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Branchen | China | Digitales Lernen

Bildungsreform erschüttert E-Learning-Sektor in China

Massenhafte Entlassungen und Pleiten prägen aktuell die Branche. Für ausländische Anbieter wird das Geschäft schwieriger, doch die duale und technische Ausbildung bietet Potenzial.

Von Roland Rohde | Hongkong

Die Coronapandemie hat in die ohnehin rasch voranschreitende Digitalisierung der chinesischen Wirtschaft und Gesellschaft zusätzlich beschleunigt. Insbesondere E-Education schaffte dank Covid-19 den Durchbruch. Während des Lockdowns im Frühjahr 2020 erfreuten sich private Anbieter eines Kundenansturms. Zwar kehrte China bereits im Sommer 2020 weitgehend zur Normalität zurück, doch Online-Bildungsformate konnten sich endgültig etablieren.

So erkannten die Nutzer rasch, dass Online-Unterricht wesentlich günstiger sein kann als entsprechende Offline-Angebote – zum Teil bis zu 60 Prozent. Insbesondere in den staugeplagten Metropolen stellten Kunden zudem fest, dass sich durch Internetkurse zusätzlich Zeit sparen lässt. Für viele Schüler hatte das aber einen nachteiligen Effekt: Ihre Eltern packten noch mehr Nachhilfestunden in den ohnehin schon eng getakteten Tagesplan.

Selten hat eine Reform derart stark in den Privatsektor eingegriffen.

Im Juli 2021 zog die Regierung daraufhin die Notbremse. Nachhilfeunterricht für Schüler unter sechs Jahren wurde komplett verboten. Für ältere Kinder trat abends und am Wochenende ein entsprechendes Verbot in Kraft. Darüber hinaus wurde die Neuregistrierung von privaten Instituten sowie deren Zugang zum Kapitalmarkt beschränkt. Nicht-chinesische Unternehmen können des Weiteren nur noch bedingt in den Sektor investieren. Die Voraussetzungen für die Anstellung von ausländischen Lehrern wurden ebenfalls verschärft. Insgesamt umfasst die Reform 30 Einzelmaßnahmen.

Bildungsreform mit drastischen Folgen

Die Reform traf durchaus auf Zustimmung. Schließlich will Beijing damit den Lern- und Leistungsdruck von Schülern nehmen sowie Eltern finanziell entlasten. Zugleich wird angestrebt, die Qualität des staatlichen Bildungssystems zu verbessern. Es soll nicht unüblich sein, dass Lehrer tagsüber einen schlechten Unterricht geben, um sich abends in Nachhilfeinstituten zu verdingen. Doch die wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen sind drastisch. Zahlreiche Nachhilfelehrer standen plötzlich auf der Straße. Unzählige kleinere Institute gingen pleite beziehungsweise stehen kurz vor dem Konkurs. Die Aktienkurse der größeren Mitspieler implodierten förmlich.

Dass Chinesen weniger Englisch lernen sollen, stellt eine historische Kehrtwende dar.

Wohlgemerkt waren vor allem klassische Nachhilfeinstitute von der Entlassungs- und Pleitewelle betroffen. Doch auch einige Sprachschulen mussten aufgeben. Die Regierung will den Englischunterricht an den staatlichen Lehranstalten künftig ohnehin zurückfahren. Dabei handelt es sich um eine historische Kehrtwende und das Land schottet sich auch in dieser Hinsicht stärker ab.

Größere Online-Institute durch Diversifizierung krisenresistenter

Die Reform zieht auch für die E-Learning-Branche durchgreifende Konsequenzen nach sich. So dürfen Kurse maximal 30 Minuten dauern, dann ist eine Pause einzulegen. Das Verbot der Nachhilfeinstitute im Schülerbereich erstreckt sich aber nur auf Gruppenkurse, Einzelunterricht soll noch erlaubt sein. Davon profitierten wiederum die Kinder der wohlhabenden Gesellschaftsschicht, so die Kritik.

Die Online-Branche scheint sich aber im Vergleich zur Offline-Konkurrenz etwas breiter aufgestellt zu haben und ist daher nicht ganz so stark von den Reformen betroffen. Laut Angaben des Guangzhou Daily Data & Digit Institute (GDI) hatten sich 2020 rund die Hälfte der 200 größten Mitspieler auf Sparten jenseits des klassischen Nachhilfe- und Sprachunterrichts konzentriert. 

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Gesamtmarkt schrumpft um mehr als 50 Prozent

Allerdings sind die Zahlen mit einer gewissen Vorsicht zu genießen, denn die Statistik sagt wenig über die Umsätze aus, die in den verschiedenen Sparten generiert werden. Man muss daher damit rechnen, dass der Markt für E-Learning infolge der neuen Beschränkungen insgesamt um mehr als 50 Prozent schrumpft.

Bezüglich dessen absoluter Größe liegen sehr unterschiedliche Angaben vor. Während iiMedia Research für 2020 auf ein Volumen von 70 Milliarden US-Dollar (US$) kommt, weist die Konkurrenz von iResearch einen Wert von 37 Milliarden US$ aus. Prognosen für 2022 und die Zeit danach, wenn die Reform statistisch betrachtet vollumfänglich durchschlägt, liegen derzeit noch nicht vor.

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Berufs- und Erwachsenenbildung weiter im Aufwind

Doch auch bei einem sich stark abschwächenden Gesamtmarkt dürften bestimmte Sparten kräftig wachsen. Die Berufs- und Erwachsenenbildung, insbesondere im technischen Bereich, nimmt an Bedeutung zu. Die chinesische Industrie klettert die Wertschöpfungskette immer höher. Für die Produktion benötigen Unternehmen zunehmend geschulte Fachkräfte. Doch eine entsprechende duale Ausbildung ist bislang lediglich in bescheidenen Ansätzen vorhanden.

Das Renteneintrittsalter steigt, lebenslanges Lernen wird wichtiger.

Hinzu kommt die demografische Komponente, denn die Bevölkerung der Volksrepublik altert rasch. Das ist bereits in den Küstenregionen zu beobachten. Die dortige Wanderarbeiterschaft ist wesentlich älter als noch vor zehn Jahren. Das Renteneintrittsalter wurde 2021 spürbar erhöht; weitere Anhebungen dürften folgen. Arbeitnehmer müssen daher länger arbeiten und sich im Laufe des Berufslebens stetig weiterbilden.

Branche steht vor Konsolidierungsprozess

In der E-Learning-Sparte wird es infolge der Reformen zu einem starken Konsolidierungsprozess kommen. Bislang war der Sektor durch eine Vielzahl von kleinen Instituten gekennzeichnet. Große Internetkonzerne dürften die Lage nutzen, um zahlreiche kleine Konkurrenten zu übernehmen. Letztendlich wird die Branche dadurch professioneller.

Für ausländische Anbieter wird die Lage unter dem Strich schwieriger, da sich die direkten Investitionschancen merklich verschlechtert haben. Dies betrifft sowohl die Übernahme von bestehenden Instituten als auch die Neugründung. Außerdem scheinen die Möglichkeiten, von Deutschland aus Kurse anzubieten, nun ebenfalls stark beschränkt.

Die größten Unternehmen für E-Learning in China 2020

Rang

Firmenname

Spezialisierung

1

Zuoyebang

Grund- und Mittelschule

2

TAL Education Group

Grund- und Mittelschule

3

Hujiang Education Technologies Co. Ltd.

Allgemeine Ausbildung

4

Youdao

Allgemeine Ausbildung

5

Seewo

IT-Schulung

6

17zuoye

Grund- und Mittelschule

7

Koolearn Tech

Allgemeine Ausbildung

8

China Distance Education

Allgemeine Ausbildung

9

Yuanfudao

Grund- und Mittelschule

10

Fenbi

Berufsbildung

11

Kaishu Story

Frühkindliche Erziehung

12

Shanghai Liulishuo Information Technology

Sprachstudium

13

Tencent Education

Allgemeine Ausbildung

14

iFLYTEK

IT-Schulung

15

Acadsoc

Sprachstudium

Quelle: GDI

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