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Branchen | Italien | Kfz-Teile, Zulieferindustrie

Der Motor läuft noch nicht rund

Halbleiterknappheit, verzögerte Fördermittel und der drastische Strukturwandel machen Italiens Kfz-Branche zu schaffen. Geplant sind mindestens zwei Gigafactories für Batterien. 

Von Oliver Döhne | Mailand

Nach einem kurzen Aufschwung dank starker Kaufanreize schien sich Italiens Kfz-Industrie im 1. Halbjahr 2021 vergleichsweise schnell vom Einschlag der Coronakrise zu erholen. Doch im Juli und August kam es erneut zu einem stärkeren Einbruch bei den Neuzulassungen auf dem drittgrößten Markt der Europäischen Union. Im August lag die Zahl der Neuzulassungen rund 27 Prozent unter der vom August 2020.

Während genau vor einem Jahr die neuen Kaufanreize für eine Erholung sorgten, sind vorübergehend ausgeschöpfte Mittel nun für den Absturz verantwortlich. Zwar hat die Regierung rund 200 Millionen Euro für den Kauf von Hybridfahrzeugen und Benzinern mit einem Schadstoffausstoß zwischen 61 und 135 Gramm CO2 pro Kilometer bereitgestellt und auch Nutzfahrzeuge und Gebrauchtwagen in das Förderschema einbezogen. Allerdings mangelt es nun an neuen Mitteln für die eigentlich primär förderwürdigen Batterieelektro- und Plug-In-Fahrzeuge. Für dieses Marktsegment waren, bei gleichzeitiger Verschrottung eines Altwagens, Rabatte von bis zu 10.000 Euro möglich. 

Trotz der Förderung und obwohl der Anteil der Befragten, der sich in den kommenden zwölf Monaten ein Fahrzeug kaufen will, laut Statistikamt seit Jahresbeginn stetig angestiegen ist, sind Branchenexperten besorgt. Nach dem heftigen Rückgang um rund 500.000 Neuzulassungen im Vorjahr könnten 2021 erneut 300.000 Fahrzeuge weniger verkauft werden als 2019. Marktführer war im 1. Halbjahr 2021 die Stellantis-Gruppe mit einem Marktanteil von rund 40 Prozent, gefolgt von der VW-Gruppe mit 16,5 Prozent, Renault mit 8,7 Prozent, Toyota mit 6,1 Prozent, Ford mit 5,9 Prozent, BMW mit 4,7 Prozent und Daimler mit 3,7 Prozent.

Produktion verfehlt Vorkrisenniveau

Die stückmäßige Kfz-Produktion Italiens stieg im 1. Halbjahr 2021 gegenüber der entsprechenden Vorjahresperiode zwar wieder deutlich an, verfehlte aber das Ergebnis aus dem noch coronafreien 1. Halbjahr 2019 um fast 10 Prozent. Wertmäßig lagen beim Vergleich mit 2019 sowohl die Produktion von Kfz, als auch die von Karosserien und Kfz-Teilen unter dem Durchschnitt der gesamten verarbeitenden Industrie.

Infolge der Lieferengpässe bei Halbleitern, die schon in mehreren Werken von Stellantis für einen vorübergehenden Produktionsstopp gesorgt haben, könnte die Lage im Herbst noch schwieriger werden. Rund die Hälfte der italienischen Pkw läuft im süditalienischen Melfi vom Band, wo 7.200 Beschäftigte im 1. Halbjahr 2021 rund 13.000 Fiats und Jeeps montierten. Melfi soll wegen fehlender Halbleiter erst am 13. September wieder in Betrieb gehen und dann auch nur für fünf Tage bis zum Monatsende.

Kfz-Produktion im 1. Halbjahr (Einheiten, Veränderung in Prozent)

2021

Veränderung 2021/2020

Veränderung 2021/2019

Pkw

248.563

80,2

-21,0

Leichte Nfz

178.990

55,4

9,3

Schwere Nfz

33.590

76,9

4,0

Quelle: Associazione Nazionale Filiera Industria Automobilistica (Anfia; italienischer Automobilverband)

Eine Ausnahme von der zähen Lage bildeten bislang Nutzfahrzeuge, bei deren Produktion Italien im 1. Halbjahr 2021 die höchsten Zuwachsraten aller großen europäischen Hersteller verzeichnete. Dafür ist in erster Linie Iveco verantwortlich. Das Unternehmen baut in Turin, Brescia, Suzzara und Foggia schwere Lkw. Lieferwagen kommen in größerem Umfang aus der Region Abruzzen, wo FCA (Fiat) und PSA (Peugeot Société Anonyme) bereits vor ihrer Fusion zum Stellantis-Konzern gemeinsam produzierten. Aber auch hier wirkten sich bereits Lieferengpässe bei Halbleitern aus. Diese könnten sich weiter verstärken und bis weit in das Jahr 2022 anhalten.

Neue Halbleiterfabrik von STMicroelectronics vor der Inbetriebnahme

Im 3. Quartal 2022 soll die neue Halbleiterfabrik von STMicroelectronics bei Mailand in Betrieb gehen. Italien hofft in diesem Zusammenhang auch, die geplante Investition einer Halbleiterfabrik in Europa von Intel nach Turin holen zu können. 

Komponenten aus Deutschland sind nach wie vor gefragt. Zwischen Januar und Mai 2021 stieg der italienische Gesamtimport von Komponenten um rund 40 Prozent, er kam zu einem Viertel aus Deutschland. In einem "normalen" Jahr wie 2019 importiert Italien Autoteile im Wert von deutlich über 15 Milliarden Euro. 

Stellantis elektrifiziert alle Modelle

Wichtigster Trend ist auch in Italien die Elektrifizierung der Fahrzeugpalette. Hybrid- und E-Autos erzielen hohe Zuwachsraten und erreichen mit leichter Verzögerung nun auch in Italien einen erheblichen Marktanteil. Im August 2021 machten Hybridfahrzeuge bereits über 31,7 Prozent der Neuzulassungen aus. Mit rund 300.000 neu zugelassenen Hybriden zwischen Januar und August 2021 war Italien hinter Deutschland der größte europäische Markt in diesem Segment. Mit Monatsneuzulassungen von 3.199 und 3.247 Einheiten hatten Plug-Ins und Batterieelektroautos im August 2021 jeweils einen Marktanteil von etwa 5 Prozent.

Stellantis verkündete, ab 2023/24 für alle Modelle elektrische Versionen anzubieten. Alfa Romeo will der Konzern spätestens 2027 nur noch in elektrischer Version produzieren. Um das zu realisieren, wird Stellantis im süditalienischen Molise eine Batterie-Gigafactory bauen. Offenbar gibt es auch Pläne für eine weitere Anlage in Turin, wo Italvolt in Kürze mit dem Bau eines Großbatteriewerks beginnen will.

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