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Mehr Geld für Indiens Wassersektor

Die indische Regierung will bis 2025 rund 150 Millionen Haushalte an die Wasserversorgung anschließen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssen die Ausgaben deutlich aufgestockt werden.

Von Boris Alex | New Delhi

Indien will die Investitionen im Wassersektor in den nächsten Jahren weiter hochfahren. Im Bundeshaushalt für das laufende Finanzjahr 2021/22 (1. April bis 31. März) wurden die Mittel auf umgerechnet 9 Milliarden US-Dollar (US$) fast verdreifacht. Mit rund 8 Milliarden US$ entfällt der Löwenanteil auf die Verbesserung der Trinkwasserversorgung und der sanitären Einrichtungen in den Ballungszentren. Die übrigen Gelder sind für Projekte zum Erhalt der Wasserressourcen und zum Gewässerschutz vorgesehen.

Die indische Regierung hat 2019 die Jal Jeevan Mission gestartet. Im Rahmen des rund 50 Milliarden US$ schweren Investitionsprogramms sollen bis 2024 alle ländlichen Haushalte einen Trinkwasseranschluss erhalten und täglich mit mindestens 55 Litern Wasser pro Kopf versorgt werden. Hatte zu Beginn des Programms im August 2019 nur jeder sechste der rund 191 Millionen Haushalte auf dem Land einen eigenen Wasseranschluss, waren es Ende März 2021 bereits fast 40 Prozent, so die Daten des zuständigen Ministeriums Jal Shakti. Doch damit sind nach wie vor fast 120 Millionen Haushalte in den ländlichen Regionen nicht an das Trinkwassernetz angeschlossen.

Alle städtischen Haushalte sollen Trinkwasseranschluss erhalten

In den Ballungszentren ist die Versorgungslage besser, 2018 hatten 60 Prozent der Haushalte einen eigenen Trinkwasseranschluss. Vor allem in den einkommensschwachen und dicht besiedelten Stadtteilen sind hingegen Gemeinschaftsanschlüsse verbreitet. In der Coronakrise hat sich gezeigt, dass diese das Infektionsrisiko zusätzlich erhöhen. Aus diesem Grund hat die Regierung die Jal Jeevan Mission auf die knapp 4.400 Städte des Landes ausgeweitet. Dort haben rund 27 Millionen Haushalte bislang keinen eigenen Trinkwasseranschluss. Um diese Lücke zu schließen, sind in den nächsten fünf Jahren Investitionen von etwa 38 Milliarden US$ nötig, so die Berechnung von Jal Shakti. Dabei soll auch der Privatsektor zum Zuge kommen: In Städten mit mehr als 1 Million Einwohnern können die Projekte im Rahmen von öffentlich-privaten Partnerschaften (Public-private-Partnership, PPP) finanziert werden.

Indiens Städte und Kommunen geben schätzungsweise 20 Milliarden US$ pro Jahr für die Wasserversorgung und Abwasserentsorgung aus, so die Unternehmensberatung EY. Der Großteil davon fließt in den Betrieb und die Instandhaltung bestehender Anlagen. Die kommunalen Wasserversorger sind chronisch unterfinanziert und haben kaum Spielräume für Investitionen in neue Trinkwasseraufbereitungsanlagen oder Klärwerke. Die wären aber dringend nötig, denn die Kapazitäten im Wassersektor reichen gerade einmal aus, um täglich 70 Liter pro Person bereitzustellen, knapp die Hälfte dessen, was laut Vereinten Nationen eigentlich notwendig wäre.

Bau von 500 Klärwerken bis 2024 geplant

Indien hat 2019 ein milliardenschweres Infrastrukturprogramm gestartet. Im Rahmen der National Infrastructure Pipeline ist unter anderem der Bau von 500 Kläranlagen und Wasseraufbereitungsanlagen geplant. Die Projekte haben ein Investitionsvolumen von 100 Milliarden US$ und sollen bis Ende 2025 realisiert werden. Daneben gibt es viele kleinere Erweiterungs- und Instandhaltungsvorhaben der kommunalen Wasserversorger. Der Sanierungsbedarf ist gewaltig: Allein in den Großstädten mit mehr als 50.000 Einwohnern fallen täglich 35 Milliarden Liter Abwasser an, aber nur ein Drittel davon wird behandelt, schätzt die Umweltbehörde Central Pollution Control Board. In ganz Indien gibt es etwa 600 operative Kläranlagen mit einer Kapazität von 24 Milliarden Litern pro Tag. Davon haben die meisten nur eine mechanische Reinigungsstufe.

Mit den im Haushalt 2021/22 beschlossenen Mehrinvestitionen im Wassersektor eröffnen sich weitere Geschäftschancen entlang der gesamten Wertschöpfungskette. Sowohl als Lieferant für Klärwerksausrüstung oder Messtechnik als auch als Anbieter von Beratungs-, Planungs- und Designdienstleistungen können deutsche Unternehmen von den Projekten im Wassersektor profitieren. Allein die Anlageinvestitionen in der indischen Wasserwirtschaft dürften bis 2024 zwischen 5 und 10 Prozent pro Jahr wachsen, so eine frühere Prognose von EY. Für 2019 veranschlagt das Beratungsunternehmen diese auf rund 13 Milliarden US$. Bis 2022 sollen sie auf 15 Milliarden US$ zulegen. Die öffentliche Hand hat daran einen Anteil von fast 70 Prozent.

Wachsender Bedarf an Pumpen und Ventilen

Die Ausweitung der Jal Jeevan Mission auf die indischen Städte dürfte der Nachfrage nach Ausrüstung wie Pumpen und Ventilen zusätzlichen Schub verleihen. Einer Analyse der Associated Chambers of Commerce and Industry of India (ASSOCHAM) machen sie rund 40 Prozent der gesamten Ausgaben im Rahmen des Programms aus. Dies könnte einen Mehrbedarf in dem Segment im Wert von gut 3 Milliarden US$ bis 2025 auslösen. Ein Viertel der Ausgaben entfällt auf Dienstleistungen im Bereich Engineering, Procurement and Construction (EPC), weitere 10 Prozent auf Wasserrohre, so die Daten von ASSOCHAM. Indien setzt im Wassersektor auf internationale Kooperationen. Anfang 2021 hat die Regierung Abkommen mit den Niederlanden und Japan geschlossen. Mit der Europäischen Union (EU) arbeitet Indien im Rahmen des India-EU Water Partnership zusammen.

Neben den kommunalen Versorgern bietet auch der Industriesektor Geschäftschancen im Bereich Wasseraufbereitung und Abwasserentsorgung. Hier sollen die Anlageinvestitionen bis 2022 auf knapp 3 Milliarden US$ zulegen, von 1,8 Milliarden US$ im Jahr 2018. Vor allem die Pharmabranche, die Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie sowie der Stahlsektor und die Energieerzeugung sind laut ASSOCHAM die Wachstumstreiber. Etwa ein Drittel der jährlichen Ausgaben in dieser Abnehmergruppe entfällt dabei auf Filtersysteme für den industriellen Einsatz. Strengere Auflagen zum Gewässerschutz für Industriebetriebe dürften der Nachfrage zusätzlichen Schub verleihen, so die Prognose des Industrieverbands.

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