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Branchen | Italien | Automobilsektor
Die Produktion der Branche in Italien nimmt seit dem Coronaeinbruch tendenziell wieder zu, bleibt aber noch deutlich unter Vorkrisenniveau.
05.03.2021
Von Oliver Döhne | Mailand
Zwischen Juli und November 2020 verzeichnete die Kfz-Produktion (Nace 291) ein durchgängiges Wachstum und schnitt damit besser ab als die gesamte Industrie, die im November wieder ins Minus kippte. Trotz weiterhin schwacher Werte aus der Karosserie- und Teilproduktion legte die Produktion der Automobilindustrie insgesamt (Nace 29) im November gegenüber Oktober um 10,7 Prozent zu.
Trotz dieses Hoffnungsschimmers überwiegen die im 1. Halbjahr 2020 aufgelaufenen Schäden infolge des Coronalockdowns in Kombination mit den Herausforderungen des Strukturwandels der Branche. Die wertmäßige Produktion der italienischen Automobilindustrie sank zwischen Januar und November 2020 mit rund -23 Prozent deutlich stärker als die Gesamtindustrie. Dabei schrumpfte laut Statistikamt besonders die Herstellung von Karosserien, Aufbauten und Anhängern (akkumuliert: 28,6 Prozent), von Kfz-Teilen und -zubehör (-27,7 Prozent), aber auch die von Kraftfahrzeugen und Motoren (-17,5 Prozent). Die Pkw-Produktion ging zwischen Januar und November um 20 Prozent zurück.
Ähnlich wie in anderen größeren Herstellerländern kommt es laut Fachverband Anfia zurzeit auch in der italienischen Kfz-Produktion zu Engpässen bei Mikroprozessoren sowie bei Stahl- und Plastikteilen, bei letzteren insbesondere solche aus ABS-Kunststoffen, aus Propylen und Polyamid. Bei Stahlteilen klagt Anfia über lange Lieferzeiten und stark gestiegene Kosten und fordert ein Ende der diesbezüglichen Handelshemmnisse mit den USA.
Der Zusammenschluss der Fiat-Chrysler Gruppe (FCA) und PSA zur Stellantis-Gruppe bringt auch eine schrittweise Umstrukturierung der lokalen Produktion von FCA-Modellen mit sich. Viele künftige Modelle könnten auf gemeinsamen Plattformen erstellt werden, wahrscheinlich verstärkt außerhalb Italiens. Ein Beispiel ist das elektrische Nachfolgemodell des Panda, der voraussichtlich auf der PSA-Plattform in Polen produziert wird. Ähnliches könnte für ein SUV-Modell von Alfa Romeo gelten. Stellantis trennt sich offenbar in Italien langsam von der Produktion von Kleinwagen (B-Klasse) und will sich stärker auf City Cars (A) und Oberklasse-Fahrzeuge konzentrieren, insbesondere der Marke Maserati. Ein neuer gemeinsamer Industrieplan der Stellantis-Partner stand zu Redaktionsschluss noch aus.
Nach bisherigen Plänen von FCA sollen die eigenen Werke in Italien verstärkt auf Hybride und E-Autos ausgerichtet werden. In den Turiner Werken Mirafiori und Grugliasco, in die FCA kürzlich 800 Millionen Euro investiert hat, läuft die neue E-Version des Fiat 500 vom Band. Außerdem produziert der Autobauer dort ein Hybridmodell von Maserati, den Maserati Ghibli, sowie die neuen Versionen des Gran Turismo und Gran Cabrio. In Modena wird das künftige Flaggschiff der neuen Maserati-Initiative produziert, der Sportwagen MC20, auch als E-Version. In Cassino, wohin ebenfalls 800 Millionen Euro flossen, soll das kompakte Maserati-SUV-Modell Grecale montiert werden.
Melfi ist das Zentrum neuer Hybridmodelle der Marke Jeep. In Pomigliano wird neben dem Panda-Hybrid ein neues Premiummodell von Alfa Romeo produziert. Im Werk Sevel bei Pescara, wo Stellantis in Kooperation mit Renault kleine Lieferwagen produziert, soll ab 2021 eine elektrische Version des Fiat Ducato vom Band laufen.
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Italvolt, Bau der ersten Gigafabrik für E-Auto-Batteriezellen in Italien | 4 Mrd. | Frühphase, ab 2024 | Eine anfängliche Kapazität von 45 GWh, die später auf 70 GWh erweitert werden könnte. Die Fabrik soll von Pininfarina entworfen werden. |
1,5 Mrd. | Ab 2021 | Werk Mirafiori, Maserati wurden bisher in Modena gefertigt | |
Produktionsanlage und Designzentrum FAW/Silk EV in der Region Emilia Romagna | 1,4 Mrd. | Ab Ende 2021 | Entwurf, Design und Produktion mehrere Sportwagen und Luxusmodelle der Marke HongQi in Zusammenarbeit mit Dallara |
1 Mrd. | bis 2030 | Verkehrsleitsysteme, Kameras, Sensoren, Rechenzentrum, Drohnen | |
1 Mrd. | 2021 | Produktion im Werk Pomigliano d'Arco | |
31 Mio. | 2022 | Automotive-Zentrum, Forschung und Entwicklung | |
26 Mio. | 2021 | Der Bau des achten Porsche Experience Center |
Die italienischen Zulieferer sind durch den Doppelschock aus Branchendisruption und Corona stark unter Druck geraten. Viele versuchen, sich möglichst schnell auf neue Powertrain-Technologien einzustellen, um die Hersteller auch bei neuen Antriebsformen begleiten zu können. Dazu will Italien auch eine eigene Batterieproduktion starten. Mitte Februar verkündete der Unternehmer Lars Carlstrom den Plan, ab 2024 Europas größte Batteriefabrik zu bauen und neben eigenem Kapital auch Investoren einzubeziehen. Die Projektsumme soll sich auf bis zu 4 Milliarden Euro belaufen.
Der Branchenumsatz der einheimischen Zulieferer lag 2019 rund 49,2 Milliarden Euro. Rund 2.200 Unternehmen beschäftigen etwa 164.300 Personen. Rund 45,7 Prozent der Firmen sind Spezialisten, 30 Prozent sind Unterlieferanten, 12,5 Prozent Dienstleister, 7,6 Prozent sind Engineering- und Designfirmen und 4,2 Prozent sind Modul- und Systemanbieter. Rund 36 Prozent der Zulieferer bezeichnen sich als Tier 1 und 39 Prozent als Tier 2.
Den meisten Umsatz erzielen die 92 Systemanbieter mit rund 13,6 Milliarden Euro sowie die Spezialisten, die rund 23,1 Milliarden Euro alleine mit den OEM verdienen.
Rund 44 Prozent der Zulieferer sind in der Region Piemont ansässig, 24 Prozent in der Lombardei, 7 Prozent in Venetien und 6 Prozent in der Emilia-Romagna. Weitere größere Zulieferregionen sind die Toskana, Abruzzen und Kampanien.
Kategorie | 2018 | 2019 | 2020 |
---|---|---|---|
Pkw | 673.196 | 542.007 | 451.826 |
LKW | 388.761 | 372.671 | 325.004 |
Busse | 130 | 148 | 335 |
Insgesamt | 1.062.087 | 914.826 | 777.165 |
Die Abhängigkeit der italienischen Zulieferer von der Fiat-Gruppe hat nachgelassen. Obwohl 2019 etwa 73 Prozent der Unternehmen angaben, FCA direkt oder indirekt zu beliefern, war der Konzern insgesamt nur noch für 36 Prozent des Umsatzes der italienischen Zulieferer verantwortlich. Drei Viertel von ihnen exportieren. Wichtigste Abnehmer unter den OEM waren 2019 neben FCA die Volkswagen-Gruppe, Daimler und PSA. Die Fusion von PSA und FCA sieht die Mehrheit der Zulieferer als Chance für mehr Absatz, zum Teil besteht aber auch die Sorge, sich auf neue Standards von PSA einstellen zu müssen, wenn der Konzern künftig auf einheitlichen Plattformen produziert. Als strukturelle Schwächen vieler italienischer Zulieferer gelten die geringe Unternehmensgröße und der schwierige Zugang zu Kapital.
Kategorie | 2019 | 2020 | Veränderung 2020/19 |
---|---|---|---|
Pkw | 292.415 | 252.452 | -13,7 |
Leichte Lkw (bis 3,5t) | 260.601 | 225.638 | -13,4 |
Schwere Lkw (ab 3,5t) | 51.442 | 41.185 | -19,9 |
Busse | 83 | 27 | -67,5 |
Insgesamt | 604.541 | 519.302 | -14,1 |
Größter Lieferant von Kfz-Teilen aus dem Ausland ist mit Abstand Deutschland vor Frankreich und Polen. Weitere wichtige Lieferländer sind China, Spanien, Tschechien, die Türkei, die USA, das Vereinigte Königreich und Rumänien.
Januar - Oktober 2020 | Veränderung Januar - Oktober 2020/Januar -Oktober 19 | aus Deutschland Januar - Oktober 2020 | |
SITC 778.3 Kfz-Elektrik | 676 | -12,5 | 118 |
SITC 784 Karosserien, Stoßstangen etc. | 5.100 | -20,2 | 1.581 |
SITC 773.13 Zündkabelsätze | 426 | -11,6 | 17 |
SITC 713.2 Motoren | 807 | -27,6 | 64 |
Summe | 7.009 | -20,0 | 1.779 |