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Branchenbericht Aserbaidschan | Öffentlicher-Personen-Nahverkehr (ÖPNV) | Bau
Aserbaidschan will den Busverkehr modernisieren und das U-Bahn-Netz in Baku ausbauen. Erwogen wird auch eine Wiederbelebung der Straßenbahnverbindungen.
19.03.2020
Von Uwe Strohbach | Baku
Den Ausbau des Personennahverkehrs (ÖPNV) betrachten die Regierung Aserbaidschans und Stadtverwaltung der Hauptstadt Baku heute als Schlüssel für mehr Mobilität und Klimafreundlichkeit in der Region Baku. Projekte für den Ausbau, die Modernisierung und die Optimierung des ÖPNV gibt es im Busverkehr, im U-Bahnnetz und im regionalen Bahnverkehr. Geprüft wird die Errichtung eines neuen Straßenbahnnetzes.
Projektkoordinator und Aufsichtsbehörde im hauptstädtischen Personennahverkehr (ohne U-Bahn) ist die Ende 2015 beim Ministerkabinett gegründete und seit 2016 eigenständige Transportagentur Baku. Die mittelfristigen Pläne der Agentur sehen vor, dass der Fahrzeugpark im Jahr 2022 nur noch aus gas- oder elektrisch betriebenen Bussen bestehen soll. Dieses Ziel wird nach Auffassung von Marktkennern bei Weitem nicht erreicht. Es ist aber zu erwarten, dass zumindest die großen Busunternehmen, darunter vor allem die kommunale Gesellschaft Baku Bus, verstärkt in den Erwerb neuer Busse investieren.
Im Raum Baku gibt es 37 Betreiber von Linienbussen, darunter 29 juristische und 8 natürliche Personen. Erstere verfügen über 1.056 Busse und betreiben 65 Linien. Die übrigen Akteure bedienen 85 Linien mit 982 Bussen. Ein Großteil des Busbestandes gilt als verschlissen. Der technische Zustand der außerhalb Bakus betriebenen Busse ist noch schlechter. Die Fahrzeuge stammen zumeist noch aus der Produktion der früheren Sowjetunion und gelten als nicht sicher.
Die Transportagentur Baku kündigte den Bau weiterer Busbahnhöfe in der Hauptstadt an. Sie dienen als Verknüpfungspunkte zwischen zentralen innerstädtischen Buslinien und denen des Großraums Baku. Busbahnhöfe sollen unter andere in unmittelbarer Nähe der U-Bahnstationen Nariman Narimanov und Gənclik/Gjandshlik entstehen.
Der Bau lokaler Busbahnhöfe startete 2016. Die ersten Objekte entsprachen jedoch nicht den qualitativen und quantitativen Anforderungen und sollen nun schrittweise erneuert werden. Der erste modernisierte Busbahnhof am Standort Koroğlu/Koroglu an der gleichnamigen U-Bahnstation ging 2019 in Betrieb und bedient 30 reguläre Buslinien.
Der staatliche Betreiber der U-Bahn Baku, die Gesellschaft Baku Metro CJSC, kündigte Ende 2019 einen neuen Ausbauplan für das Gleisnetz an. Er ist Bestandteil des aktualisierten Stadtentwicklungskonzepts und stellt eine realistischere Variante des früheren Konzepts dar. Angesichts knapper Finanzen, eines mangelnden Managements und fehlender internationaler Baustandards wirkt der Plan dennoch weiterhin sehr ambitioniert.
Bis 2027 sollen elf neue Stationen in Betrieb genommen werden. Es handelt sich um zwei Stationen der violetten Linie im Stadtzentrum (B3/kurz vor der Fertigstellung und B4), vier Stationen der grünen Linien (südlicher Ring) zur Anbindung der „Weißen Stadt“ an das Netz, drei Stationen der roten Linie (nördlicher Ring) und zwei Stationen im Anschluss an die Metrostation İçəri Şəhər/Innen-(Alt-)stadt. Das U-Bahnnetz umfasst heute drei Linien mit einer Länge von 36,5 Kilometern und 25 Stationen.
In letzter Zeit rückt eine mögliche Wiederbelebung der Bakuer Straßenbahn wieder an die Tagesordnung. In den Jahren 1980 bis 2000 gab es noch 7 Linien mit einer Länge von 70 Kilometern. Das Netz wurde schrittweise verkleinert. Anfang 2004 fuhr die letzte Bahn von der Metro-Station Xətai/Hatai zum Montino-Basar.
Die Gleise sollten breiteren Straßen für einen flüssigen Autoverkehr weichen. Wie auch in anderen Ländern, irrten sich die Planer: die Staus wurden nicht weniger. Die Tram kehrte in vielen Städten zurück. Auch in Baku bestehen Aussichten auf eine Renaissance. Erste diesbezügliche Pläne des Staatlichen Komitees für Stadtentwicklung und Architektur aus dem Jahr 2013 blieben Makulatur.
Doch jetzt kommt wieder mehr Bewegung in das Projekt. Laut Angaben des Komitees und der Aserbaidschanischen Eisenbahn sind eine Kosten-Nutzen-Analyse und eine vorläufige Machbarkeitsstudie sowie ein Businessplan geplant. Die Initiatoren rechnen mit einer Entlastung des ÖPNV und erheblichen Kostenersparnissen gegenüber dem einst geplanten massiven U-Bahn-Ausbau.
Im Staatlichen Programm für die Sicherheit des Straßenverkehrs (2019 bis 2023) wird das Tramprojekt für einen schnellen Ausbau des ÖPNV besonders hervorgehoben. Mögliche Standorte für neue Straßenbahnlinien sind die Gemeinden Akhmedli und Bilajari (Hauptstadt Baku) und Pirschagi (Halbinsel/Region Abscheron) sowie die Siedlung Haci Zeynalabdin Tagiyev nahe der Stadt Sumqayıt/Sumgait.
Die aserbaidschanische Landesmetropole Baku wächst. Immer mehr Menschen wohnen und arbeiten in der Stadt und ihrem nahen Umland. Offiziell leben in der Hauptstadt 2,3 Millionen und im Ballungsgebiet Baku 2,8 Millionen Menschen. Inoffiziell haben 3,5 Millionen bis 4,2 Millionen Menschen in der Region ihren dauerhaften oder vorübergehenden Lebensmittelpunkt. Da sind etwa 35 bis 40 Prozent aller Einwohner. Dabei nehmen die Stadt nur 2,5 Prozent und der Großraum Baku 3,3 Prozent der Landesfläche ein.
Die zunehmende Urbanisierung im Ballungsgebiet erfordert dringend, den öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auszubauen und zu modernisieren. Im Zeitraum 1990 bis 2019 hat sich die Pkw-Dichte auf mehr als 300 Wagen pro 1.000 Einwohner in der Hauptstadt Baku verzehnfacht. Nach Angaben des Vorsitzenden der NGO ES Ruzgar, Islam Mustafaev, steht der Transportsektor für 86 Prozent der Luftverschmutzung in Baku.