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Indiens Eisenbahn soll bis 2030 klimaneutral werden

Indian Railways will grüner, schneller und sicherer werden. Bald sollen die Züge mit selbst erzeugtem Solar- und Windstrom fahren. Die erste Hochgeschwindigkeitstrasse ist im Bau.

Von Boris Alex | New Delhi

Die indische Staatsbahn Indian Railways ist nicht nur einer der größten Energieverbraucher, sondern mit einem Anteil von 4 Prozent am gesamten Treibhausgasausstoß des Landes auch einer der größten CO2-Emmittenten. Denn immer noch werden 40 Prozent der täglich 22 Millionen Passagiere und 3,3 Millionen Tonnen Güter mit Diesellokomotiven befördert. Doch in den letzten Jahren wurde bei der Elektrifizierung des 65.000 Kilometer langen Breitspurbahnnetzes auf die Tube gedrückt. Wurden vor vier Jahren 2.000 Kilometer elektrifiziert, waren es im Finanzjahr 2020/21 (1. April bis 31. März) schon drei Mal so viel.

Inzwischen stehen fast 70 Prozent der Strecke unter Strom. Seit 2017/18 flossen 2,8 Milliarden US-Dollar (US$) in entsprechende Projekte. Bis Ende 2023 soll das Breitspurbahnnetz vollständig elektrifiziert sein, so die Pläne des Ministry of Railways. Die Kosten hierfür beziffert das Eisenbahnministerium auf 4,8 Milliarden US$. Dadurch könnte der CO2-Ausstoß bis Ende 2027 um ein Viertel sinken, und die Staatsbahn wäre ihrem Ziel, bis Ende 2030 klimaneutral zu sein, ein Stück näher gerückt. Gleichzeitig spart Indian Railways fast 2 Milliarden US$ Dieselkosten pro Jahr ein.

Wind- und Solarparks mit 20 Gigawatt geplant

Doch für eine klimaneutrale Bahn reicht es nicht, nur die Strecke zu elektrifizieren. Der Strom hierfür sollte überwiegend aus erneuerbaren Energiequellen stammen - und den möchte Indian Railways künftig zum Teil selbst erzeugen. Im Juli 2020 hat die Bahngesellschaft gemeinsam mit dem Maschinenbaukonzern Bharat Heavy Electricals in Bina im zentralindischen Bundesstaat Madhya Pradesh einen Solarpark mit einer Leistung von 1,7 Megawatt (MW) in Betrieb genommen. Der dort produzierte Strom wird direkt in das Oberleitungsnetz eingespeist. Zwei weitere Pilotprojekte mit Kapazitäten von 2,5 und 50 MW in den Bundesstaaten Haryana und Chhattisgarh befinden sich zur Zeit in der Umsetzung.

Das Eisenbahnministerium will bis 2030 Wind- und Solarparks mit einer Leistung von insgesamt 20 Gigawatt auf brachliegenden Flächen von Indian Railways errichten. Zum Vergleich: Ende März 2021 lagen die gesamten netzgebundenen Kapazitäten von Wind und Solar bei jeweils rund 40 Gigawatt. Die Pläne der Regierung sind ambitioniert und nach Aussage des Ministry of Railways nur mit Hilfe des Privatsektors zu realisieren. Das Geschäftspotenzial hierfür wird bis 2030 auf 20 Milliarden US$ geschätzt. Laut Pressemeldungen erhalten die Projektentwickler Abnahmeverträge mit einer Laufzeit von 25 Jahren und einem festen Einspeisetarif von 0,04 US$ je Kilowattstunde. 

Bahnhöfe sollen für Aufdachanlagen genutzt werden

Doch nicht nur die Eisenbahntrassen sollen künftig mit Strom aus erneuerbaren Energien gespeist werden, sondern beispielsweise auch die Bahnhöfe. Denn diese eignen sich gut für den Betrieb von Aufdachanlagen. Bereits heute sind an rund 1.000 Bahnhöfen Solarpanele mit einer Leistung von insgesamt 100 MW im Einsatz. Bis 2030 dürften die Kapazitäten auf 1 GW ausgebaut werden, so die Pläne der Regierung. Um den Stromverbrauch weiter zu senken, sollen nicht nur an den Bahnhöfen, sondern auch in den Verwaltungsgebäuden, den Werks- und Montagehallen sowie den Betriebswohnungen künftig nur noch LED-Beleuchtung und energiesparende Elektrogeräte wie Klimaanlagen zum Einsatz kommen. Dadurch ließe sich der Stromverbrauch um weitere 15 Prozent senken, so das Ergebnis eines Energieaudits.

Die Investitionen für eine klimaneutrale Eisenbahn bis 2030 machen aber nur einen Bruchteil der geplanten Projekte im Schienenverkehr aus. Indian Railways will bis Ende 2025 fast 14 Milliarden US$ unter anderem in den Ausbau des Streckennetzes, die Modernisierung des rollenden Materials sowie in Signaltechnik und Passagierdienste investieren. Der Großteil ist für den Bau von sechs Schienenfrachtkorridoren (Dedicated Freight Corridors) vorgesehen. Diese sollen künftig die indischen Industriezentren miteinander verbinden und dabei helfen, den Gütertransport von der Straße auf die Schiene zu verlagern. Anfang des Jahres wurde im Bundeshaushalt 2021/22 der Bau von drei weiteren Korridoren mit einer Gesamtlänge von 4.000 Kilometern bewilligt.

Bau von Hochgeschwindigkeitsstrecken in Planung

Ein weiterer Schwerpunkt ist der geplante Aufbau eines Hochgeschwindigkeitszugnetzes. Die erste Verbindung zwischen Mumbai und Ahmedabad mit einer Länge von 510 Kilometern sollte ursprünglich bis Ende 2024 fertiggestellt werden. Da es aber Verzögerungen beim Landerwerb für die Strecke gibt, dürfte dieser Termin kaum noch zu halten sein. Das Projekt wird gemeinsam mit der japanischen Entwicklungsagentur Japan International Cooperation Agency (JICA) realisiert. Die Kosten belaufen sich einschließlich rollendem Material auf schätzungsweise 15 Milliarden US$. Im September 2020 wurden Machbarkeitsstudien für sieben weitere Schnelltrassen mit einer Gesamtlänge von fast 5.000 Kilometern in Auftrag gegeben.

Indian Railways soll aber nicht nur schneller und klimafreundlicher, sondern auch sicherer werden. Damit die Züge künftig unfallfrei unterwegs sind, steckt die Bahngesellschaft immer mehr Geld in Signal- und Sicherheitstechnik. Im Finanzjahr 2020/21 waren es knapp 230 Millionen US$. Aktuell befinden sich 700 Projekte mit einem Investitionsvolumen von 6 Milliarden US$ in der Pipeline, die in den nächsten fünf Jahren abgeschlossen sein sollen.

Dabei kommt auch das europäische Zugsicherungssystem European Train Control System (ETCS) zum Einsatz. Der Telekom-Dienstleister RailTel Enterprises wurde von Indian Railways beauftragt, ETCS Level 2 als Pilotprojekt auf einer Strecke von 640 Kilometern zu installieren. Der französische Bahnkonzern Alstom soll laut Presseberichten das System auf der geplanten 82 Kilometer langen Nahverkehrsstrecke von New Delhi nach Meerut implementieren. Das Auftragsvolumen für die beiden Projekte beläuft sich auf insgesamt 300 Millionen US$.

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