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ChinaArzneimittel, Diagnostika
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Branchenbericht China Arzneimittel, Diagnostika
20.11.2019
Beijing (GTAI) - In China drücken die zunehmende Bündelung von Arzneimittelausschreibungen und andere Maßnahmen auf die Wachstums- und Gewinnerwartungen der Hersteller.
Ähnlich wie in Deutschland leidet das chinesische Gesundheitssystem an den steigenden Kosten. Die Preisfestsetzung von Medikamenten ist deshalb ein großes Thema. Grundsätzlich hatte der zum 5. Mai 2015 in Kraft getretene Runderlass zur Preisreform von Arzneimitteln mit Ausnahme von Narkotika und bestimmten Psychopharmaka das vorherige System, in dem der Staat die Preise festsetzte, gekappt. Seither sollen die Preise in einem Verhandlungsprozess zwischen den Parteien ermittelt werden. Neuerdings stärken die Behörden die Marktmacht der Einkaufsseite und setzen dabei auf gebündelte öffentliche Beschaffungen.
Am 24. September 2019 wurde ein seit 2017 auf elf Städte begrenztes Pilotprogramm auf 31 Provinzen ausgedehnt. Das Programm zielt darauf ab, die Preise über höhere Einkaufsmengen zu senken. Bislang umfasst es 25 Präparate. In der Folge konnten die Kosten ganz erheblich gedrückt werden, meldete Xinhua. Eine zentrale Ausschreibungsstelle gibt es bisher nicht.
Im Vergleich zum Pilotprojekt weist die Neufassung zwei wesentliche Änderungen auf, wie durch die EU-Delegation in Beijing im Oktober analysiert wurde: Erstens werden die Ausschreibungen eher alle ein bis drei Jahre stattfinden statt jährlich. Dies dürfte die Marktstellung des Gewinners ganz erheblich stärken. Allerdings wird die Gefahr von Monopolbildungen durch die zweite Änderung ausbalanciert. Jene besagt, dass ein einzelnes Medikament von bis zu drei Herstellern geliefert werden soll - statt nur durch den einen Ausschreibungsgewinner.
Wenn es nur einen Gewinner gibt, dann soll dieser "nur" die Hälfte des Kaufvolumens abdecken; analog sollen bei Ausschreibungen mit zwei oder drei Gewinnern diese bis zu 60 beziehungsweise 70 Prozent der Lieferungen abdecken dürfen.
Während vorher jedes einzelne Krankenhaus oder die jeweilige Stadtverwaltung selbst mit seinen Lieferanten verhandelte, wird künftig zunehmend zentralisiert eingekauft. Ferner soll die Beschaffung von Medikamenten nach klassifizierten Gruppen in festgelegten Volumina erfolgen. Die Ergebnisse dieser Verhandlungen werden landesweit umgesetzt; allerdings bleibt offen, wie die Umsetzung lokal oder Provinzebene erfolgt.
Das Ergebnis werden niedrigere Preise für die Patienten sein - zum einen wegen der größeren Volumina und zum anderen aufgrund der geringeren "Kick-Back"-Möglichkeiten, wie sie im Einkauf immer wieder vorkommen. Dadurch können mehr Patienten in die Erstattung miteinbezogen werden. Schätzungen zufolge wird etwa erst die Hälfte aller chinesischer Diabeteskranker medizinisch versorgt. Ein weiteres Ziel ist, unnötige Verschreibungen, die sich weniger lohnen, zu minimieren.
Für die Hersteller bedeutet das, dass sie sich, wenn auch über strategisch gesetzte Preise, größere Marktanteile sichern können. Gewinner der neuen Praxis dürften daher die lokalen Generikahersteller sein. Unter den Ausländern werden Anbietern aus Indien die größten Chancen eingeräumt, nicht zuletzt, weil Beijing Premierminister Modi beim letzten Treffen einen besseren Marktzugang zugesichert hat. 2018 stammten nur knapp 0,3 Prozent der chinesischen Medikamentenimporte aus Indien.
Sobald es einen chinesischen oder indischen Anbieter für ein Präparat gibt, dürften westliche Hersteller preislich kaum mithalten können oder wollen. Nach Informationen der EU-Delegation gewannen internationale Anbieter 2018 nur zwei von 14 Ausschreibungen. 2019 konnten bislang sieben ausländische Firmen auf die Liste kommen, darunter Sanofi mit Avalide oder Bristol-Myers Squibb mit Monopril sowie Dr. Reddy aus Indien mit Olanzapin. Eine deutsche Firma war nicht darunter.
Generell ist die Voraussetzung dafür, dass ein Produkt einen wirklich hohen Verbreitungsgrad erreichen kann, die Aufnahme in die nationale Liste der erstattungsfähigen Arzneimittel, der "National Reimbursement Drug List" (NRDL) der National Healthcare Security Administration (NHSA).
Dem Vernehmen nach sind gegenwärtig etwa 5.000 Arzneimittel (ohne TCM-Produkte) zugelassen. Auf der ab 1.Januar 2020 gültigen Erstattungsliste befinden sich aber lediglich 1.322 westliche Arzneimittel und 1.321 der traditionellen chinesischen Medizin (TCM), außerdem 892 TCM-Kräuter. Neu aufgenommen wurden 148 Medikamente, hiervon 47 westliche und 101 aus der traditionellen chinesischen Medizin; 150 Produkte wurden gestrichen (vergleiche http://www.hnmsw.com/show_article_114284.html). Welche Medikamente der Liste komplett oder teilweise (sowie zu welchem Eigenanteil) erstattet werden, ist regional unterschiedlich.
Moody´s geht davon aus, dass von der Aufnahme in die nationale Erstattungsliste gerade Firmen mit Angeboten gegen weit verbreitete chronische Krankheiten profitieren (wie Diabetes oder Asthma). Als "Preis" für die Aufnahme auf die Liste sind allerdings empfindliche Preisnachlässe von mitunter über 50 Prozent zu akzeptieren. Darüber hinaus ist damit zu rechnen, dass Originalpräparate nach Ablauf der Patentfrist umgehend durch Generika lokaler Provenienz ersetzt werden.
Allerdings gibt es viele Patienten und auch Krankenhäuser, die - selbst wenn sie das Präparat dann komplett aus eigener Tasche bezahlen müssen -, ein Importerzeugnis oder wenigstens das eines westlichen Herstellers vor Ort bevorzugen. Denn das Misstrauen gegenüber den lokalen Produkten ist enorm.
Entsprechend erstellen die Krankenhäuser eigene Medikamentenlisten mit denjenigen Präparaten, die im eigenen Haus verwendet werden. Ihr Umfang variiert mit der Art und dem Standort der Einrichtung. Während etwa ein Krankenhaus der obersten Kategorie drei in Beijing über quasi die gesamte Palette verfügen kann, sind es in kleineren Häusern oder Nachbarschaftsgesundheitszentren kleinerer Städte erheblich weniger. Entsprechend wichtig für den Absatzerfolg ist der Krankenhauszugang.
Neben der für Versicherte wichtigen Reimbursement Drug List gibt es die Essential Drug List (EDL) mit den wichtigsten Medikamenten für die chinesische Volksgesundheit. Sie umfasst derzeit 417 westliche Medikamente und 268 der traditionellen chinesischen Medizin, darunter elf, die nicht erstattungsfähig sind.
Um angesichts der erstarkenden lokalen Konkurrenz auch mittelfristig einen relevanten Marktanteil halten zu können, dürfte sich der Verkaufsschwerpunkt der internationalen Anbieter weg von reifen hin zu innovativen Arzneimitteln verlagern.
Weitere Informationen zu Wirtschaftslage, Branchen, Geschäftspraxis, Recht, Zoll, Ausschreibungen und Entwicklungsprojekten in China können Sie unter http://www.gtai.de/china abrufen. Die Seite http://www.gtai.de/asien-pazifik bietet einen Überblick zu verschiedenen Themen in der Region.