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Die Coronapandemie hat den Absatz in Indiens Kfz-Branche einbrechen lassen. Bereits zuvor hatten die Hersteller mit Problemen zu kämpfen. Die Exporte aus Deutschland sanken 2019.
24.08.2020
Von Florian Wenke | Bonn
Harte Zeiten für Indiens Automobilsektor. Standen die Zeichen in den Vorjahren auf Wachstum, so häufen sich seit einiger Zeit die schlechten Nachrichten. Ein gesamtwirtschaftlich schwieriges Umfeld, Kaufzurückhaltung im Inland und dazu noch die Schwierigkeiten der Coronakrise sorgen für trübe Stimmung in der Branche.
Nach Jahren des Wachstums sind Produktion und Verkauf von Fahrzeugen im Finanzjahr 2019/20 (1. April bis 31. März) deutlich gegenüber dem Vorjahr zurückgegangen. Den Zahlen der Vereinigung der Automobilhersteller in Indien The Society of Indian Automobile Manufacturers (SIAM) zufolge, ist das Minus jeweils deutlich zweistellig. Der Export konnte die negative Entwicklung nur marginal abmildern.
Experten sehen die gestiegenen Preise vor allem als Folge von verschärften Sicherheitsanforderungen an die Fahrzeuge sowie höheren Kosten durch verpflichtende Versicherungen als Grund für den Rückgang. Die allgemein schwächelnde Konjunktur wirkte sich ebenfalls wenig förderlich auf die Konsumfreudigkeit im Land aus.
Kategorie | 2018/19*) | 2019/20*) | Veränderung in Prozent |
---|---|---|---|
Produktion | 30.915 | 26.362 | -14,7 |
davon PKW | 4.028 | 3.434 | -14,8 |
Absatz Inland | 26.266 | 21.546 | -18,0 |
davon PKW | 3.377 | 2.773 | -17,9 |
Export | 4.629 | 4.766 | 3,0 |
davon Export | 676 | 677 | 0,2 |
Der gesunkene Absatz trifft auch die Zulieferindustrie hart. Laut Angaben des Verbandes der Automobilzulieferer Automotive Component Manufacturers Association of India (ACMA) setzten die Firmen 2019/20 rund 49,6 Milliarden US-Dollar (US$) um (Durchschnittlicher Wechselkurs 2019 laut Bundesbank: 1 US$ = 70,4119 Indische Rupien (iR). Dies entspricht einem Einbruch von 11,7 Prozent gegenüber dem vorherigen Finanzjahr.
Der umfassende und mehr als neun Wochen bis Ende Mai 2020 andauernde Lockdown zur Eindämmung der Coronapandemie hat zu Beginn des neuen Finanzjahres 2020/21 für noch katastrophalere Ergebnisse in der Fahrzeugbranche gesorgt. Für das im Juni 2020 endende 1. Quartal ist ein Minus von 79 Prozent in der Fahrzeugproduktion insgesamt im Vergleich zum Vorjahresquartal zu verzeichnen. Die PKW-Produktion war sogar noch stärker betroffen und musste einen Rückgang von rund 84 Prozent verbuchen. Der Export von Fahrzeugen ging um 75 Prozent zurück.
Besonders der April 2020 war für die Branche dramatisch, denn bedingt durch den Lockdown wurde erstmals seit Beginn der Aufzeichnungen kein einziges Fahrzeug in Indien verkauft.
Die Hersteller hatten ursprünglich auf anziehende Verkäufe spekuliert, denn Anfang April 2020 traten neue, verschärfte Abgasregulierungen in Kraft. Seitdem dürfen nur noch Fahrzeuge verkauft werden, welche die Anforderungen gemäß Bharat Stage VI (vergleichbar mit der Abgasnorm Euro 6) erfüllen. Es war erwartet worden, dass viele Konsumenten ihre Kaufentscheidung lediglich aufgeschoben hatten, um nun Fahrzeuge zu kaufen, welche die neuen Standards erfüllen. Die Fahrzeugproduzenten hatten im Vorfeld stark investieren müssen, um den neuen Abgasnormen zu entsprechen. Umso härter trifft sie nun der ausbleibende Umsatz.
Die Erholung der inländischen Absatzzahlen im vergangenen Juni wird von Marktbeobachtern hauptsächlich auf nachholenden Konsum zurückgeführt. Außerdem dürften einige Käufer die hygienischen Vorteile eines eigenen Fahrzeuges während der Pandemie überzeugt haben, können doch so Fahrten in überfüllten öffentlichen Verkehrsmitteln vermieden werden. An den Aussichten für das laufende Finanzjahr ändert dies jedoch nichts. Die Ratingagentur Fitch geht für den indischen Automobilmarkt von einem Nachfragerückgang von 20 Prozent aus.
Die Rufe nach Unterstützung für den Sektor werden angesichts der aktuellen Lage lauter. Bereits zuvor war von Branchenvertretern immer wieder eine Senkung der Mehrwertsteuer (Goods and Services Tax, GST) von 28 auf 18 Prozent für Fahrzeuge gefordert worden. Diese Forderung wurde angesichts der aktuellen Situation erneut laut.
Viel hängt von einer allgemeinen konjunkturellen Erholung ab. Erst mit anziehendem Wirtschaftswachstum wird auch der Fahrzeugabsatz in Indien wieder steigen. Momentan sind die Konjunkturaussichten jedoch durchwachsen, und viele Konsumenten halten sich mit größeren Anschaffungen zurück. Banken sind mit der Kreditvergabe ebenfalls vorsichtig, was auch potenzielle Autokäufer trifft.
Vom sinkenden Fahrzeugabsatz sind auch deutsche Firmen betroffen. Indien importierte 2019 Kfz-Teile im Wert von 5,6 Milliarden US$. Deutschland zählt mit einem Anteil von 13 Prozent zu den wichtigsten Lieferanten. Die Exporte der deutschen Hersteller gingen gegenüber dem Vorjahr um 34 Prozent auf 738,9 Millionen US$ zurück und schrumpften damit deutlich stärker als Indiens gesamten Importe in dem Bereich.
SITC Kategorie | 2019 | Veränderung | aus Deutschland 2019 | Veränderung |
---|---|---|---|---|
713.2 Motoren | 674,5 | -0,04 | 35,6 | -20,5 |
773.13 Zündkabelsätze | 78,0 | -31,40 | 6,2 | -72,7 |
778.3 Kfz-Elektrik | 639,6 | -3,19 | 54,2 | -22,5 |
784 Karosserien, Stoßstangen usw. | 4.281,5 | -13,34 | 642,9 | -34,4 |
Summe | 5.573,6 | -11,21 | 738,9 | -33,9 |
Auf Indiens Straßen sind bisher noch sehr wenige elektrisch betriebene Fahrzeuge unterwegs. Elektromobilität bleibt daher vorerst ein Nischenthema. Laut Angaben des Branchenverbands der Elektrofahrzeughersteller Society of Manufacturers of Electric Vehicles (SMEV) wurden 2019/20 rund 156.000 Elektrofahrzeuge verkauft, rund 20 Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Bei der Mehrzahl der Fahrzeuge handelt es sich um elektrische Zweiräder. Sie machten 97,5 Prozent des Absatzes aus. Der Verkauf von Elektroautos ging leicht zürück - von 3.600 Einheiten 2018/19 auf 3.400 im Finanzjahr 2019/20. Der Absatzvon E-Bussen stieg im selben Zeitraum von 400 auf 600 Einheiten etwas an.
Laut Angaben des indischen Beratungs- und Analyseunternehmens CRISIL soll bis 2025 lediglich ein moderater Zuwachs erfolgen, bei PKW auf 135.000, bei Bussen auf 3.000 und bei LKW auf 21.500 Einheiten. Die Marktanteile wären auch dann noch in allen drei Bereichen deutlich einstellig gegenüber herkömmlichen Fahrzeugen mit Verbrennungsmotoren. Besonders die Schaffung einer weitläufigen und zuverlässigen Ladeinfrastruktur gilt als Herausforderung.