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Die Fluggastterminals in Hongkong befinden sich im Tiefschlaf. Ihr Erwachen dürfte nur langsam vonstatten gehen. Derweil steuert das Frachtgeschäft aufs Vorkrisenniveau zu.
24.09.2020
Von Roland Rohde | Hongkong
Die Sonderverwaltungsregion (SVR) Hongkong ist eine der wichtigsten Flugverkehrsdrehscheiben der Welt. Gemessen am Frachtaufkommen liegt die SVR seit vielen Jahren unangefochten auf Rang eins. Daran hat auch die Coronapandemie wenig geändert. Laut Angaben der Airport Authority, dem staatlichen Flughafenbetreiber, erreichte das entsprechende Transportvolumen im Zeitraum Mai bis August 2020 nahezu wieder das Vorkrisenniveau. Das anstehende Weihnachtsgeschäft dürfte zudem für eine weitere Belebung sorgen.
Dafür ist der Passagierverkehr nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Anfang März 2020 schloss Hongkong weitgehend seine Grenzen. Seitdem dürfen die meisten Nichtansässigen (Non-residents) mit nur wenigen Ausnahmen die Metropole gar nicht mehr besuchen. Alle Einreisende müssen sich zudem am Flughafen einem Corona-Test unterziehen. Auch wenn dieser negativ ausfällt, haben sie sich unverzüglich in eine vierzehntätige Hausquarantäne zu begeben. Unter diesen Bedingungen will kaum jemand fliegen.
Die Handels- und Finanzdrehscheibe Hongkong hat sich abgeschottet. Darunter leidet an erster Stelle die führende Fluggesellschaft Cathay Pacific. Die meisten ihrer Maschinen sind irgendwo in der Wüste geparkt. Viele Angestellten wurden teils entlassen, teils in unbezahlten Urlaub geschickt. Ein Kurzarbeitergeld von maximal 1.000 Euro im Monat kann nur die größte Not lindern.
Die Airline bot einer Pressemeldung zufolge zusammen mit ihrer Tochtergesellschaft Cathay Dragon im August 2020 nur 8 Prozent der sonst üblichen Flüge an. Das kam im Vergleich zum Juni 2020 immerhin einer Verdoppelung gleich. Die Maschinen waren durchschnittlich allerdings nur zu einem Fünftel belegt. Die Anzahl der beförderten Passagiere lag nach wie vor 99 Prozent unter dem Wert des Vorjahresmonats. Im August 2020 wurden die Strecken nach Frankfurt und Toronto sowie in die chinesischen Städte Chengdu und Xiamen wiederaufgenommen.
Die Frachtsparte entwickelte sich deutlich besser. Hier gab es für Cathay Pacific im August 2020 nur ein Minus von 37 Prozent gegenüber dem Vorjahresmonat. Eigentlich gibt es genug Aufträge, doch es besteht ein Kapazitätsproblem. Die wegfallenden Passagiermaschinen befördern regulär nämlich eine Menge Beifracht. Einen kleinen Trost gibt es immerhin: Da es nun deutlich weniger Fluggäste und damit Koffer pro Jet gibt, kann man zumindest mehr Waren in die Frachträume packen.
Doch diese Effekte kommen nur einem Tropfen auf den heißen Stein gleich, denn die Lage bleibt äußerst angespannt. Die Gesellschaft ließ bereits verkünden: Wenn sie überleben möchte, sind umfassende strukturelle Anpassungen an die neuen Bedingungen des internationalen Flugverkehrs notwendig. Aktuell verliert Cathay Pacific laut eigenen Angaben pro Monat bis zu einer Viertelmilliarde US-Dollar (US$).
Die Hongkonger Regierung will der taumelnden Airline finanziell beispringen. Medienberichte sprechen von einem Hilfspaket im Umfang von mehr als 5 Milliarden US$. Leisten kann sich das die SVR problemlos, denn trotz zahlreicher Sonderausgaben infolge der Coronakrise sitzt der Fiskus immer noch auf hohen Reserven.
Während das Frachtgeschäft fast normal weiterläuft, machen die Fluggastterminals in Hongkong einen verwaisten Eindruck. In Normalzeiten werden dort gemäß dem Flughafenbetreiber monatlich 5 bis 6 Millionen Ankünfte und Abflüge abgefertigt. Zwischen April und August 2020 wurden pro Monat weniger als 100.000 Passagiere gezählt. Das kommt im Vergleich zum jeweiligen Vorjahresmonat einem Rückgang von 99 Prozent gleich.
Wie lange die Fluggastterminals noch im Tiefschlaf verharren, hängt entscheidend von der Öffnung der Grenzen ab. Im Herbst 2020 laufen Gespräche mit elf Regionen beziehungsweise Ländern über die Bildung von sogenannten Travel Bubbles, innerhalb derer ein quarantänefreier Reiseverkehr möglich sein soll. Deutschland, Frankreich und die Schweiz befinden sich ebenfalls darunter. Doch die Verhandlungen erweisen sich als schwierig und zäh. Die stark steigenden Ansteckungszahlen in Europa im September 2020 könnten sich als Bremsschuh erweisen.
Ein beschränkter Grenzverkehr dürfte zunächst zwischen Hongkong und der chinesischen Nachbarprovinz Guangdong sowie der SVR Macau entstehen, da es in allen drei Gebieten kaum noch Infektionsfälle gibt. Doch für den Flughafen und Cathay Pacific würde dies keinerlei Entlastung bedeuten, denn die dortigen Reisenden kommen mit dem Zug oder mit der Fähre. Die Fluglinien hoffen daher auf entsprechende Vereinbarungen mit Thailand, Taiwan, Japan oder Australien.
Noch hat die Hongkonger Bevölkerung die Hoffnung nicht aufgegeben, Weihnachten am Strand von Phuket verbringen zu können. Die Ticketpreise dürften dann allerdings ins Unermessliche steigen und den Fluggesellschaften endlich wieder etwas Cashflow bescheren. Doch mit einer weitgehenden Grenzöffnung ist wohl nicht vor dem Sommer 2021, bevor ein Großteil der Bevölkerung geimpft wurde, zu rechnen.
Zwischen Deutschland und Hongkong gibt es seit Juni 2020 wieder einen regelmäßigen, wenn auch stark ausgedünnten Flugverkehr. Die Strecke wird unter anderem von Cathay Pacific und von Lufthansa (in Kooperation mit Swiss) bedient. Von der ehemaligen britischen Kolonie werden nach einer Zwischenlandung auch andere Ziele in der Region, unter anderem Manila, Taiwan oder Australien angeflogen.
Kennziffer | 2011 | 2013 | 2015 | 2017 | 2018 | 2019 |
---|---|---|---|---|---|---|
Abflüge und Landungen (in Tsd.) | 333,8 | 372,1 | 406,0 | 420,7 | 427,8 | 419,8 |
Passagiere (in Mio.) | 52,8 | 59,3 | 68,1 | 72,5 | 74,4 | 71,3 |
Fracht (in Mio. t) | 3,9 | 4,1 | 4,4 | 4,9 | 5,0 | 4,7 |