Dieser Inhalt ist relevant für:
Hongkong / ChinaKosmetika / Groß- Einzelhandel / Coronavirus
Branchen
Branchen | Hongkong | Kosmetika
In Hongkong hat sich der Umsatz mit Schönheitsmitteln praktisch halbiert. Die Händler der Stadt machen ihr Geschäft zunehmend jenseits der Grenze. Die Reexporte nach China boomen.
14.09.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong ist für internationale Hersteller von Kosmetik und Körperpflegemitteln eigentlich ein Eldorado. In Normalzeiten kommen jährlich rund 50 Millionen chinesische Touristen in die Stadt, die ihren Aufenthalt zu ausgiebigen Shoppingtouren nutzen. Schönheitsmittel ausländischer Luxusmarken stehen dabei ganz vorn auf der Einkaufsliste. Auch die 7,5 Millionen Hongkonger lassen sich ihre Schönheit einiges kosten.
Doch seitdem im Juni 2019 politische Unruhen ausbrachen, trauten sich immer weniger Chinesen vom Festland in die Metropole. Dann kam auch noch das Coronavirus hinzu, sodass die SVR ihre Grenzen schloss. Hongkong führt zwar Verhandlungen mit elf Ländern beziehungsweise Regionen zur Bildung von sogenannten Travel Bubbles, innerhalb derer eingeschränktes Reisen wieder möglich sein soll. Doch erste Vorhaben dürften frühestens Mitte Oktober 2020 Realität werden.
Bis alle Verhandlungen erfolgreich abgeschlossen sind, ist das Weihnachtsgeschäft womöglich schon vorbei. Zudem sind jederzeit Rückschläge möglich, denn die Pandemie bleibt unberechenbar. Wann die Grenzen wieder komplett öffnen, damit sich das Einzelhandelsgeschäft nachhaltig erholen kann, ist bislang nicht absehbar. Das sind trübe Aussichten, zumal auch die einheimische Bevölkerung ihr Geld zusammenhält. Die Erwerbslosigkeit und Unterbeschäftigung sind stark gestiegen.
Bereits 2019 war der Umsatz des Kosmetikfachhandels und der Drogerien um 13 Prozent im Vergleich zum Vorjahr auf 5,5 Milliarden US-Dollar (US$) gefallen. In diesen Zahlen sind Arzneimittel enthalten, jedoch fehlen die in Warenhäusern getätigten Einkäufe. Die Branchenumsätze fielen 2020 praktisch ins Bodenlose. Für den Zeitraum Januar bis Juli 2020 verzeichnete das lokale Statistikamt einen Rückgang von 54 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode.
Seit dem Sommer 2020 erholen sich die Branchenumsätze zwar langsam und stetig, allerdings fast allein aufgrund des statistischen Basiseffekts: Bereits das 2. Halbjahr 2019 war sehr schlecht verlaufen. Tatsächlich lagen die Umsätze von Kosmetik und nicht verschreibungspflichtigen Arzneimitteln im Juni und Juli 2020 immer noch 60 Prozent unterhalb des Vorkrisenniveaus von 2018. Eine Trendwende sieht anders aus.
Da es in Hongkong kaum noch verarbeitendes Gewerbe gibt, muss die Stadt nahezu ihren gesamten Branchenbedarf importieren. Im Jahr 2019 beliefen sich die entsprechenden Einfuhren auf rund 6,7 Milliarden US$ – ein Minus von 5 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Ein Großteil davon wird allerdings wieder reexportiert. Interessanterweise macht sich die Coronakrise bislang nicht in der Zollstatistik bemerkbar. Im Gegenteil: Zwischen Januar und Juli 2020 stiegen die Importe von Körperpflege- und Schönheitsmitteln um ganze 10 Prozent im Vergleich zum Vorjahreszeitraum.
Das hat einen wichtigen Grund: Hongkongs Händler beliefern von der SVR aus verstärkt Kunden vom chinesischen Festland. Alleine zwischen 2014 und 2019 stiegen infolge dieses Trends die Reexporte der Metropole von Kosmetik und Körperpflegemitteln nach China um den Faktor fünf. In den ersten sieben Monaten 2020 verzeichnete das Hongkonger Statistikamt ein entsprechendes Plus von 27 Prozent gegenüber der Vorjahresperiode. Laut Angaben des halbstaatlichen Trade Development Council (TDC) gab es in der ehemaligen britischen Kolonie 2018 rund 2.600 Firmen mit fast 15.000 Angestellten, die Schönheitsmittel aus- beziehungsweise einführten.
In Hongkong sind Produkte französischer Luxusmarkenhersteller sehr beliebt. Die Nachfrage im mittleren Preissegment und nach Alltagsprodukten wie Shampoos oder Zahnpasta decken vor allem Anbieter aus Südkorea, Japan, China und den USA ab. Made in Germany gilt als naturbelassen. Produkte von Sebamed sind beispielsweise in jeder Supermarkt- und Drogeriekette zu finden. Allerdings sind sie in Hongkong mehr als doppelt so teuer wie in Deutschland.
Deutsche Branchenlieferungen in die SVR waren gemäß der Zollstatistik bereits 2019 um 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr gefallen. In den ersten sieben Monaten 2020 vergrößerte sich das Minus auf 24 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Im Gegensatz dazu konnten viele Konkurrenten ihren Umsatz steigern. Dieser Trend lässt sich auch in zahlreichen weiteren Produktgruppen nachverfolgen.
Im Einzelhandelssektor Hongkongs existieren teils kartellähnliche Zustände. Im Drogeriebereich dominieren die Ketten Watsons und Mannings. Sie unterhalten nach Unternehmensangaben 450 beziehungsweise 350 Niederlassungen in der Stadt. Ihre Muttergesellschaften haben zugleich das Business mit Supermärkten unter sich aufgeteilt. Im Bereich Kosmetik und Parfüms funktioniert der Wettbewerb besser. Hier kommen zusätzliche Anbieter wie Sasa (108 Geschäfte in Hongkong und Macau) und Bonjour (31 Läden) hinzu.
Führende französische oder japanische Anbieter betreiben eigenständige Outlets in großen Shoppingmalls oder sind in Warenhäusern anzutreffen. Das ist angesichts der hohen Mieten eine teure Alternative. Allerdings sind diese infolge der politischen Unruhen und der Coronakrise stark gesunken. Vermieter bieten im Sommer 2020 bei einer langfristigen Vertragsverlängerung Nachlässe von 50 Prozent. Auch Mietnachlässe von 70 Prozent und mehr werden in den Medien kolportiert.
Alle großen Einzelhändler in der SVR unterhalten E-Commerce-Plattformen. Die Coronapandemie hat dem Online-Handel enorme Zuwachsraten beschert. Die Umsätze des größten Anbieters HKTVmall haben sich laut vorläufigem Finanzbericht im 1. Halbjahr 2020 im Vergleich zum Vorjahreszeitraum mehr als verdoppelt. Fast ein Viertel des Geschäftes entfiel auf den Bereich Schönheit und Gesundheit. Amazon ist nicht vor Ort vertreten.