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Branchenbericht China Architektur, Ingenieurdienstleistungen
Beijing (GTAI) - Die Idee vom Gebäude "aus einem Guss" ist den meisten Bauherren in China bislang fremd. Aufgaben für internationale Architekten und Innenarchitekten im Innenausbau beschränken sich meist auf Büros, Hotels sowie Einkaufszentren und Showrooms. Neue Tätigkeitsfelder dürften sich aus dem wachsenden Renovierungsbedarf von Luxuswohnungen entwickeln. Künftig mehr gefragt sein könnten überdies Ideen zur Umnutzung von Gebäuden und Revitalisierung von Städten.
30.04.2018
"Man nimmt eine Hülle und stopft dann alles irgendwie rein", moniert Binke Lenhardt, Mitgründerin der deutsch-chinesischen Architekturfirma Crossboundaries in Beijing. Im Gegensatz zu Vorstellungen in Deutschland von einer Einheit zwischen äußerer Gestaltung und Innenausbau werden in China schon bei der Bauplanung beide Leistungen aufgespalten. Nur selten gelingt es, den Bauherrn vom Nutzen zu überzeugen, zumindest die Lobby und andere wichtige Bereiche ebenfalls gestalten zu dürfen.
Die Folge sind häufig gravierende Schwächen in der konzeptionellen Planung: Im Ergebnis befinden sich beispielsweise in Treppenhäusern nicht selten die Fenster auf Kniehöhe oder der Treppenabsatz schneidet die Fensterfront. Aus dem gleichen Grund ist mancher Besucher überrascht, dass ein von außen ungemein futuristisches Gebäude von innen absolut konventionell anmutet. Allerdings könnte sich dies künftig für Einzelprojekte mit steigender (Auslands-)Erfahrung der Bauherren ändern.
Generell ist das Gebiet der Innenarchitektur im Gegensatz zu Architekturdienstleistungen deutlich weniger reguliert. Aufgaben für größere Architekturbüros liegen etwa im Büro- und Hotelinnenausbau sowie in der Innengestaltung von Einkaufszentren und Showrooms. Beispielsweise entwarf das Stuttgarter Atelier Brückner 2015 das Empfangszentrum des chinesischen privaten Mineralwasserproduzenten Nongfu Spring am Changbaishan, Provinz Jilin. Ein weiteres Beispiel ist das 2016 fertiggestellte Volkswagen Brand Center Beijing von tm design trademark.
Kleinere Studios übernehmen häufig Aufträge zur Gestaltung und Renovierung von Läden, Bars, Restaurants oder Freizeiteinrichtungen. Darüber hinaus führt die wachsende Zahl reicher bis superreicher Wohnungs- und Villenbesitzer zu einer gestiegenen Nachfrage nach Innendesign im privaten Wohnungsbereich. Kosten spielen hierbei oft nur eine untergeordnete Rolle, sofern das Ergebnis den Erwartungen des Auftragsgebers in puncto Gesichtsgewinn, höchster Qualität und Funktionalität gerecht wird.
Gerade Villen und Appartements im Luxussegment werden oft "bis in den letzten Winkel" dekorativ gestaltet. Doch viele Bauten des High-End- oder gehobenen Bereichs, die in den vergangenen zehn bis zwanzig Jahren fertiggestellt wurden, sind aufgrund der schlechten Bauqualität bereits stark renovierungsbedürftig. Angesichts der hohen Landpreise ist es den Besitzern, anders als noch vor wenigen Jahren, heute oft nicht mehr möglich, sich einfach eine neue Wohnung oder ein neues Haus zuzulegen, wenn das alte nicht mehr gefällt.
Viele Besitzer solcher Immobilien haben ihren bisherigen Wohnkomfort ziemlich "über", möchten jetzt stattdessen etwas "Gutes" und verfügen meist über genügend Geld (oder können auf ihr Haus eine Hypothek aufnehmen). Daher stellen sie, so die Einschätzung deutscher Firmenvertreter, das ideale Klientel für deutsche Qualitätsprodukte angefangen bei Badezimmerausstattung bis hin zur Küche dar.
Eine Chance könnte sich aus der Abgabe von Gesamtpaketen ergeben, etwa wenn deutsche Innenarchitekten zugleich mit deutschen Markenherstellern zusammenarbeiten. Voraussetzung ist allerdings eine entsprechende Marktpräsenz, um den potenziellen Kunden über die bestehenden Angebote aufklären zu können, sowie eine entsprechende Lagerhaltung vor Ort.
Denn ein Kunde, der sich zu einer Renovierung entschließt, ist erfahrungsgemäß allenfalls bereit, einen Monat auf bestelltes Material zu warten. Ein per Schiff importiertes Produkt benötigt indessen - einschließlich Entzollung etc. - etwas drei Monate, bis es nach der Bestellung den Kunden erreicht. Der neuerdings forcierte Bahnverkehr zwischen Deutschland/Westeuropa und China schafft es zwar in weniger als einem Monat, kostet aber grob gesprochen das Dreifache der Seefracht und ist deshalb für viele Erzeugnisse aus dem Bausektor (hohes Volumen, eher geringer Sachwert) noch keine gangbare Alternative.
Künftig dürften die Felder Bestandsentwicklung und Denkmalpflege stärker im Fokus stehen. Gerade Denkmalpflege findet in China - wenn nicht sofort die Abrisstrupps anrücken - bislang fast ausschließlich im Rahmen der Erhaltung einzelner Gebäude statt. Auch der Bereich Umnutzung von Gebäuden bis hin zu Revitalisierung von Städten (etwa durch die Auslagerung von Industriefirmen) wird zunehmen.
Dabei geht es nicht nur darum, die Gebäude wieder auf Vordermann zu bringen, sondern kreative Nutzungskonzepte - auch für ganze Stadtviertel - zu entwickeln, die ihnen Leben einhauchen. Das Thema Stadterneuerung ist besonders für Städte relevant, in denen der chinesische Wirtschaftsboom vor 30 Jahren begann - beispielsweise Shenzhen.
Lesen Sie in unserer neuen Studie mehr zu den Chancen und Herausforderungen im chinesischen Markt für Architekturdienstleistungen: http://www.gtai.de/GTAI/Navigation/DE/Trade/Maerkte/allgemeine-broschueren,t=studie-vr-china--markt-fuer-architekturdienstleistungen,did=1908802.html