mitleidenschaft gezogen waren Projekte im Tourismussektor. Verschiedene Projekte gehen mittlerweile wieder an den Start. Zu beachten ist allerdings, dass bereits vor der Pandemie einzelne Großvorhaben mit Finanzierungsengpässen zu kämpfen hatten.

    Weiter stehen Investitionen in Krankenhäuser an

    Der Gesundheitssektor setzt seine Investitionen größtenteils wie geplant um. Verschiedene größere Krankenhausprojekte sowie auch kleinere private Klinikvorhaben sind in der Entstehungsphase. Der Gesundheitsplan der Regierung ("Plan Santé 2025") sieht für die Erweiterung der Kapazitäten von Universitätskrankenhäusern und Krankenhäusern in den Regionen Investitionen in Höhe von 1,3 Milliarden Euro vor. Der Großteil der Investitionen stammt aus dem Staatshaushalt. Einige der Projekte werden von internationalen Gebern unterstützt.

    Erst langsam nehmen Energieeffizienz und Umweltschutz einen Platz in Marokkos Bauindustrie ein. Allerdings wird dieser Bereich als wichtiges Nischensegment betrachtet. Grundsätzlich besteht bereits seit einigen Jahren ein rechtlicher Rahmen mit Vorgaben, deren Nichteinhaltung jedoch lange nicht sanktioniert wurde und dadurch nur begrenzte Wirkung zeigte. Dabei geht es um die Isolierung, Kühlung und Beheizung von Gebäuden und die Montage solarthermischer Anlagen. Diese Standards gelten für Neubauten, es soll jedoch auch ein Auditsystem für Bestandsbauten entworfen werden.

    Ausgewählte Großprojekte im Wohnungs- und Wirtschaftsbau in Marokko

    Projektbezeichnung

    Investitionssumme (in Mio. US$)

    Projektstand

    Anmerkung

    Mohamed VI Tangiers Tech City / Groupe Haite

    1.000

    Im Bau

    "City Park" umfasst Industrieanlagen und Residenzen; Fertigstellung: Ende 2027

    Porto Agadir/ Amer Group

    816

    Entwurf

    Freizeitpark/ Restaurants/ Hotels; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Assoufid (mixed use) in Marrakesch/ United Real Estate

    500

    Im Bau

    Resort, umfasst ein 5-Sterne-Hotel, Golfplatz, Villen und Wohnungen; geplante Fertigstellung: 2024

    Industriezonen Sahel Lakhyata und Had Soualem 1)

    400

    Vorstudie

    Hauptauftragsvergabe: ab Mitte 2023

    Le Caroussel Projekt/ Imkan

    408

    Im Bau

    Mixed-use Projekt; Fertigstellung: 2026

    Mohammed VI Tower, BMCE, Rabat

    375

    Im Bau

    Höhe von 250 Metern; durchgeführt von Besix und TGCC; geplante Fertigstellung: Ende 2023

    Generalkonsulat USA Casablanca, neuer Compound

    226

    Im Bau

    Fertigstellung Ende 2024 geplant

    Bouznika Industriepark 1)

    200

    Vorstudie

    Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    Convention Centre in Casablanca / Regional Agency for Project Excecution

    200

    Vorstudie

    Hauptauftragsvergabe: 1. Quartal 2024

    Universitätskrankenhaus Agadir / MSP 2)

    190

    Im Bau

    867 Betten; Fertigstellung: 4. Quartal 2024

    St. Regis Resort, Marrakesch / United Real Estate Company

    150

    Entwurf

    Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Al Jinene Einkaufszentrum


    80

    Entwurf

    Einkaufszentrum und Hotel; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Mixed-use-Projekt in Agadir,  Tasweek

    55

    Vorstudie

    Gesundheitseinrichtung, Wohnprojekte, Einzelhandel, Tourismus; Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    Krankenhaus in Beni Mellal / MSP 2)

    42

    Vorstudie

    Beni Mellal; 450 Zimmer; Hauptauftragsvergabe: 1. Quartal 2024

    Einkaufszentrum Meknès

    40

    Ausschreibung

    Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    Krankenhaus Moulay Yacoub / MSP 2)

    26

    Vorstudie

    120 Betten; Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    Business Hotel Citadines Connect Belvedere Casablanca

    25

    Entwurf

    60 Zimmer; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    1 Ministère de l’Industrie, Commerce, Investissement, and l’Economie Digitale; 2 Ministère de la Santé Publique.Quelle: Meed Projects Februar 2023; Recherchen von Germany Trade & Invest

    Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Tiefbau: Marktlage und -entwicklung

    Die Regierung investiert weiter in den Infrastruktursektor. Dabei will sie den Privatsektor stärker in die Pflicht nehmen.

    Infrastrukturvorhaben sollen die Baukonjunktur ankurbeln

    Der Infrastruktursektor dürfte im Jahr 2023 der Hauptwachstumstreiber des marokkanischen Bausektors sein. Nach einer Durststrecke will die Regierung wieder ambitionierte Projekte anstoßen und umsetzen. In der Vergangenheit konnte das Königreich umfassende staatliche Investitionen mit Mitteln internationaler Geberorganisationen erfolgreich kombinieren. Dazu gehören etwa die ersten Eisenbahnstrecken Afrikas für Geschwindigkeiten von mehr als 300 Kilometern pro Stunde. Vor allem die Verkehrsinfrastruktur zwischen den Ballungsgebieten ist beeindruckend. Die Regierung will den Investitionsstandort durch eine gute Infrastruktur weiter attraktiver machen.

    Die Bauindustrie, deren Anteil mehr als 6 Prozent am marokkanischen Bruttoinlandsprodukt (BIP) ausmacht, erhielt in den letzten Jahren einen Großteil ihrer Aufträge durch Infrastrukturvorhaben. Dies dürfte auch in Zukunft der Fall sein. Öffentliche Investitionen in die Infrastruktur sollen wieder ausgebaut werden. Die Regierung kündigte für das Jahr 2023 in einem vorläufigen Programm Bauvorhaben im Wert von mehr als 4,5 Milliarden US-Dollar (US$) an. Von diesen potenziellen Investitionen sind jeweils rund 1,4 Milliarden US$ für Wasserprojekte sowie den Straßenbau vorgesehen.

    Bauvorhaben könnten unbürokratischer starten

    Um die Wirtschaft anzukurbeln, will die Regierung Genehmigungsprozesse weiter beschleunigen. Vor allem bereits begonnene und zwischenzeitlich gestoppte Vorhaben sollen zügig fertiggestellt werden. Auch die Regionalverwaltungen sind angehalten, Projekte schneller umzusetzen. Außerdem soll das öffentliche Beschaffungswesen reformiert werden und insbesondere kleine sowie mittelständische Unternehmen sollen von einer geringeren Bürokratie profitieren.

    Investitionsvorhaben in den einzelnen Regionen nehmen bereits zu. Tendenziell haben die regionalen Investitionsbehörden (Centres Régionals d´Investissements) an Entscheidungskraft gewonnen. Die Schwerpunkte sind dabei vielfältig: neben dem Straßen-, Eisenbahn- und Hafenbau stehen Erneuerbare Energien hoch im Kurs. Ebenso bedeutend ist die Wasserwirtschaft für die Regionen.

    Private Kapitalgeber erwünscht

    Rein private ausländische Investitionen spielten bisher nur eine untergeordnete Rolle. Allerdings dürften sie an Bedeutung gewinnen. Da der Staat aufgrund seiner Verschuldung nicht in der Lage ist, die anvisierten, weiteren Ausbaupläne anzuschieben, dürften Public-Private-Partnership-Vorhaben an Bedeutung gewinnen. Den Rahmen dafür schafft das Gesetz 86-12 aus dem Jahr 2014, das danach noch ergänzt wurde. Seit 2018 soll sich die Commission Nationale des PPP um die Umsetzung kümmern.

    Auch die im Jahr 2022 verabschiedete Charte d´Investissements nimmt die privaten Investitionen ins Visier. Das spektakuläre Ziel lautet, Branchen übergreifend den privaten Anteil auf zwei Drittel der Gesamtinvestitionen im Königreich anzuschieben. Dies könnte sich auch auf ausländische Zulieferer im Bausektor positiv auswirken.

    Regierungspläne wollen erfüllt werden

    Verschiedene infrastrukturelle Langzeitpläne der Regierung sollen umgesetzt werden. Im Straßenbau sollen im Zeitraum zwischen 2018 und 2035 Investitionen von insgesamt 23 Milliarden Euro durchgeführt werden. In der Hafeninfrastruktur plante die Agence Nationale des Ports von 2020 bis 2022 Investitionen von insgesamt 360 Millionen US$.

    Im Rahmen ihres neuen Wasserprogramms "Plan National de l´Eau", das im Januar 2020 verabschiedet wurde, plant die marokkanische Regierung, im Zeitraum zwischen 2020 und 2027 insgesamt rund 11,8 Milliarden US$ in die Wasserwirtschaft zu investieren. Weitere Großinvestitionen dürften in den Energiesektor fließen. Bis zum Jahr 2030 soll der Anteil von Erneuerbaren Energien im Energiemix auf 52 Prozent erhöht werden. Derzeit liegt der Anteil der Erneuerbaren Energien an der Stromerzeugung bei 37 Prozent. Die Kapazität der Solarenergie soll zunächst um 1.800 Megawatt erhöht werden. Auch die Windkraft soll durch fünf neue Projekte des Staates ausgebaut werden.

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Tiefbau: Marktchancen für deutsche Unternehmen

    Chancen deutscher Unternehmen konzentrieren sich in erster Linie auf den Zulieferbereich. 

    Im Tiefbau bieten sich grundsätzlich vielfältige Beteiligungsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen. Bei der Auftragsvergabe für Großprojekte dürften jedoch Unternehmen, die bereits im Markt etabliert sind, die besten Chancen haben. Unternehmen aus Spanien und Frankreich haben dabei einen Vorsprung, da sie schon länger vor Ort aktiv sind.

    Im Zulieferbereich könnten eher Geschäftschancen entstehen, wobei eine intensive Marktbearbeitung vorab essenziell ist. Hier ist ein vertrautes Partnerunternehmen vor Ort wichtig. Auch Beratungsdienstleistungen sind gefragt - vor allem in Bereichen, in denen Deutschland einen Erfahrungsvorsprung aufweist. Dies ist beispielsweise im Bereich "Green Tech" der Fall.

    Sektoren wie erneuerbare Energien oder die Wasserwirtschaft sind oft im Portfolio bi- oder multilateraler Entwicklungsbanken. Das steigert die Transparenz und Planbarkeit des Prozesses, insbesondere in Zeiten nur mäßig gefüllter Kassen des Staates. Die Ansiedlung von Investoren bieten insofern Chancen, als auch diese Infrastruktur benötigen und auch selbst nachfragen, wenn sie nicht in schlüsselfertigen Parks angesiedelt sind. Besonders die Energieversorgung könnte dabei eine Rolle spielen.

    Im Wasserstoffsektor sind deutsche Unternehmen gut beraten, sich frühzeitig im Zukunftsmarkt zu positionieren. Die AHK Marokko baut zu diesem Zweck ein Portal (H2-Business-Link) auf und kann B2B-Treffen zwischen deutschen und marokkanischen Firmen initiieren. Partner sind dabei auf deutscher Seite die Deutsch-Marokkanische Energiepartnerschaft (PAREMA) sowie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Tiefbau: Projekte

    Der Tiefbau bleibt wegen seiner Projektzahl und der Finanzierungsumfänge das Kerngeschäft der Baubranche.

    Die Regierung hält an ihrem Plan fest, bis 2035 Autobahnen und Schnellstraßen mit einer Gesamtlänge von 5.500 Kilometern zu bauen. Die Gesamtkosten werden auf 9,5 Milliarden Euro geschätzt. Hinzu kommt der Bau von Landstraßen für 3,05 Milliarden Euro. Der Wert der Instandsetzungsarbeiten in dem bereits bestehenden Straßennetz über 7.000 Kilometer wird mit weiteren 12,4 Milliarden Euro beziffert, die bis 2035 aufgebracht werden müssen.

    Hafeninfrastruktur bleibt langfristiges Betätigungsfeld

    Der Hafen Nador West Med an der Mittelmeerküste ist zwar weitgehend fertiggestellt. Doch bleiben noch Detailarbeiten aus. Errichtet wurde ein 4,5 Kilometer langer Hauptdeich, ein 1.200 Meter langer sekundärer Schutzraum und ein sich über 1,5 Kilometer erstreckender Anlegekai mit einem Tiefgang von 18 Metern. Diese Merkmale machen ihn zu einem der modernsten und am besten ausgestatteten Hafenterminals in der Region. Große Containerschiffe können hier ab 2025 anlegen.

    Derzeit sucht die Regierung nach einem geeigneten Hafenbetreiber. Die Wahl wird laut Pressemeldungen entweder auf die Cosco Shipping Corporation Limited oder auf Maersk fallen. Vom Ausgang dieser Wahl hängt nicht mehr und nicht weniger ab, welche Entwicklungsstrategie gefahren und welche endgültigen Ausbauarbeiten durchgeführt werden. Im Fall von Cosco würde den stark gestiegenen Handels- und Investitionsvolumina zwischen Marokko und China Rechnung getragen. Nador West Med wäre damit mehr als nur ein "normales" Infrastrukturprojekt, es wäre von strategischer Bedeutung für das weitere Vorgehen der chinesischen Wirtschaft in der gesamten Mittelmeerregion.

    Zu den endgültigen Ausbauarbeiten gehört unter anderem der Stromanschluss, wozu eine Netzverbindung mit einer Kapazität von 225 kV in der Planung ist. Der Stromkonzern ONEE fertigt aktuell ein Gutachten zu den diesbezüglichen Umweltauswirkungen an. An einer Ausschreibung für den Netzausbau haben sich die libanesische BUTEC und die marokkanische SERF beteiligt, doch steht die Zuschlagserteilung noch aus.

    Ebenfalls gehört ein Anschluss an das Straßennetz zu den weiteren Ausbauarbeiten. Die Afrikanische Entwicklungsbank AfDB sowie der Africa Growing Together Fund AGTF reichten im Dezember 2023 für den Bau einer Autobahnanbindung über 104 km auf der Strecke Nador-Guercif einen Kredit von 246 Millionen Euro aus.

    Als Standort für einen weiteren Hafenbau ist das südliche Agadir an der Atlantikküste in der planerischen Vorbereitung. Dort macht sich ein entsprechendes Projekt notwendig, um den Transportbedarf der schnell wachsenden Industrie im Gebiet Souss Massa abdecken zu können.

    Arbeiten am Eisenbahnnetz setzen sich fort

    Regierung und Staatsbahn Office National des Chemins de Fer (ONCF) vergrößern gegenwärtig das Marktvolumen für den Schienenausbau: So schreibt ONCF den Bau zweier Hochgeschwindigkeitsstrecken aus. Dabei handelt es sich zum einen um die Strecke Kenitra - Marrakesch im Bauwert von 3,8 Milliarden Euro und zum anderen um die Verbindung von Casablanca nach Agadir im Wert von 4,5 Milliarden Euro.

    Im November 2023 hatte ONCF die Beschaffung von 168 Zügen, davon 18 für hohe Geschwindigkeiten, im Gesamtwert von 1,45 Milliarden Euro ausgeschrieben. Die Auslieferung der Züge soll zwischen 2027 und 2030 erfolgen. ONCF fordert, dass sich die Hersteller zur Lokalisierung der Endmontage und Wartung verpflichten. Dadurch soll die marokkanische Bahnindustrie gestärkt und Exportpotenziale ausgebaut werden. Ausfuhrchancen sieht die marokkanische Regierung vor allem in Richtung Afrika. 

    Wasser bleibt im Fokus

    Der chronische Wassermangel ist in Marokko ein existenzielles Problem. Für Entlastung soll der Bau von Anlagen zur Meerwasserentsalzung, zur Abwasseraufbereitung sowie von "Wasserautobahnen" sorgen. Die Verantwortlichen auf allen Verwaltungsebenen stützen sich neben Haushaltsmitteln auch auf Finanzhilfen bi- und multilateraler Geberinstitutionen.

    Die Privatwirtschaft investiert unabhängig von den staatlich finanzierten Projekten in die Meerwasserentsalzung sowie in die Frischwasser- und Abwasseraufbereitung: Zum einen, um über genügend Prozesswasser zu verfügen, zum anderen, um die gesetzlichen Auflagen zur Industriewasserklärung zu erfüllen. Ein aktuelles Beispiel stellt der Phosphatkonzern OCP dar, der in die gesamte Wertschöpfungskette zur Erzeugung grünen Ammoniaks 13 Milliarden US-Dollar (US$) investiert, beginnend mit der Meerwasserentsalzung über die Erzeugung von Ökostrom, die Elektrolyse bis hin zur Umwandlung des grünen Wasserstoffs in Ammoniak.

    Ausgewählte Großprojekte im marokkanischen Tief-/Infrastrukturbau

    Projektbezeichnung

    Investitionssumme (in Mio. US$)

    Projektstand

    Anmerkung

    Kenitra- Marrakesch Hochgeschwindigkeit Bahnlinie / ONCF 1)

    4.500

    Vorstudie

    Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Untersee Bahnverbindung Marokko- Spanien,

    3.000

    Vorstudie, Secegsa, Sned

    38,7 Kilometer, davon 27,7 Kilometer Unterwasser; Hauptauftragsvergabe: 1. Quartal 2023

    Windpark Dakhla / Brokkstone Partners- Harmattan

    2.500

    Vorstudie

    900 Megawatt; Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    Projekt Amun, Solarkraftwerk/ CWP Global

    2.250

    Vorstudie

    Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Projekt Amun, Windkraftwerk/ CWP Global

    2.250

    Vorstudie

    Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Gas to power Projekt in Jorf Lasfar oder alternativer Standort / ONEE 2)

    2.000

    Präqualifikation

    LNG Floating Storage and Regasification Unit und LNG Terminal; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Hafen Dakhla Atlantique/ANP 3)

    1.730

    Im Bau

    Fertigstellung: 2025

    Marrakesch-Agadir Hochgeschwindigkeitsbahnlinie/ ONCF 1)

    1.633

    Vorstudie

    320 Kilometer; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Elektrifizierung von Bahnlinien, ONCF 1)

    1.000

    Vorstudie

    550 Kilometer; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Untersee Stromverbindungskabel Marokko- Portugal, ONEE 3)

    865

    Vorstudie

    250 Kilometer; Hauptauftragsvergabe: 3. Quartal 2023

    Hevo Ammonia Morocco Project, MEM 4)

    850

    Entwurf

    Hauptauftragsvergabe: 1. Quartal 2024

    Porto Agadir/ Amer Group

    816

    Entwurf

    Freizeitpark/ Restaurants/ Hotels; Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Kenitra Atlantic Port Complex/ ANP 3)

    800

    Vorstudie

    Bau eines neuen Terminals; Hauptauftragsvergabe: 3. Quartal 2024

    Erweiterung Rabat Salé Tramway/STRS 5)

    648

    Vorstudie

    19,5 Kilometer; Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2024

    Moroccan Solar Plan: Noor PV 2, Phase 1/ MASEN 3)

    600

    Ausschreibung

    Kapazität 400 Megawatt an 9 Orten; Hauptauftragsvergabe:  3. Quartal 2022

    Combined Cycle Kraftwerk Tahaddart 2/ ETT 6)

    570

    Vorstudie

    457 Megawatt in Tanger-Tetouan;

    Hauptauftragsvergabe: 4. Quartal 2023

    Moroccan Solar Plan: Noor Tata / MASEN 2)

    500

    Vorstudie

    Kapazität 800 Megawatt; Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    Wasserentsalzungsanlage Casablanca / ONEE 2)

    500

    Ausschreibung

    548.000 km2/Tag;

    Hauptauftragsvergabe: 2022: 2. Quartal 2023

    Gas-Pipeline Projekt Atlantic Ridge / Office National des Hydrocarbures et des Mines (ONHYM)

    400

    Vorstudie

    Tanger-Casablanca: 300 Kilometer; Hauptauftragsvergabe: 3. Quartal 2023

    Wasserentsalzungsanlage Dakhla / ONEE

    354

    Im Bau

    Kapazität: 100.000 m³/Tag; Fertigstellung: 2. Quartal 2024

    Bahnlinie Marrakesch-Essaouira Hochgeschwindigkeitszug / ONCF 1)

    300

    Vorstudie

    180 Kilometer; Hauptauftragsvergabe: 2. Quartal 2023

    1 Office National des Chemins de Fers; 2 Office National de l’Electricité et de l’Eau; 3 Agence Nationale des Ports; 4 Ministry of Energy and Mining; 5 Société de Transport Rabat Salé; 6 Énergie Électrique de Tahaddart.Quelle: Meed Projects 2023; Recherchen von Germany Trade & Invest

    Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".


     

    Von Ullrich Umann | Casablanca

  • Branchenstruktur und Geschäftspraxis

    Wenige große Unternehmen dominieren neben dem informellen Sektor den Markt. Die Geschäftspraxis unterscheidet sich bei öffentlichen oder privaten Projekten.

    Laut Conféderation Générale des Entreprises de Maroc (CGEM) dürfte der Anteil der Schattenwirtschaft im Baugewerbe bei etwa 30 Prozent liegen. Die Fédération Nationale Des Promoteurs Immobiliers teilt Unternehmen, die in der Bauindustrie tätig sind, in drei verschiedene Kategorien ein. Demnach gebe es ungefähr 2.000 strukturierte und organisierte Unternehmen; 10.000 Unternehmen mit lokaler, aber schwacher Struktur sowie 40.000 nicht lokalisierte Unternehmen, die in der informellen Wirtschaft tätig sind. Die Regierung ist - bislang mit wenig Erfolg - bemüht, letztere Quote zu reduzieren. Erst eine zunehmende Digitalisierung der Abläufe in dem Sektor könne dazu beitragen, erwarten Branchenvertreter. Projekt- und Zahlungsverzögerungen sind in der Bauwirtschaft nicht selten.

    Die Bauwirtschaft trägt laut Haut Commissariat au Plan (HCP) regelmäßig etwa 6 Prozent zum BIP bei und bietet mit etwas unter 1 Million Beschäftigten etwa 9 Prozent der Arbeitsplätze. Informelle Beschäftigung ist weit verbreitet, an ausgebildeten Fachkräften mangelt es. Zahlreiche kleine und mittelgroße Firmen sind in der Branche aktiv. Die staatliche Al Omrane ist der wichtigste Bauträger im Wohnungsbau. Die Projektumsetzung erfolgt hier oft durch lokale Bauunternehmen. Inzwischen drängt auch der staatliche Phosphatbetrieb OCP in den Baubereich, der auch Unteraufträge an ausländische Unternehmen vergibt, wenn höhere Qualität gefragt ist.

    Zu den größten privaten Bauentwicklern in Marokko zählt die Gruppe Addoha, die insbesondere im sozialen Wohnungsbau tätig ist. Die B Group (ehemals Palmeraie) gehört ebenso zu den weiteren großen marokkanischen Playern im Hochbau, vor allem im oberen Wohnsegment und der Entwicklung von Tourismusprojekten. Weitere Entwicklungsgesellschaften sind Dyar al Mansour, Saham Immobilier, Yamed, TGCC und Yasmine Immobilier.

    Stark im Markt sind französische Bauunternehmen. Hier sind die Großkonzerne Alstom, Bouygues Construction, Eiffage Maroc, Vinci Construction sowie GDF Suez zu nennen. Spanische Unternehmen sind in den Bereichen der Erneuerbaren Energien und auch im Schienenbau präsent. Im Straßenbau sind auch türkische Baufirmen aktiv. Immer offensiver drängen chinesische Unternehmen in den Markt. Das betrifft bislang besonders den Hafenbau, den Energiesektor und den Straßenbau.

    Ausgewählte Strukturdaten zur Bauwirtschaft in Marokko

    Kategorie

    2019

    2020

    2021

    1. Halbjahr 2022

    Fertiggestellte Wohnbauprojekte

    316.308

    256.671

    256.593

    111.590

      Öffentlich

    177.792

    143.785

    142.953

    k.A.

      Privat

    138.516

    112.886

    113.640

    k.A.

    Begonnene Wohnbauprojekte    

    365.413

    240.501

    225.830

    97.886

        Öffentlich

    203.713

    147.611

    130.212

    k.A.

        Privat

    161.700

    92.890

    95.618

    k.A.

    Anzahl der Beschäftigten im Bereich Bauwesen und Öffentlichen Arbeiten (in Millionen)

    1,15

    1,14

    1,21

    k.A.

    Zementabsatz (in Millionen Tonnen)

    13,6

    12,3

    14,0

    6,5

    Ausländische Direktinvestitionen in Immobilien (Nettozuflüsse in Millionen Euro)

    490

    399

    492

    355 *)

    Ausländische Direktinvestitionen in den Bausektor (Nettozuflüsse in Millionen Euro)

    30

    31

    44

    77 *)

    * Januar bis September.Quelle: Ministère de l’Habitat et de l’Urbanisme; Office des Changes

    Bei öffentlichen Projekten ist meist ein lokaler Partner eingebunden

    Für ausländische Unternehmen ist es grundsätzlich einfacher, sich an Projekten zu beteiligen, die von internationalen Geberorganisationen finanziert werden. Jedoch ist auch dies kein Selbstläufer. Auf Partner vor Ort können mittelständische Unternehmen praktisch nicht verzichten. Klar trennen müssen interessierte Baufirmen zwischen öffentlichen und privaten Projekten. Diese erfordern zwei völlig unterschiedliche geschäftspraktische Vorgehensweisen. Für einen Newcomer im Marokkogeschäft ist das Verfahren und die Lobbyarbeit für öffentliche Aufträge kaum zu stemmen. Erfahrene Partner vor Ort sind erforderlich. In vielen Segmenten verlagern sich die Branchenaktivitäten zunehmend in Richtung Privatwirtschaft, was die Beteiligungschancen ausländischer mittelständischer Unternehmen tendenziell erhöht.

    Unterschätzt werden im Vorfeld bisweilen die starke Kostenorientierung im Bausektor sowie die oft bereits fixierte, an Bauherren gebundene Beschaffungspolitik. Knappe Kassen und eine schwerfällige Administration bremsen zusätzlich einige Vorhaben. Wohnsiedlungen sind wegen unzureichend umgesetzter Baustandards für deutsche Unternehmen kaum interessant. Kritisiert wird bisweilen, dass deutsche Unternehmen die gegebenen Marktchancen zu wenig wahrnehmen, beziehungsweise den großen Aufwand eines Markteinstiegs scheuen. Alternativ werden Partnerschaften, beispielsweise mit französischen oder spanischen Unternehmen, gesucht. Oder der marokkanische Markt wird über Töchterunternehmen in diesen Ländern beliefert.

    Sprachliche und kulturelle Hürden sind trotz der Europaorientierung Marokkos nicht zu unterschätzen. Verhandlungen werden im Regelfall auf Französisch geführt, auch wenn Englisch an Bedeutung gewinnt. Trotz Bemühungen des Königs und der obersten Entscheidungsebenen bleibt die Bürokratie, insbesondere auf der mittleren und lokalen Ebene, schwerfällig. Die Rechtsprechung gilt als langwierig.

    Aufgrund vergleichbarem technologischen Profil treten Unternehmen aus Frankreich, Italien, Spanien oder den USA gegenüber den deutschen Unternehmen bislang häufiger als etwa aus China als direkte Wettbewerber auf. Französische und auch spanische Unternehmen sind aufgrund historisch gewachsener Verbindungen, ihrer starken Präsenz und der Marktbearbeitungsintensität und wegen ihrer Stärken in verschiedenen Infrastruktursegmenten auf dem marokkanischen Markt erfolgreich. Inwieweit ausländische Akteure auf Spezifikationen von Ausschreibungen Einfluss ausüben können, bleibt unklar.



    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Zulieferprodukte: Marktlage

    Marokko will die lokale Produktion von Baustoffen und -materialien vorantreiben. Gegenwärtig leidet das Auftragsgeschäft stark unter der Kostenentwicklung.

    Marokkos Bausektor kämpft derzeit mit widrigen Rahmenbedingungen. Nach einem einigermaßen zufriedenstellenden Vorjahr verlief das Jahr 2022 auch für die marokkanischen Produzenten von Baustoffen sehr mäßig. In erster Linie verhinderte die importierte Inflation eine Fortsetzung der Vorjahresdynamik. Ähnlich verhalten sehen die Vorzeichen für 2023 aus.

    Die lokalen Zementhersteller bestätigen diesen Trend: Nach Absatzsteigerungen von knapp 15 Prozent im Vorjahr erzielten sie laut Direction des Études et des Prévisions Financières (DEPF) 2022 ein Minus von mehr als 10 Prozent. Und die Negativentwicklung verfolgt sie auch ins Folgejahr: Der Januar 2023 schloss mit einem um rund 6 Prozent niedrigeren Ergebnis ab als im Vorjahr.

    Die im Haushalt beschlossenen öffentlichen Investitionen und die erwartete Realisierung von Projekten im Infrastrukturbereich lassen die Hoffnungen der gesamten Branche vor allem auf dem öffentlichen Sektor ruhen. Der Dachverband FMC (Fédération des Industries des Matériaux de Constructions) bremst indes die Erwartungshaltung für 2023. Auch wenn allgemein sei das Nachfrageniveau des Vor-Coronajahres 2019 im Großen und Ganzen wieder erreicht worden sei: Durch die Folgen des Krieges in der Ukraine könne mit einem Wachstum frühestens im zweiten Halbjahr 2023 gerechnet werden. Erst dann könnten von der steigenden Nachfrage sowohl die lokale Fertigung als auch die Importe profitieren.

    Kosteneffekt mit unangenehmen Folgen

    Durch die gestiegenen Rohstoffpreise sind die Herstellungskosten der gesamten Baubranche in die Höhe geschnellt. Von Holz bis Metall und Farbe stiegen die Preise überdurchschnittlich, beklagt die FMC. Auch Betonstahl ist stark betroffen. Diese Entwicklung könnte sich allgemein noch eine Weile fortsetzen und weitere, unangenehme Folgen mit sich bringen. Im Königreich haben Kostensteigerungen meist einen raschen Dominoeffekt, der zügig dazu führen könnte, dass der Start von Projekten verschoben, beziehungsweise diese völlig neu verhandelt werden muss.

    Plan: Schlummerndes Potenzial lokalen Industrie ausnutzen

    Die Bedeutung der lokalen Fertigung steigt. Das Industrieministerium versucht bereits seit 2016, ein lokales Ökosystem für die Baustoffindustrie aufzubauen. Dabei geht es im Wesentlichen um die Segmente Keramik, Marmor, Stahl und Zement. Die ambitionierten Ziele: Schaffung von 300 Millionen US$ an neuer industrieller Wertschöpfung sowie 28.000 zusätzlicher dauerhafter Arbeitsplätze und die Generierung eines Umsatzwachstums um rund 1 Milliarde US-Dollar (US$).

    Die marokkanische Regierung hat im Rahmen ihrer Strategie der Importsubstitution das Segment Baustoffe und -materialien als besonders attraktiv identifiziert. Das Handelsbilanzdefizit der Branche soll um knapp 500 Millionen US$ verringert werden. Dabei könnten steigende Branchenexporte 350 Millionen US$ und Importsubstitutionen durch den Aufbau lokaler Produktion 150 Millionen US$ ausmachen.

    Längerfristig ist von einem weitaus höheren Volumen die Rede: Einfuhren im Wert von rund 2 Milliarden US$ könnten durch den Ausbau der lokalen Fertigung eingespart werden. Zu diesem Ergebnis kommt die Studie "La filière des matériaux de construction : Performances et capacités de développement 2022". Diese wurde vom Office des Changes, das unter Aufsicht des marokkanischen Finanzministeriums steht, in Auftrag gegeben.

    Importe bleiben essenziell

    Trotz zunehmender lokaler Produktion des Zuliefersektors geht die FMC davon aus, dass die Branchenimporte nicht an Bedeutung verlieren werden. Deutsche Lieferanten sollten in Nischensegmenten nach Geschäftschancen Ausschau halten. Beispielsweise könnten sich in Zukunft energiesparende Baumaterialien als einer dieser Bereiche herausstellen. Im Rahmen ihrer Stratégie Nationale de l´Efficacité Énergétique 2030 will die Regierung den Energieverbrauch im Gebäudebereich im Zeitraum 2020 bis 2030 um 14 Prozent reduzieren.

    Zement dominiert die lokale Fertigung

    Offiziell verfügt die lokale Baustoffindustrie über rund 750 eingetragene Betriebe, die zusammen mehr oder weniger 200.000 registrierte Arbeiter direkt oder indirekt beschäftigen. Der lokale Markt wird maßgeblich von Zement geprägt, der laut FMC im Jahr 2021 einen Umsatzanteil von knapp 50 Prozent hatte. Die Branche wird von wenigen Akteuren dominiert, die regional in Kartellen operieren.

    Marokko verfügt über eine nennenswerte Stahlindustrie - darüber hinaus über etwa 80 Ziegeleien, zahlreiche Aluminiumfabriken, Marmorfabriken und Sanitärkeramikbetriebe. Marokko verfügt über eine nennenswerte Stahlindustrie - darüber hinaus über etwa 80 Ziegeleien, zahlreiche Aluminiumfabriken, Marmorfabriken und Sanitärkeramikbetriebe. Sand, Zuschlagstoffe, Stahl und Ton werden auch als Rohstoffe für die Herstellung elementarer Bauprodukte verwendet.

    Materialien, bei denen der Importanteil mit etwa 50 Prozent relativ hoch ist, sind Spezialzemente, Holz, Glas und Marmor. Durch die wachsende Verbreitung von Fertighäusern gewinnen Transportbeton sowie homogene Betonblöcke an Bedeutung. Bei modularen Gebäuden besteht großer Bedarf. Importe von Baumaterialien kommen im Regelfall aus Europa. Lieferländer waren laut Office des Changes im Jahr 2021 Spanien mit einem Importanteil von etwa einem Viertel sowie Frankreich, Italien, Türkei und China (jeweils um die 10 Prozent).

    Der Zementsektor ist im Gegensatz zu anderen Baustoffsegmenten ziemlich stark aufgestellt. Im Jahr 2022 wurden 12,5 Millionen Tonnen - gegenüber dem Vorjahr ein Rückgang von knapp 1,5 Millionen Tonnen - in Marokko produziert. Davon exportierten marokkanische Zementhersteller rund 1 Million Tonnen.

    Allerdings gelten die Herstellungspreise in Marokko als außerordentlich hoch. Mehr als die Hälfte der marokkanischen Zementproduktion stammt vom Hersteller Lafarge/Holcim, der über sieben Standorte im Königreich verfügt. Die andere Hälfte teilen sich die Nummer 2, Ciment du Maroc (Heidelberg Cement mit Mehrheitsbeteiligung), Ciment de l’Atlas sowie Asment Temara (Cimpor Gruppe) auf.

    Stand: April 2023

    Von Michael Sauermost | Casablanca

  • Kontaktadressen

    Bezeichnung

    Anmerkungen

    Ministère de l'Equipement, du Transport et de la Logistique

    Ministerium für Ausrüstung, Transport und Logistik

    Ministère de l'Habitat et de la Politique de la Ville

    Ministerium für Wohnungswesen und Stadtpolitik

    Office National de l'Electricité et de l'Eau (ONEE)

    Nationales Amt für Elektrizität und Wasser ONEE

    Fédération Nationale du Batiment et Travaux Publics (FNBTP)  

    Verband für Gebäude und öffentliche Arbeiten

    Fédération des Industries des Matériaux de Construction (FMC)

    Dachverband für Baumaterialien

    Association Marocaine de l'Industrie du Béton

    Marokkanischer Verband der Betonindustrie

    Association Professionnelle des Cimentiers du Maroc

    Marokkanischer Verband der Zementindustrie

    Salon International du Bâtiment (SIB)

    Internationale Baumesse, nächster Termin vom 20. bis 24. November 2024 in El Jadida

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