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Innerhalb der GBA sollen künftig grenzübergreifende Investitionen in Vermögensverwaltungsprodukte möglich sein. Davon dürften vor allem Finanzinstitute in Hongkong profitieren.
16.07.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Hongkong fungiert als die Finanzdrehscheibe Ostasiens. Anders als die Metropolen auf dem benachbarten chinesischen Festland gibt es praktisch keine Kapitalverkehrsbeschränkungen. Der Hongkong-Dollar (HK$) ist frei konvertierbar. Fast alle großen internationalen Banken unterhalten daher eine Niederlassung in der ehemaligen britischen Kolonie.
Als Sonderverwaltungsregion (SVR) genießt Hongkong umfangreiche Privilegien. Doch die Autonomie ist durch die Verabschiedung des chinesischen Sicherheitsgesetzes in Gefahr geraten. Beijing reagiert hier aber anscheinend nach dem Prinzip "Zuckerbrot und Peitsche". Denn fast zeitgleich wurde ein Pilotprojekt namens Cross-boundary Wealth Management Connect Pilot Scheme (abgekürzt Wealth Management Connect) aufgelegt, von dem Banken und Finanzinstitute der Metropole profitieren könnten.
Das Schema soll innerhalb der sogenannten Greater Bay Area (GBA) den freien Kapitalverkehr im Bereich der Vermögensverwaltung ermöglichen. Geografisch gesehen handelt es sich dabei um neun besonders wohlhabende südchinesische Städte sowie Hongkong und Macau. Nach wie vor existiert zwischen den zwei SVR und dem benachbarten Festland eine schwer bewachte Grenze, die den freien Fluss von Personen und Waren reguliert sowie im Falle von Kapital stark beschränkt.
Doch im Sinne des neuen Planes sollen künftig Haushalte im Teil der GBA, die auf dem chinesischen Festland liegt, Vermögensverwaltungsprodukte in Hongkong und Macau kaufen können. Auch in umgekehrter Richtung wird diese Möglichkeit bestehen, doch ist dieser Teil weniger relevant. Tatsächlich dürfte es in der Volksrepublik zahlreiche wohlhabende Chinesen geben, die ihr Geld liebend gern in den Händen eines Hongkonger Finanzinstitutes sehen würden.
Mit anderen Worten: Die Banken in der ehemaligen britischen Kolonie dürften von dem Konzept, wenn es denn wie angekündigt umgesetzt wird, besonders profitieren. Zugleich wird der Finanzstandort gestärkt. Zuletzt war das Vertrauen in diesen spürbar gesunken. Bereits 2019 wurde laut einem vorläufigen Bericht der United Nations Conference on Trade and Development (UNCTAD) in erheblichem Maße Kapital nach Singapur umgeleitet. Dieser Trend dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit 2020, möglicherweise auch noch 2021, anhalten.
Ob es gelingt, mithilfe von Wealth Management Connect das Steuer herumzureißen, bleibt abzuwarten. Aus der Sicht Beijings soll Hongkongs Rolle als internationales Finanzzentrum erhalten bleiben. Zudem führt man mit dem Programm die Strategie der vorsichtigen und schrittweisen Öffnung der chinesischen Kapitalmärkte unter Einschaltung der ehemaligen britischen Kolonie weiter fort.
So wurden vor einigen Jahren bereits die Programme Bond Connect und Stock Connect gestartet, mit deren Hilfe internationale Investoren über Banken in der SVR chinesische Aktien und Schuldverschreibungen kaufen können. Darüber hinaus fungiert Hongkong als wichtiges Offshore-Handelszentrum für den chinesischen Renminbi Yuan. Laut Angaben der South China Morning Post werden 70 Prozent aller entsprechenden Offshore-Transaktionen über die ehemalige britische Kolonie abgewickelt.
Die Besonderheit von Wealth Management Connect besteht derweil darin, dass es sich nicht wie die vorangegangenen Programme auf ganz China bezieht, sondern sich auf die GBA beschränkt. Die genauen Details des angekündigten Schemas sind noch nicht bekannt. Es ist jedoch mit Hindernissen und Fallstricken zu rechnen.
Das Konzept der GBA wird seit 2017/2018 intensiv propagiert. Allerdings hat die Coronakrise deutlich gemacht, dass es auch schnell mal auf tönernen Füßen stehen kann. Infolge der Pandemie wurden die Grenzen zwischen Hongkong, Macau und dem chinesischen Festland dichtgemacht. Das Lebenskonzept vieler Menschen drohte zu scheitern. Hunderttausende leben in Shenzhen und pendeln täglich zur Arbeit beziehungsweise zur Schule nach Hongkong. Das war 2020 monatelang nicht möglich.
BIP (in Mrd. US$) | Bevölkerung (in Mio.) | BIP pro Kopf (in US$) | Exporte (in Mrd. US$) | |
---|---|---|---|---|
Insgesamt, davon | 1.661 | 70,8 | 23.500 | 1.143 |
Shenzhen | 384 | 13,0 | 29.500 | 238,3 |
Hongkong, SVR | 367 | 7,5 | 48.900 | 511,4 |
Guangzhou | 337 | 15,0 | 22.500 | 75,0 |
Foshan | 154 | 8,2 | 18.800 | 53,4 |
Dongguan | 135 | 8,3 | 16.300 | 122,8 |
Macau, SVR | 54 | 0,7 | 77.100 | 1,6 |
Das eigentliche Problem besteht darin, dass es keine effektive zentrale Steuerung gibt. Elf unterschiedliche Verwaltungen müssen sich untereinander abstimmen, was schon alleine aufgrund der Anzahl schwierig ist. Hinzu kommt, dass in den SVR Hongkong und Macau ganz andere Rechtssysteme und -traditionen als auf dem chinesischen Festland herrschen. Selbst die Schaffung einer sogenannten Travel Bubble zur Überwindung von Reisebeschränkungen infolge der Coronakrise stieß vor diesem Hintergrund Mitte 2020 auf erhebliche Hemmnisse.
Offiziell wurde das Cross-boundary Wealth Management Connect Pilot Scheme noch nicht gestartet. Die Hong Kong Monetary Authority – die faktische Zentralbank – veröffentlichte auf ihrer Webseite aber am 29. Juni 2020 eine mit den Partnerorganisationen und Finanzaufsichtsorganen in Macau und China abgestimmte Pressemitteilung.
Welche Rolle Macau innerhalb des Pilotschemas spielen wird, bleibt abzuwarten. Bislang hat sich die ehemalige portugiesische Kolonie lediglich den Ruf eines Spielerparadieses erworben. Die Wirtschaft ist praktisch ausschließlich auf den Tourismus und das Spielbankgeschäft ausgerichtet. Sie leidet daher extrem unter dem Ausbleiben von Besuchern infolge der Coronakrise. Das lokale Statistikamt Macaus verzeichnete im 1. Quartal 2020 einen Rückgang des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von fast 49 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Das 2. Quartal 2020 dürfte nochmals schlechter ausfallen.