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Das Coronavirus und das chinesische Sicherheitsgesetz belasten den Wohnungsbau. Die Immobilienpreise befinden sich im Sinkflug. Investoren legen neue Projekte teils auf Eis.
22.07.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Der Wohnungsbau in der Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong stand zur Jahreswende 2018/19 eigentlich vor einer Renaissance. Doch dann kamen politische Unruhen, die Coronapandemie und das chinesische Sicherheitsgesetz dazwischen. Sie schickten die Immobilienpreise und Mieten auf eine Talfahrt, die sich noch bis ins Jahr 2021/22 fortsetzen könnte. Private Investoren legen ihre Projekte teilweise auf Eis und hoffen auf bessere Zeiten. Bei bereits in Bau befindlichen Vorhaben ruhen die Arbeiten oder werden zumindest verlangsamt.
Anfang Juli 2020 erschütterte eine dritte Coronawelle die SVR. Sie erwies sich als schwerer und unkontrollierbarer als die vorhergehenden. Die Aussichten auf wirtschaftliche Besserung für 2020 schwinden. Zehntausende kleiner Geschäfte und Restaurants haben bereits aufgegeben. Weitere dürften im 2. Halbjahr folgen. Im Zeitraum März bis Mai 2020 lag die offizielle Erwerbslosenquote (einschließlich der Unterbeschäftigung) bereits bei mehr als 9 Prozent. Besonders hoch fällt sie im darbenden Bausektor aus.
Die voraussichtlich nur vorübergehende Schwäche des Hochbaus belegen auch Zahlen des Hongkonger Statistikamtes. Demzufolge sanken die realen Bruttobauleistungen des Sektors bereits 2019 um fast 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Der Abwärtstrend verstärkte sich infolge der Coronakrise. Die Behörde weist für das 1. Quartal 2020 ein entsprechendes Minus von rund 11 Prozent auf Jahresbasis aus. Im Vergleich zum Vorquartal ergab sich sogar ein Rückgang von einem Viertel.
Wie stark der Wiederaufschwung der allgemeinen Wirtschaft 2021/22 ausfallen wird, bleibt abzuwarten. Der Standort hat durch die politischen Querelen und das Sicherheitsgesetz nachhaltigen Schaden erlitten. In der SVR lebende Ausländer, aber auch Einheimische verlassen die Stadt oder spielen zumindest mit dem Gedanken. Auch Firmen erwägen die Verlagerung von sensiblen Unternehmensfunktionen. Infolgedessen gingen die Transaktionen im Wohnungsmarkt im 1. Halbjahr 2020 stark zurück.
Zumindest weicht nun etwas Luft aus dem bislang völlig überhitzten Immobiliensektor. Die Preise pro Quadratmeter in Toplagen erreichten zu Vorkrisenzeiten teilweise mehr als 50.000 US-Dollar (US$). Im Durchschnitt und abhängig vom Stadtteil musste man 2018 nach Angaben des Transport and Housing Bureau rund 16.000 bis 23.000 US$ zahlen. Gegenüber 2008 waren damit die Preise etwa um den Faktor drei gestiegen. Im selben Zeitraum hatten sich die Mieten verdoppelt.
Jahr | Kaufpreis | Monatsmiete |
---|---|---|
2008 | 5.000 bis 9.000 | 16 bis 27 |
2013 | 10.000 bis 16.000 | 28 bis 44 |
2018 | 16.000 bis 23.000 | 34 bis 58 |
Wohnungen werden 2020/21 wieder erschwinglicher, insbesondere im oberen Preissegment. Vor allem diejenigen, die bereit sind, mit ihrem Vermieter einen längerfristigen Vertrag abzuschließen, können ordentliche Rabatte heraushandeln. Günstig wird Hongkong damit aber noch lange nicht. Die Immobilienberatungsgesellschaft CBRE wählte die ehemalige britische Kolonie im Juni 2020 abermals zum teuersten Wohnungsmarkt der Welt.
Da die Löhne in der SVR in etwa auf deutschem Niveau liegen, können sich selbst Haushalte der oberen Mittelklasse keine eigene Wohnung leisten, es sei denn sie haben geerbt. Wer kann, versucht in staatlich geförderten Wohnungen unterzukommen. Jedoch reicht der Bestand nur für weniger als die Hälfte der Bevölkerung – mit abnehmender Tendenz. Wer auf den privaten Markt ausweicht, muss sich mit sehr kleinen Objekten begnügen. Die meisten Familien wohnen zu viert oder fünft auf 40 bis 50 Quadratmetern.
2008 | 2013 | 20182) | Nettozunahme 2008 bis 2018 | |
---|---|---|---|---|
Insgesamt, davon | 2.516 | 2.645 | 2.821 | 305 |
staatlich | 1.129 | 1.175 | 1.246 | 117 |
privat | 1.387 | 1.470 | 1.575 | 188 |
Zumindest hat die Regierung erkannt, dass großer Handlungsbedarf besteht. Nach den Vorstellungen der Verantwortlichen sollen zwischen den (jeweils zum 31. März endenden) Fiskaljahren 2018/19 und 2027/28 rund 460.000 neue Wohnungen fertiggestellt werden. Die öffentliche Hand beabsichtigt, mit 280.000 Einheiten gut 60 Prozent des geplanten Angebots bereitzustellten. Den Rest sollen private Immobilienentwickler stemmen.
Laut Vorhersagen des Transport and Housing Bureau entstehen zwischen 2018/19 und 2023/24 rund 128.000 staatliche Apartments. Demnach muss die öffentliche Hand ordentlich Gas geben, um ihre Zielmarke zu erreichen. Von 2024/25 bis 2027/28 müsste die Regierung mehr als 150.000 Einheiten – 38.000 Stück per anno – auf den Markt bringen. Zudem bleibt zweifelhaft, ob private Investoren die eingeplante Lücke füllen.
Schon 2019 war die Anzahl der privat fertiggestellten Wohnungen mit 13.600 Einheiten auf ein Zwischentief gefallen. Besonders bedenklich ist zudem, dass die Anzahl neuer Projekte im Zuge der Coronakrise stark zurückgegangen ist. Im 1. Quartal 2020 starteten laut dem
die Bauarbeiten für lediglich 900 Apartments. Auch in den Folgequartalen ist mit enttäuschenden Zahlen zu rechnen.Einheimische Bauunternehmen führen in der Regel die Rohbauten aus. Für ausländische Anbieter ergeben sich derweil Zulieferchancen bei der Gebäudetechnik. Da es sich bei den Projekten vielfach um sehr hohe und große Wohntürme handelt, erhalten sie eine moderne Sicherheits- sowie Schalt- und Aufzugstechnik. Der Bedarf an modernen Fenstern fällt indes überraschend gering aus. Selbst in mehr als hundert Meter hohen Gebäuden kommt oft nur Einfachverglasung zum Einsatz.
Da das Umweltbewusstsein insgesamt nur wenig ausgeprägt ist, besteht auch keine große Nachfrage nach Energiespartechnik. Bei der Klimatisierung setzt man zumeist auf in der Anschaffung günstige Split-Units aus China. Dafür können insbesondere deutsche Anbieter bei der Innenausstattung mit Aufträgen rechnen. Viele private Bauherren statten ihre Apartmentkomplexe komplett mit Küchen, Elektrogeräten, Sanitärkeramik und Armaturen westlicher Luxusanbieter aus, um den Endpreis in die Höhe treiben zu können.