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Die Entwicklung des iranischen Petrochemiesektors wird durch die US-Sanktionen erheblich behindert. Dennoch will Iran an seinen ambitionierten Ausbauplänen festhalten.
09.06.2020
Von Robert Espey | Dubai
Nach Angaben der National Petrochemical Company (NPC), die für die Planung und Steuerung des Petrochemiesektors zuständig ist, erhöhte sich 2019/20 (iranisches Jahr 1398; 21. März bis 20. März) der Ausstoß der 56 Petrochemieanlagen um 2 Prozent auf 55 Millionen Tonnen. Davon entfielen 31 Millionen Tonnen auf vermarktbare Produkte. Die restlichen 24 Millionen Tonnen wurden als Vorprodukte (Feedstock) betriebsintern oder in anderen petrochemischen Firmen verbraucht.
Teheran hat für seine petrochemische Industrie unverändert sehr ambitionierte Entwicklungsziele und will den Auswirkungen der US-Sanktionen trotzen. Im Herbst 2019 kündigte NPC-Chef Behzad Mohammadi die Inbetriebnahme von vier Petrochemieprojekten im Wert von 2 Milliarden US-Dollar (US$) bis Ende 2019/20 an. Der Abschluss von 16 Projekten sei für 2020/21 vorgesehen und weiterer 26 Projekte bis Ende 2025/26, so Mohammadi.
Die Projekte sollen die aktuellen Produktionskapazitäten von 66 Millionen Tonnen/Jahr bis Ende 2020/21 auf 100 Millionen Tonnen erhöhen und dann bis Ende 2025/26 auf 133 Millionen Tonnen. Noch 2018 hatte die NPC von einer Kapazitätserweiterung bis 2024/25 auf 180 Millionen Tonnen gesprochen. Aber auch die Realisierung der gesenkten Zielmarken ist sehr fraglich. Wie in der Vergangenheit, dürfte der Ausbau der petrochemischen Industrie deutlich länger dauern als geplant.
Der Petrochemiesektor ist nach der Öl- und Gasförderung Irans größter Industriezweig und ist nach dem sanktionsbedingten Einbruch der Ölausfuhren die wichtigste Exportbranche. Nach NPC-Angaben wurden 2019/20 rund 23 Millionen Tonnen petrochemische Erzeugnisse im Wert von 9,5 Milliarden US$ exportiert, dies entsprach etwa 23 Prozent des iranischen Nichtölexports.
Vor allem aufgrund gesunkener Preise ist der Petrochemieexport 2019/20 wertmäßig zwar stark gesunken (2018/19: 13,9 Milliarden US$). Aber ein mengenmäßiger Einbruch aufgrund der im November 2018 wieder reaktivierten US-Sanktionen ist bislang ausgeblieben. Anders als der Rohölexport sei der Handel mit petrochemischen Erzeugnisse schwerer zu überwachen, so eine Begründung.
China ist der größte Kunde der iranischen Petrochemieindustrie. Im März 2020 verhängten die USA Sanktionen gegen sechs chinesische und ein südafrikanisches Unternehmen, denen die Beteiligung am Handel mit iranischen Petrochemieprodukten vorgeworfen wird. Nach Angaben des U.S. Department of State wird die südafrikanische Firma von Iran kontrolliert.
Die Wirtschaftssanktionen hatten vor 2016 die Umsetzung vieler Petrochemieprojekte stark verzögert. Die Reaktivierung der US-Sanktionen im November 2018 ver- oder behindern nun erneut die Beschaffung notwendiger Technologie im Ausland. Die zwischen 2016 und 2018 mit westlichen Partnern begonnenen oder wieder aufgenommenen Kooperationen sind zwischenzeitlich weitgehend eingestellt worden.
Als deutsche Firmen waren unter anderem Linde, BASF und ThyssenKrupp im Petrochemiesektor aktiv. Erst nach einer Änderung der Washingtoner Iran-Politik ist mit einer Rückkehr der westlichen Unternehmen zu rechnen. Derzeit ist der Iran vor allem auf die Kompetenz einheimischer Unternehmen angewiesen, die mittlerweile über erhebliches Know-how verfügen.
Die iranischen Petrochemiehersteller sprechen von fortbestehendem Interesse westlicher Firmen an einer Zusammenarbeit. Auf der "K", der weltweit führenden Fachmesse der Kunststoff- und Kautschukindustrie, die im Oktober 2019 in Düsseldorf stattfand, präsentierten sich acht iranische Aussteller. Ein NPC-Vertreter erklärte, viele europäische Firmen seien an einer Wiederaufnahme ihrer Aktivitäten in Iran interessiert.
Von den vier für 2019/20 vorgesehenen Inbetriebnahmen neuer Petrochemieanlagen scheint bislang nur die zweite Phase der Takht Jamshid Petrochemical Plant fertiggestellt zu sein. Die Anlage wurde im Januar 2020 eingeweiht und kann jährlich 55.000 Tonnen PBR (Polybutadiene Rubber) erzeugen. Die erste Phase produziert seit 2016.
Zu den Projekten mit geplanter Fertigstellung 2019/20 gehörte auch die Kaveh Methanol Anlage in Bandar Dayer (Provinz Bushehr) mit einer Kapazität von 2,31 Millionen Tonnen/Jahr. Die Bauarbeiten begannen 2004. Von einer kurz bevorstehenden Inbetriebnahme wird schon seit Jahren gesprochen. Im Mai letzten Jahres (2019) erklärte der CEO von Kaveh Methanol, Foad Jaberi, die Anlage sei bereit für den Produktionsstart. Jetzt steht Kaveh Methanol für 2020/21 erneut auf der Liste der geplanten Fertigstellungen.
Produkte | 2016/17 (1395) | 2017/18 (1396) | 2018/19 (1397) | 2019/20 (1398) |
---|---|---|---|---|
Alle Produkte | 50.726 | 53.574 | 53.560 | 54.516 |
Polymere | 6.163 | 6.719 | 6.955 | 7.437 |
Polyethylen (PE) | 3.972 | 4.267 | 4.444 | 4.824 |
Polypropylen (PP) | 868 | 886 | 823 | 889 |
Polystyrol (PS) | 226 | 313 | 427 | 429 |
Acrylnitril-Butadien-Styrol (ABS) | 53 | 57 | 60 | 63 |
Polyvinylchlorid (PVC) | 503 | 574 | 574 | 587 |
Epoxidharz (Epoxy Resin/ER) | 0 | 5 | 5 | 5 |
Polycarbonate (PC) | 9 | 16 | 12 | 8 |
Polyethylenterephthalat (PET) | 445 | 509 | 515 | 527 |
Styrol-Butadien-Kautschuk (SBR) | 52 | 53 | 56 | 65 |
Poly-Butadien-Kautschuk (PBR) | 35 | 39 | 39 | 39 |
Harnstoff (Urea) | 5.032 | 5.535 | 6.121 | 5.959 |
Ammoniak | 3.795 | 4.285 | 4.452 | 4.172 |
Andere Erzeugnisse | 35.736 | 37.035 | 36.032 | 36.949 |
Ende Mai (2020) erklärte die NPC, die Fertigstellung von 12 Projekten im Wert von 12 Milliarden US$ werde 2020/21 die Kapazitäten um 20 Millionen auf 86 Millionen Tonnen erhöhen. Neben Kaveh Methanol gehören zu den für 2020/21 geplanten Fertigstellungen unter anderem eine Olefin Anlage im Ilam Petrochemical Complex, die Bidboland Persian Gulf Gas Refinery in Behbahan (Provinz Khuzestan), Urea und Ammoniak Werke im Lordegan Petrochemical Complex (Provinz Chaharmahal und Bakhtiari), Ammonium und Urea Anlagen der Masjed Soleyman Petrochemical Company (Provinz Khuzestan), das Hegmataneh Petrochemical Werk in Hamedan, der Miandoab Petrochemical Complex in West Aserbaidschan und der Kangan Petro Refining Complex (Provinz Bushehr).
Ein weiterer Neuzugang 2020/21 müsste das Bushehr Methanol Werk der Bushehr Petrochemical Company (16th Olefin and Methanol) sein (Kapazität: 1,65 Millionen Tonnen/Jahr). Das Vorhaben sollte eigentlich bereits 2019/20 in Produktion gehen.
In Iran besteht Knappheit an Propylen, das zur Herstellung zahlreicher Kunststoffe benötigt wird. Zur Steigerung der Propylen-Produktion muss die Methanol-Gewinnung entsprechend erhöht werden (Methanol to Propylene). Aktuell hat Iran bei Propylen eine Produktionskapazität von 0,99 Millionen Tonnen/Jahr. Bis 2025/26 wird eine Verdoppelung angestrebt.