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IranNahrungsmittel, Getränke / Tierzucht / Agroindustrie / Fischerei / Pflanzenproduktion / Land- und Forstwirtschaft, übergreifend
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Branchen | Iran | Nahrungsmittel, Landwirtschaft
Irans Nahrungsmittelsektor versorgt einen Inlandsmarkt mit 84 Millionen Konsumenten und ist im Export aktiv. Derzeit sinkt jedoch die lokale Nachfrage, aber die Ausfuhren steigen.
14.10.2020
Von Robert Espey | Dubai
In der verarbeitenden Industrie ist die Nahrungsmittelbranche der größte Arbeitgeber mit über 300.000 Mitarbeitern. Etwa 60 Prozent der Beschäftigten sind bei den rund 530 großen Branchenunternehmen mit 100 und mehr Mitarbeitern tätig. Ferner existieren etwa 4.000 Betriebe mit 10 bis 49 Mitarbeitern und etwa 560 Betriebe mit 50 bis 99 Mitarbeitern. Unter den Nahrungsmittelverarbeitern befinden sich rund 200 Getränkehersteller.
Die Branche ist geprägt von privaten Unternehmen. Gemäß Industriestatistik gab es 2018/19 (iranisches Jahr 1397: 21. März bis 20. März) nur 32 staatliche Firmen, darunter acht mit 100 und mehr Mitarbeitern. Zu den großen staatlichen Unternehmen gehören etwa Goosht Iran oder die Minoo Group.
Die seit Mitte 2018 anhaltende schwere Wirtschaftskrise mit hoher Inflation und einer Verschlechterung der Arbeitsmarktlage hat die Kaufkraft der privaten Haushalte deutlich schrumpfen lassen. Auch im Nahrungsmittelsektor ist dies zu spüren. Beobachter gehen von einem signifikanten Absatzrückgang aus, es werde bei den Lebensmittelausgaben gespart. Nach offiziellen Berechnungen hatten die Aufwendungen für Ernährung 2019/20 einen Anteil an den Ausgaben eines durchschnittlichen städtischen Haushalts von etwa einem Viertel.
Trotz gesunkener Nachfrage besteht in Iran jedoch das Risiko von Versorgungsengpässen, weil es gegenwärtig oft deutlich attraktiver ist, auf Auslandsmärkten zu verkaufen. Deshalb wurden für verschiedene Agrarerzeugnisse und Produkte der Nahrungsmittelindustrie Exportverbote erlassen. Beispiele sind Mehl, Wurstwaren, Fischprodukte, Speiseeis, rotes und weißes Fleisch oder Fertiggerichte aus Fleisch. Die Verbotsliste wird häufig modifiziert.
Nach der Anfang 2016 erfolgten Sanktionslockerung hatte die iranische Nahrungsmittelindustrie auf eine Modernisierung in Zusammenarbeit mit ausländischen Partnern gehofft. Es sollten viele neue Projekte wie die schon bestehenden Engagements von Nestle, Danone oder Savola geben. Die Rückkehr und Ausweitung der US-Sanktionen haben aber die meisten ausländischen Firmen von neuen Iran-Projekten abgehalten. Ein möglicher Wechsel im Weißen Haus könnte die Situation 2021 verändern.
Produkte | 2015 | 2016 | 2017 | 2018 | 2019 |
---|---|---|---|---|---|
Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen 1) | 46 | 90 | 100 | 88 | 49 |
Landtechnik 2) | 17 | 14 | 10 | 8 | 2 |
Nach Angaben des Statistikamtes befindet sich der Agrarsektor auf einem stabilen Wachstumspfad. Die Wertschöpfung hat sich zwischen 2011/12 und 2019/20 real (preisgereinigt) um 27,5 Prozent erhöht. Mit Ausnahme von 2018/19, als der Agrarsektor um 2,2 Prozent schrumpfte, wurden jährliche Zuwächse erzielt, die sich zwischen 1,2 Prozent (2017/18) und 5,4 Prozent (2015/16) bewegten.
Produkte | 2016/17 | 2017/18 |
---|---|---|
Weizen | 12.400.000 | 13.300.001 |
Gerste | 2.974.039 | 3.101.774 |
Reis | 3.206.061 | 3.106.380 |
Mais | 1.068.689 | 946.021 |
Erbsen | 277.954 | 300.548 |
Bohnen | 244.894 | 255.083 |
Linsen | 82.701 | 83.482 |
Sojabohnen | 91.335 | 83.303 |
Zuckerohr | 8.079.807 | 7.393.564 |
Zuckerrüben | 7.800.000 | 5.100.000 |
Sesam | 31.019 | 30.649 |
Kartoffeln | 5.019.271 | 5.142.891 |
Zwiebeln | 2.304.877 | 2.421.299 |
Tomaten | 5.351.294 | 5.667.011 |
Melonen | 1.758.194 | 1.915.735 |
Wassermelonen | 3.837.042 | 3.611.999 |
Gurken | 1.495.019 | 1.449.817 |
Tierfutter | 20.183.976 | 20.952.571 |
Baumwolle | 180.176 | 165.295 |
Tabak | 19.273 | 19.413 |
Der Nahrungsmittelsektor ist mit einem Anteil an Irans Nicht-Öl-Ausfuhren von etwa 20 Prozent ein wichtiger Exporteur. Das Landwirtschaftsministerium gibt für 2019/20 die Ausfuhren von Agrarerzeugnissen und verarbeiteten Lebensmitteln mit 5,8 Milliarden US-Dollar (US$) an, dies entspricht einem Rückgang gegenüber dem Vorjahr von 9 Prozent.
Produkt | 2016/17 (1395) | 2017/18 (1396) | 2018/19 (1397) |
---|---|---|---|
Milch | 9,70 | 10,2 | 10,6 |
Weißes Fleisch | 2,10 | 2,2 | 2,3 |
Rotes Fleisch | 0,82 | 0,84 | 0,83 |
Eier | 0,94 | 0,89 | 0,90 |
Fisch | 1,06 | 1,16 | 1,21 |
Garnelen | 0,03 | 0,04 | 0,06 |
Honig | 0,08 | 0,09 | 0,09 |
Pistazien wurden 2019/20 für 965 Millionen US$ (einschließlich geschälte Pistazien) ins Ausland verkauft. Es folgten Äpfel (362 Millionen US$), Tomaten (259 Millionen US$) und Wassermelonen (176 Millionen US$). Die Ausfuhren von Produkten tierischen Ursprungs (ohne Fische) summierten sich auf 719 Millionen US$. Fischereierzeugnisse wurden für 249 Millionen US$ exportiert.
In den ersten fünf Monaten 2020/21 (21. März bis 20. August 2020) zeigte der Nahrungsmittelexport eine positive Entwicklung. Die Ausfuhren erhöhten sich um 8,5 Prozent auf 2,1 Milliarden US$. Die wichtigsten Abnehmerländer waren Irak (745 Millionen US$), Afghanistan (318 Millionen US$), die Vereinigten Arabischen Emirate (162 Millionen US$), Russland (147 Millionen US$), Pakistan (119 Millionen US$) und China (83 Millionen US$). Nach Deutschland wurde für 58 Millionen US$ geliefert.
Trotz des hohen Selbstversorgungsgrades stieg der Nahrungsmittelimport 2019/20 um 17 Prozent auf 12,6 Milliarden US$. Es wurde Mais für 2,2 Milliarden US$ importiert, es folgten Reis (1,7 Milliarden US$), Gerste (1,0 Milliarden US$), Ölkuchen (1,0 Milliarden US$) und Sojabohnen (0,9 Milliarden US$). Der Import von Produkten tierischen Ursprungs lag bei 1,4 Milliarden US$. In den ersten fünf Monaten 2020/21 schrumpften die Importe um 27 Prozent auf 4,1 Milliarden US$.
Die ursprünglich für Juni 2020 geplante 27. Ausgabe der Messe "Agrofood" hat vom 3. bis 7. Oktober in Teheran stattgefunden. Angesichts der schwierigen Rahmenbedingungen muss die Veranstaltung, die seit 1994 jährlich organisiert wird, als Erfolg gewertet werden. Das Heidelberger Messeunternehmen Fairtrade ist Mitveranstalter der "Agrofood". Unter dem Dach der "Agrofood" finden fünf spezialisierte Messen statt (iran agro, iran food + hospitality, iran food ingredients, iran bakery + confectionery, iran food + bev tec).
In sieben Messehallen (Hallen 5 bis 11) präsentierten sich auf der "Agrofood 2020" insgesamt 188 Aussteller. Es waren nahezu ausschließlich lokale Unternehmen. In den Messehallen gab es nicht das sonst übliche Gedränge, ein Messebesuch war nur auf Einladung möglich. Die Stimmung war verständlicherweise eher gedämpft.
Die US-Sanktionspolitik hatte schon 2019 zu einer deutlichen Schrumpfung der Messe geführt. Nach Angaben der Veranstalter lag 2019 die Zahl der Aussteller bei 888, davon kamen 166 aus dem Ausland. Im beiden Jahren zuvor waren es 1.225 (2018) und 1.405 (2017) Aussteller, darunter 488 beziehungsweise 746 ausländische Firmen.
Deutschland beteiligte sich an der "Agrofood" 2017, 2018 und 2019 mit einem offiziellen, vom Bundesministerium für Wirtschaft und Energie geförderten Firmengemeinschaftsstand. Die Zahl der deutschen Firmen am deutschen Stand sank von 56 (2017; ohne Unteraussteller) auf 26 (2018) und schließlich auf nur noch 9 (2019). Für 2021 ist wieder ein deutscher Gemeinschaftstand geplant. Fairtrade zufolge sind Anmeldungen ab Dezember möglich.