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Branche kompakt | Russland | Chemische Industrie

Agrarchemie und Polymerhersteller sorgen für hohes Wachstum

Die chemische Industrie gehört zu den Wachstumsmotoren in Russland. Große Investitionsvorhaben in der Öl- und Gasverarbeitung und bei Agrarchemikalien treiben die Branche voran.

Von Gerit Schulze | Moskau

  • Markttrends

    Russland will zu den Weltmarktführern für petrochemische Produkte aufschließen. Doch auch andere Sparten wie Pharma, Agrar- und Spezialchemikalien haben gute Wachstumschancen.

    Die russische Regierung will das Land zu einer globalen Macht für petrochemische Produkte ausbauen. Der stellvertretende Energieminister Pawel Sorokin sagte im Frühjahr 2021, dass der Weltmarktanteil bis 2030 etwa 7 bis 8 Prozent erreichen soll. Laut Energieministerium müssten dafür Investitionen zwischen 40 Milliarden und 70 Milliarden US-Dollar (US$) in die Petrochemie fließen.

    Gleichzeitig strebt Russland nach einer Führungsposition bei Wasserstoff mit einem Weltmarktanteil von 20 bis 25 Prozent.

    Auch bei anderen Chemieprodukten wie Mineraldünger, Pharmazeutika, Bau- und Haushaltschemie hat das Land großes Potenzial. Der steigende Inlandsverbrauch führt zum Ausbau der einheimischen Kapazitäten.

    Hohes Wachstum bei Polymeren und Dünger

    Im Coronajahr 2020 war die Chemieindustrie eine der wenigen Wachstumsbranchen im Land. Das hing mit dem hohen Bedarf an Desinfektionsmitteln, Mineraldünger und Pharmaerzeugnissen zusammen.

    Die positive Entwicklung setzt sich 2021 fort. Von Januar bis Juli 2021 ist die Produktion von Chemikalien und Chemieprodukten um 6,6 Prozent im Vergleich zur Vorjahresperiode gestiegen. Die Pharmaproduktion markierte ein Plus von 20 Prozent. Auch Kunststoff- und Gummierzeuger legten um 11,6 Prozent zu.

    Weltmarktführung bei Helium angestrebt

    Seit Juni 2021 fährt Gazprom das Amur Gas Processing Plant (AGPP) an der Grenze zu China schrittweise hoch. Ab 2025 können in der Anlage bis zu 42 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr verarbeitet werden. Als Nebenprodukt wird Helium mit einer Jahreskapazität von 60 Millionen Kubikmeter gewonnen. Damit wäre es eine der größten Heliumanlagen der Welt. Die Linde AG lieferte die Technologie für die kryogene Gastrennung.

    Moskau verspricht sich vom Ausbau der Heliumproduktion gute Geschäftschancen. Das Edelgas dient unter anderem als Kühlmittel und spielt in der Weltwirtschaft eine zunehmend wichtige Rolle. Bislang dominieren die USA und Katar den Markt.

    In Wladiwostok soll ein „Helium Hub“ entstehen, in dem das Gas verflüssigt und auf Schiffe verladen wird. Neben Gazprom investiert auch die Irkutskaja neftjanaja kompanija INK in den Ausbau der Heliumkapazitäten. Bei der Lagerstätte Jaraktinskoje im Gebiet Irkutsk soll bis 2022 ein Heliumwerk in Betrieb gehen. Eine zweite Fabrik zur Herstellung von 4,5 Millionen Kubikmeter pro Jahr plant INK an der Lagerstätte Markowskoje nördlich des Baikalsees. Außerdem kündigten Sachatransneftegas, Rosneft, RNG und Alrosa eine große Produktionsstätte in Ostsibirien an.

    Neue Entwicklungen bei Flüssiggas

    Veränderungen gibt es beim geplanten Flüssiggasprojekt Pechora LNG. Nach einem Eigentümerwechsel der Erdgaslagerstätte im Autonomen Kreis der Nenzen plant der neue Investor Ruschim Gas nun eine Produktionsstätte für jährlich 1,7 Millionen Tonnen Methanol. Das Vorhaben einer LNG-Anlage für 2,6 Millionen Tonnen Flüssiggas pro Jahr wird nicht weiter verfolgt.

    Ein neues LNG-Projekt plant Gazprom dagegen im Gebiet Kemerowo. Dabei wird nicht Erdgas verflüssigt, sondern Methan, das aus den dortigen Kohleflözen entweicht. Die Anlage für 220.000 Jahrestonnen Flüssiggas wird die örtliche Energieversorgung unterstützen.

    Mineraldünger bleibt ein gefragtes Gut

    Der Markt für Agrarchemikalien prosperiert weiter. Im Jahr 2020 erreichte der Ausstoß von Mineraldünger ein Volumen von 55 Millionen Tonnen. Für das 1. Halbjahr 2021 ermittelte die Statistikbehörde Rosstat einen Anstieg der Düngemittelproduktion um 7,4 Prozent. Nach Prognosen des Verbands der Mineraldüngerhersteller RAPU wird sich der Inlandsverbrauch in den kommenden fünf Jahren nochmals verdoppeln. Auch die Nachfrage auf den Weltmärkten bleibt hoch. Bereits heute werden zwei Drittel der russischen Düngemittelproduktion für den Export hergestellt.

    Die großen russischen Mineraldüngerproduzenten weiten der Tageszeitung Kommersant zufolge ihre ursprünglichen Investitionsprogramme um die Hälfte aus. Für die nächsten fünf Jahre stehen demnach Projekte im Umfang von 1,6 Billionen Rubel (18,5 Milliarden Euro) in der Pipeline.

    PhosAgro will bis 2025 die eigene Rohstoffversorgung verbessern und eine neue Produktionsstätte für Ammoniak und Carbamid bauen. Außerdem dehnt PhosAgro seine Kapazitäten für Schwefelsäure und Ammoniumsulfat aus. Das aktuelle Investitionsprogramm des Unternehmens sah für den Zeitraum 2019 bis 2025 Investitionen von 3 Milliarden US$ vor. 

    Bei der Ammoniakproduktion müssen die russischen Hersteller verstärkt die CO2-Bilanz in den Blick nehmen. Der geplante Grenzausgleichsmechanismus (Carbon Border Adjustment Mechanism) der EU könnte die Mineraldüngerexporteure des Landes jährlich mit über 1 Milliarde Euro zusätzlich belasten. 

    Staatliche Einkäufe kurbeln Medikamentenabsatz an

    Der Absatz von Pharmazeutika legte laut DSM Group im 1. Halbjahr 2021 auf Rubelbasis um 9 Prozent zu. Während die Apothekenumsätze stagnierten, steigerte der Staat seine Einkäufe um ein Drittel. Für das Gesamtjahr 2021 rechnet die DSM Group mit einem Marktwachstum von 6,4 Prozent auf 2,17 Billionen Rubel (25,1 Milliarden Euro). Für 2022 wird ein Anstieg von 4,6 Prozent prognostiziert, für 2023 von 3,6 Prozent.

    Neue Investitionsprojekte betreffen die Impfstoffproduktion, die Herstellung von Wirkstoffen und neue Fertigungslinien für Arzneimittel. Petrovax, Farmasintes, Stada und Takeda haben 2021 Erweiterungsbauten für ihre russischen Werke angekündigt. Aktiwny komponent plant eine Wirkstoffproduktion für Krebspräparate in Puschkin bei Sankt Petersburg.

    Größte Projekte an der Ostsee und im Fernen Osten

    Zu den größten Investitionsvorhaben der russischen Chemiebranche gehören das Gasverarbeitungswerk der RusKhimAlyans in Ust-Luga (Jointventure von Gazprom und RusGazDobytscha) und der Ausbau der Olefinanlage bei Nischnekamskneftechim in Tatarstan mit jeweils mehr als 10 Milliarden Euro. Im Osten des Landes sind das Petrochemiewerk von Rosneft und der Amur-Gaschemiekomplex von Sibur mit jeweils rund 7 Milliarden Euro die wichtigsten Vorhaben.

    Ausgewählte Investitionsprojekte der chemischen Industrie in Russland (Investitionssumme in Millionen Euro)

    Projekt / Ort

    Investitionssumme *)

    Projektstand

    Anmerkungen / Investor

    Gaschemiekomplex / Hafen Indiga, Autonomer Bezirk der Nenzen

    2.300

    Projektierung, Fertigstellung: 2025

    Anlage mit Lizenz von Air Liquide soll 1,4 Mio. t Methanol pro Jahr produzieren / Salawatneftechimprojekt, RusChimKom

    Methanolwerk Sewero-Zapad-3 / Gebiet Leningrad

    1.500 - 1.600

    Planung, Fertigstellung: 2025

    Jahreskapazität von 2,5 Mio. t angestrebt; außerdem Bau einer Methanol-Pipeline und eines Hafenterminals / Eurochem

    Aufbau einer Produktionsstätte für Polypropylen / Nischni Nowgorod

    700

    Grundstein gelegt, geplante Fertigstellung: 2025

    Produktion von 500.000 t Polypropylen pro Jahr auf dem Gelände von Lukoil-Nischegorodnefteorgsintes, Lukoil


    Produktionsstätte für Chlor- und Ätznatron (Laugenstein) / Sterlitamak, Baschkortostan

    300

    Geplante Bauzeit: 2022 bis 2026

    Produktion mit Hilfe der Membranelektrolyse / Baschkirskaja sodowaja kompanija

    Modernisierung einer Petrochemieanlage / Budjonnowsk, Region Stawropol

    200

    Fertigstellung: 2025

    Stawrolen (Tochter von Lukoil)

    Modernisierung des Phosphordüngerwerks / Balakowo, Gebiet Saratow

    200

    Fertigstellung: 2025

    Balakowo-Filiale der AO Apatit (gehört Phosagro)

    Werk zur Herstellung von Polyesterfasern / Schachty, Gebiet Rostow am Don

    35

    Fertigstellung für 2022 geplant

    Tageskapazität von 200 Tonnen Chemiefasern avisiert / Awangard

    *) Umgerechnet in Euro zum Kurs: 1 Euro = 88,74 RubelQuelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

    Von Gerit Schulze | Moskau

  • Branchenstruktur

    Polymerindustrie und Agrarchemie dominieren den Chemiesektor in Russland. Künftig soll die Spezialchemie eine wichtigere Rolle spielen.

    Russlands Chemieindustrie ist traditionell auf große Volumina ausgerichtet. Sie hat eine starke Marktposition bei Düngemitteln, bei anorganischen Chemikalien wie Schwefelsäure oder Ammoniak sowie bei Standardkunststoffen.

    Ziel der Regierung ist es, die Produktpalette zu vergrößern und mehr Erzeugnisse mit hoher Wertschöpfung auf den Markt zu bringen. Ein Schwerpunkt sind Spezialchemikalien mit einer Jahresproduktion bis 10.000 Tonnen. Die entsprechende Roadmap sieht bis 2030 die Umsetzung von 140 Investitionsprojekten im Gesamtumfang von 5 Milliarden Euro vor.

    Branchenexperten betonen aber, dass die Realisierung bislang kaum vorankommt. Die Entwicklung der Spezialchemie ist wichtig, um Branchen wie Fahrzeugbau, Holzverarbeitung, Leder- und Textilindustrie mit essenziellen Ausgangsstoffen zu versorgen.

    Henkel hat angekündigt, in Tosno bei Sankt Petersburg eine zweite Produktionslinie für Schmelzklebstoffe zu errichten. Ab Mitte 2022 sollen sich die Kapazitäten dadurch von 4.000 auf 9.000 Jahrestonnen erhöhen. Außerdem schafft der deutsche Konzern dort neue Verpackungsmaschinen an, um Plastik durch Karton zu ersetzen.

    US-Konzern könnte Markt für Farben und Lacke dominieren

    Der Markt für Farben und Lacke könnte nach der Übernahme der finnischen Tikkurila durch den US-Konzern PPG Industries in Bewegung geraten. Die Finnen haben bislang drei Werke in Russland, die Amerikaner eines. Zusammen beherrschen sie 15 Prozent des russischen Marktes für Farben und Lacke, den die Zeitschrift Ekspert auf ein Jahresvolumen von 3 Milliarden US-Dollar (US$) schätzt. Rund 1.000 Unternehmen sollen in der Branche tätig sein.

    Die russischen Hersteller von Farben und Lacken klagen derzeit über die hohen Preise für ihre Roh- und Ausgangsstoffe wie Füll- und Zusatzstoffe, Phthalocyanine, Epoxid- und Acrylharze. Da es bei ihnen häufig keine inländischen Anbieter gibt, müssen sie teuer importiert werden. Einige Hersteller haben deshalb begonnen, Rohstoffe selbst zu produzieren, darunter Russkie kraski und die VMP-Holding.

    Produktion ausgewählter chemischer Erzeugnisse in Russland (in Millionen Tonnen; Veränderung in Prozent)

    Produkt(-gruppe)

    2020

    Veränderung 2020/2019

    Veränderung 1. Halbjahr 2021 / 1. Halbjahr 2020

    Kunststoffe

    10,2

    17,0

    12,8

    Synthetische Fasern

    0,2

    0,6

    33,8

    Kunstfasern und -garne

    0,01

    -10,8

    -7,4

    Synthetischer Kautschuk

    1,5

    2,5

    18,3

    Ethylen

    3,4

    50,0

    6,6

    Benzol

    1,4

    -2,1

    -3,3

    Schwefelsäure

    14,0

    4,4

    1,8

    Natriumhydroxid

    1,3

    -1,1

    4,1

    Düngemittel

    24,9

    5,0

    7,4

    Herbizide und Fungizide

    0,1

    22,1

    17,5

    Waschmittel

    2,0

    6,3

    5,5

    Farben und Lacke auf Polymerbasis

    1,2

    7,0

    9,9

    Quelle: Föderaler Statistikdienst Rosstat

    Elefantenhochzeit in der Petrochemie

    Die beiden größten Petrochemiekonzerne Russlands, Sibur und TAIF, wollen fusionieren. Die Antimonopolbehörde FAS gab im Sommer 2021 hierzu grünes Licht, jedoch mit der Auflage, dass die Produkte des Konzerns in erster Linie den Bedarf des Inlandsmarktes decken.

    Der neue Chemiegigant wird weltweit zu den fünf größten Herstellern für Polyolefine und synthetischen Kautschuk gehören. Auf TAIF entfielen bislang zwei Drittel der russischen Kautschukproduktion und über ein Viertel der Kunststoffherstellung. Sibur ist vor allem in der Weiterverarbeitung von Erdgas tätig und produziert Olefine, Polyolefine, Kunststoffe und Elastomere.

    Der neue Großkonzern plant gewaltige Investitionsvorhaben. Allein TAIF will 11,5 Milliarden Euro für neue Projekte ausgeben, darunter in der Verarbeitung von Ethen und Propen. Auch die Energieversorgung der Werke soll modernisiert werden. Bei künftigen Projekten will Sibur-TAIF einen höheren Automatisierungsgrad erreichen, um die Zahl der Beschäftigten in der Produktion zu reduzieren.

    Wichtige Unternehmen der russischen Chemieindustrie (Umsatz in Millionen Euro)

    Unternehmen

    Sparte

    Umsatz 2019 2)

    Sibur Holding

    Olefine, Polyolefine, Kunststoffe, Elastomere

    7.332

    Eurochem Gruppe

    Düngemittel, Industriechemikalien

    5.515

    PhosAgro

    Phosphordünger

    3.424

    Nischnekamskneftechim1)

    Synthetischer Kautschuk, Kunststoffe, Monomere1)

    2.470

    Uralkali

    Düngemittel

    2.287

    Acron Gruppe

    Düngemittel, Produkte der organischen Synthese, anorganische Stoffe

    1.585

    Uralchim

    Düngemittel, Ammoniak, Säuren

    1.473

    Kazanorgsintez1)

    Polymere

    1.002

    Henkel Rus

    Waschmittel, Klebestoffe

    944

    Baschkirskaja sodowaja kompanija

    Düngemittel, Produkte der organischen Synthese, anorganische Stoffe

    873

    1) gehört zur TAIF-Holding; 2) umgerechnet zum Jahresdurchschnittskurs der EZB: 1 Euro = 72,46 RubelQuelle: Rating RAEХ-600, 2020 (Ratingagentur Ekspert)

    Steueranreize sorgen für Investitionsboom in der Petrochemie

    Die Regierung unterstützt Großprojekte in der Petrochemie mit Steueranreizen. Bei der Verarbeitung von Flüssiggas (Liquified Petroleum Gas, LPG) und Ethan zahlt der Staat eine "umgekehrte Akzise" für jede im Inland verarbeitete Tonne.

    Auch bei der Modernisierung von Raffinerien zahlt die Regierung einen Investitionszuschlag durch Rückzahlung der Verbrauchsteuer für Erdölprodukte. Anwendung findet die Regelung für Aggregate zum thermischen Cracken, Anlagen zum Delayed Coking, zum katalytischen Reforming, zur Isomerisierung von Benzin sowie zur Reinigung von Destillaten, Rohbenzin, Kerosin und Diesel. Bis 2026 sollen 30 Anlagen zur Benzin- und Dieselherstellung erneuert und hierzu über 9 Milliarden Euro investiert werden. Im Frühjahr 2021 hatte das Energieministerium Investitionsverträge mit sechs Werken abgeschlossen.

    Unter anderem plant Lukoil laut Bericht der Zeitung Vedomosti in Nischni Nowgorod einen neuen Komplex zur Verarbeitung von Ölresten mit einer Anlage zur verzögerten Koksbildung sowie zur Hydroreinigung von Diesel und Benzin. Gazprom Neft will seine Raffinerien in Moskau und Omsk modernisieren und dafür über 2,3 Milliarden Euro investieren. Die Safmar-Gruppe steckt rund 1,2 Milliarden Euro in die beiden Raffinerien Afipski und Orsk. Tatneft modernisiert die Taneko-Anlagen in Nischnekamsk.

    Ähnliche Investitionsverträge plant Novatek zur Modernisierung seiner Ölverarbeitungsanlage in Ust-Luga an der Ostsee. In seiner Raffinerie Perm erhöht Lukoil die Wertschöpfung seiner Produktpalette. Orsknefteorgsintes plant eine Anlage zur verzögerten Koksbildung im Gebiet Orenburg, in der jährlich 1,2 Millionen Tonnen Erdöl verarbeitet werden können.

    Digitale Technologien kommen häufiger zum Einsatz

    Große Chemiebetriebe setzen verstärkt auf digitale Technologien für ihre Produktionsprozesse. Sibur vermarktet inzwischen sogar eigene IT-Entwicklungen für Augmented Reality (AR), die eine Fernsteuerung von Anlagen und einfachere Bedienung ermöglichen. Außerdem bietet Sibur Drittkunden technische Lösungen für das Internet der Dinge (IoT) an.

    Für das neue Gasverarbeitungswerk von Gazprom und RusGasDobytscha erhielten Linde Engineering und die türkische Renaissance Heavy Industries den Zuschlag für die Planung, Beschaffung und den Bau (EPC-Vertrag). Die ursprünglich ausgewählte Sibur-Tochter NIPIGAZ ist aus dem Rennen. In der Anlage sollen Flüssiggas, Ethan und Polyethylen produziert werden. Die Verarbeitungskapazität liegt bei 45 Milliarden Kubikmeter Erdgas pro Jahr.

    Thyssenkrupp Industrial Solutions soll die Projektdurchführung für ein Investitionsvorhaben von Sibur-Neftechim übernehmen. Geplant ist eine Modernisierung und Erweiterung der Produktion von Ethylenoxid und Glykolen in Dscherschinsk bei Nischni Nowgorod.

    Von Gerit Schulze | Moskau

  • Rahmenbedingungen

    Das neue Kontrollsystem der Eurasischen Wirtschaftsunion für Chemikalien wird verschoben. Bei Antiseptika läuft ein Pilotprojekt zur digitalen Kennzeichnung.

    Zum 1. Juli 2021 sollte ursprünglich das neue technische Reglement der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU) „Über die Sicherheit von chemischen Produkten“ in Kraft treten. Dieses Kontrollsystem für Chemikalien ähnelt der europäischen REACH-Verordnung. Da jedoch die entsprechenden Durchführungsbestimmungen noch nicht verabschiedet wurden, wird das technische Reglement nach Auskunft des russischen Industrieministeriums erst am 30. November 2022 eingeführt.

    Bis dahin müssen einheimische und ausländische Hersteller alle chemischen Stoffe, die sich in Russland im Umlauf befinden oder in Verkehr gebracht werden, im Einheitlichen Register der chemischen Stoffe registrieren. Mitte September 2021 waren dort rund 80.000 Positionen eingetragen.

    Zwei Jahre Übergangsfrist für Registrierungspflicht

    Chemische Stoffe, die nicht im Register der EAWU enthalten sind, müssen vor dem Inverkehrbringen einen komplizierten Notifizierungsprozess für neue Produkte durchlaufen. Dabei werden die Beschaffenheit und Inhaltsstoffe ausführlich analysiert. Es wird aber nach Inkrafttreten des Reglements eine Übergangsfrist von zwei Jahren geben. Innerhalb dieser Zeit können chemische Produkte ohne Aufnahme in das Register weiterhin in der EAWU in Umlauf gebracht werden, wenn sie zuvor in einem der Mitgliedsstaaten bereits verkauft wurden.

    Importsubstitution bleibt auf der Tagesordnung

    Weiter auf der Tagesordnung bleibt Russlands Bestreben, den Importanteil chemischer Produkte zu verringern. Eine Liste mit über 100 Produkten veröffentlichte das Ministerium für Industrie und Handel bereits Mitte 2018 (Anordnung Nr. 2025 vom 29.05.2018). Dazu gehören Chemiefasern, anorganische und organische Chemikalien, Kunststoffe, Reifen und Düngemittel. Bei vielen Produkten ist Russland bislang vollständig von ausländischen Lieferanten abhängig.

    Auch bei Ausrüstungen sind lokale Anbieter im Vorteil

    Im Rahmen der Entwicklungsstrategie für die chemische Industrie unterstützt Russland auch einheimische Hersteller von Ausrüstungen für die Branche. Das Industrieministerium hat außerdem einen Plan zur Lokalisierung von Produktionsanlagen für LNG (Liquified Natural Gas)-Werke erstellt. Damit soll der Anteil einheimischer Komponenten beim Bau der Flüssiggasanlagen bis 2024 auf 40 Prozent und bis 2030 auf 80 Prozent erhöht werden. Die dafür notwendigen Investitionen schätzt das Ministerium auf 1,5 Milliarden Euro. Der Staat will sich bei den Forschungsausgaben und der Produktion von Prototypen beteiligen.

    Im Fokus stehen besonders Kompressoren, Expander, kryogene Kreiselpumpen und Wärmetauscher sowie Prüfstände für die Ausrüstungen. Beim aktuell im Bau befindlichen Flüssiggaswerk Arctic LNG 2 strebt Investor Novatek einen Lokalisierungsgrad von 50 Prozent an. Die Anlage soll 2023 starten und später eine Jahreskapazität von 20 Millionen Tonnen Flüssiggas erreichen.

    Die russische Regierung schätzt das Potenzial der LNG-Produktion im Land auf über 235 Millionen Jahrestonnen. Derzeit sind die Kompetenzen für den LNG-Anlagenbau vor allem bei den Unternehmen HMS Group, OMZ (United Heavy Machinery), Rosatom und Roskosmos angesiedelt, schreibt die Zeitung Kommersant.

    Künftig Kennzeichnungspflicht für Antiseptika

    Für Antiseptika hat am 1. August 2021 ein einjähriges Pilotprojekt zur digitalen Kennzeichnung begonnen. Es betrifft Parfüm- und Kosmetikprodukte mit antimikrobieller Wirkung sowie Desinfektionsmittel für die Handhygiene. Diese Produkte sollen künftig mit einem DataMatrix-Code versehen werden, der eine Nachverfolgung der Waren ermöglicht. Damit will die Regierung gefälschte Produkte und illegale Importe vom Markt verdrängen. Für Parfüms und Arzneimittel gilt eine solche digitale Pflichtkennzeichnung bereits.

    Germany Trade & Invest stellt ausführliche Informationen zum Wirtschafts- und Steuerrecht sowie zu Einfuhrregelungen, Zöllen und nichttarifären Handelshemmnissen zur Verfügung. 

    Von Gerit Schulze | Moskau

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