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Die Neuzulassungen von Pkw und der Umsatz des Kfz-Einzelhandels wachsen seit August 2020 wieder. Die Branchenimporte benötigen aber noch Zeit zur Erholung.
16.11.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Im Gegensatz zu vielen anderen Automärkten der Welt hat sich Hongkong während der Coronakrise einigermaßen gut gehalten. Zwar ist auch in der Sonderverwaltungsregion (SVR) die Konjunktur stark eingebrochen. So schrumpfte das Bruttoinlandsprodukt (BIP) in den ersten drei Quartalen 2020 nach Angaben des lokalen Statistikamtes real um mehr als 7 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum. Der Einbruch ist aber hauptsächlich auf das Ausbleiben kaufkräftiger Touristen vom chinesischen Festland infolge der Grenzschließung zurückzuführen.
Innerhalb Hongkongs ging das Leben relativ normal weiter. Drei Ansteckungswellen richteten vergleichsweise wenig Schaden an. Die Regierung konnte die Lage ohne einen weitgehenden Lockdown zeitnah unter Kontrolle bringen. Im Spätherbst 2020 zählte die Gesundheitsbehörde täglich nur noch einstellige lokale Ansteckungszahlen. Auch die ökonomische Lage hat sich gegen Ende des Jahres leicht gebessert. Die Erwerbslosigkeit bleibt allerdings hoch, sodass viele Haushalte mit weniger Geld wirtschaften müssen. Das ist eigentlich Gift für das Konsumklima, doch es gibt auch einen gegenläufigen Trend: Da die Menschen wegen der Quarantäne-Vorschriften nicht mehr verreisen können, geben sie mehr Geld vor Ort aus.
Für den Automobilsektor kommt noch ein weiterer positiver Trend hinzu: Die Menschen entdecken den Vorteil des Individualverkehrs. Das kann der Laie bereits mit bloßem Auge erkennen, denn seit dem Spätherbst 2020 sind die Parkhäuser der Innenstadt zu Hauptverkehrszeiten zunehmend voll besetzt. Auf den Straßen bilden sich ungewöhnlich viele und lange Staus. Im Gegenzug vermeldete die staatliche U-Bahn-Gesellschaft Mass Transit Railway (MTR) für die ersten neun Monate 2020 einen Rückgang ihrer Passagierzahlen von rund einem Drittel gegenüber der Vorjahresperiode.
Die von der obersten Verkehrsbehörde (Transport Department) erfassten Neuzulassungen von Personenkraftwagen (Pkw) waren im Frühjahr 2020 noch stark eingebrochen. Seitdem erholten sie sich jedoch stetig, sodass sich für den August und September 2020 sogar wieder positive Zuwachsraten ergaben. Der Aufwärtstrend dürfte allerdings nicht ausreichen, um die vorangegangenen Verluste auszugleichen. Für den Zeitraum Januar bis September 2020 ergibt sich auf Jahresbasis immer noch ein Zulassungsminus von gut 12 Prozent. Fast deckungsgleich entwickelte sich auch der Umsatz des Einzelhandels mit Kraftfahrzeugen (Kfz).
Insgesamt ist Hongkongs Pkw-Markt sehr klein, denn traditionell besitzt nur ein Bruchteil aller Haushalte ein eigenes Auto. In Normalzeiten liegen die Neuzulassungen von Pkw bei jährlich deutlich über 40.000 Einheiten. Wenn die Konjunktur gut läuft, sind auch bis zu 50.000 Stück drin. Umgekehrt wird in schlechten Jahren die 40.000-Schwelle deutlich unterschritten. Für 2020 ist von einem Wert zwischen 35.000 und 36.000 Einheiten auszugehen.
Dass sich nur wenige Einheimische ein eigenes Auto kaufen, liegt vor allem an den hohen Opportunitätskosten. Der öffentliche Personennahverkehr ist günstig, sicher und denkbar gut ausgebaut. Auf der anderen Seite bedeutet dies: Wer sich wider jedwede ökonomische Vernunft einen eigenen fahrbaren Untersatz zulegt, schaut nicht unbedingt auf den Cent. Tatsächlich fahren auf den Straßen der SVR ungewöhnlich viele Modelle der Oberklasse. Dies hat auch etwas mit dem ausgeprägten Statusbewusstsein der Bevölkerung zu tun.
Deutsche Anbieter dominieren in der ehemaligen britischen Kolonie ganz eindeutig das Premiumsegment. Japanische Autos sind hingegen im Massenmarkt besonders stark. Dort erzielt Volkswagen vergleichsweise geringe Umsätze. Französische Fabrikate, Opel oder Ford sind so gut wie nie auf den Straßen zu sehen. Auch chinesische oder koreanische Anbieter konnten sich bislang nicht nennenswert etablieren. Italiener bedienen die Sparte der Supersportwagen, während Marken aus dem Vereinigten Königreich das absolute Luxussegment dominieren.
Insgesamt importierte die SVR 2019 gemäß Angaben des lokalen Statistikamtes Pkw im Wert von rund 2 Milliarden US-Dollar (US$), ein Minus von nominal 9 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Zwischen Januar und September 2020 gingen die entsprechenden Einfuhren um 39 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode zurück, wobei sich das Minus von Quartal zu Quartal verringerte. Im September 2020 wurde sogar nahezu das Vorjahresniveau erreicht.
Sowohl wert- als auch mengenmäßig betrachtet ist Japan traditionell der größte Zulieferer von Pkw. Auf Rang zwei folgt Deutschland. Das Vereinigte Königreich und Italien lagen – zumindest bis 2019 – an dritter und vierter Stelle. Doch 2020 dürften die USA an ihnen vorbeiziehen. Das Geschäft im Luxussegment leidet besonders stark unter der Coronakrise. Zudem trifft der US-Hersteller Tesla mit seinem Model 3 genau den Nerv der Hongkonger.
Land | 2019 | Januar bis September 2020 | Veränderung |
---|---|---|---|
Japan | 636,2 | 332,5 | -36,9 |
Deutschland | 426,7 | 198,9 | -40,2 |
Vereinigtes Königreich | 202,5 | 67,9 | -50,7 |
Italien | 197,4 | 63,5 | -63,2 |
USA | 147,7 | 122,7 | 12,2 |
Slowakei | 44,7 | 16,6 | -44,8 |
Südkorea | 44,3 | 28,6 | -20,6 |
Die Autohäuser der SVR erzielen den größten Teil ihres Umsatzes im Endkundengeschäft. Unternehmen unterhalten – wenn überhaupt – ganz kleine Fuhrparks; einen persönlichen Firmenwagen gibt es nur für Top-Manager. In Hongkong existieren weder Einfuhrzölle noch Mehrwertsteuern. Dafür fällt eine progressiv verlaufene Neuzulassungssteuer an. Sie führt dazu, dass sich die Pkw-Preise der unteren Mittelklasse auf deutschem Niveau bewegen. Luxuswagen sind indes fast doppelt so teuer. Für Elektroautos gibt es steuerliche Anreize.
Einen Punkt bemängeln deutsche Anbieter in der ehemaligen britischen Kolonie immer wieder: Aufgrund veralteter Gesetze und Standards dürfen viele Assistenzsysteme, die im Rest der Welt bereits Standard sind, in der SVR nicht benutzt werden. Sie müssen vor der Zulassung abgeschaltet werden. Auf diesem Gebiet sei gegenüber der Verwaltung noch einige Überzeugungsarbeit zu leisten, heißt es aus der Branche.