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JapanPhotonik, Elektronische Bauelemente / Nanotechnik
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Japan investiert in die Mikrosystemtechnik, die ein hohes Wachstumspotenzial besitzt. Die Coronakrise wird die Entwicklung nur kurzfristig verlangsamen.
05.10.2020
Von Jürgen Maurer | Tokyo
Japan zählt international nach wie vor zu den wichtigsten Akteuren im Segment Mikro- und Nanosystemtechnik (micro-electro-mechanical system, MEMS; nano-electro-mechanical system, NEMS). Dabei erfolgt die Produktion zumeist in Japan. Gleichzeitig sind japanische Anbieter international die wichtigsten Lieferanten für Vorerzeugnisse und Herstellungsausrüstung. Daher dürfte sich Japans MEMS-Sektor auch 2020 trotz Coronakrise relativ gut entwickeln.
Aufgrund der Coronakrise investieren japanische Unternehmen mehr in die Digitalisierung und die Modernisierung ihrer Informations- und Kommunikationsinfrastruktur, als sie es ansonsten getan hätten. Der Ausbau von Datenzentren und 5G-Mobilkommunikation steigt, um die Basis für neue Anwendungen wie autonome Fahrzeuge sowie für mehr Verkäufe von Ausrüstung und Geräten zu legen.
Im medizintechnischen Bereich und bei bestimmten industriellen Anwendungen hat die Nachfrage nach MEMS-Produkten ebenfalls zugenommen. Durch die Coronapandemie werden mehr kontaktlose Lösungen benötigt, wie kurzfristig etwa zur Körpertemperaturmessung oder langfristig auch zur Öffnung von Türen oder zur Nutzung von Displayanzeigen. Fabrikautomatisierung und der Einsatz von Robotern lassen den Bedarf an MEMS-Erzeugnissen ebenfalls steigen.
In Japan selbst sinkt dagegen der Absatz bei großindustriellen Abnehmern wie der Automobilindustrie und der Verbraucherelektronik kurz- und mittelfristig. Die Verkäufe von Autos und Digitalkameras sind deutlich eingebrochen, bei Smartphones stagnieren sie. Jedoch wird erwartet, dass mit dem Ausbau der 5G-Mobilkommunikationsinfrastruktur die Smartphoneverkäufe wieder an Fahrt gewinnen.
Da die Einsatzfelder von MEMS in verschiedenen Anwendungsbereichen, wie Präzisionsinstrumente, 5G, Datenzentren, vernetzten Fahrzeugen et cetera grundsätzlich zunehmen, sollten die Auswirkungen der Covid-19-Entwicklung zeitlich begrenzt bleiben. Laut dem Marktforschungsunternehmen Yole soll der weltweite Umsatz mit MEMS zwischen 2019 und 2025 von 11,5 Milliarden auf 17,7 Milliarden US-Dollar (US$) steigen.
Einem Bericht des US-Marktforschungsunternehmens SEMI zufolge stand Japan im Jahr 2018 bei den Produktionskapazitäten für MEMS und Sensoren an erster Stelle, gefolgt von Taiwan und den USA. Japan und Taiwan sollen ihre Position trotz der umfangreichen Investitionen von chinesischer Seite zumindest bis 2023 verteidigen können.
Dazu dürfte beitragen, dass Sony in ein großes Produktionswerk für Bildsensoren in Japan investiert. Zwar hat Sony den Investitionsumfang wegen potenziell wegfallender Aufträge des chinesischen Huawei-Konzerns gegenüber den ursprünglichen Plänen etwas gekürzt, wird jedoch im Segment Bildsensoren weltweit weiter an der Spitze stehen. Der stärkste Konkurrent ist der südkoreanische Samsung-Konzern.
Die weltweiten Lieferungen japanischer Unternehmen im MEMS-Segment beliefen sich im Jahr 2018 auf 1,2 Milliarden US$, so Angaben des Branchenverbandes Japan Electronics and Information Technology Association (JEITA). Dabei handelte es sich hauptsächlich um Sensoren jeglicher Art. Die meisten lokalen Unternehmen des MEMS-Bereichs sind im Micro Machine Center organisiert, darunter sehr viele bekannte Namen wie Panasonic, Murata, Omron, Sony oder TDK.
Deren Produktion von MEMS-Teilen dürfte sich gut entwickelt haben. Daten der JEITA ist zu entnehmen, dass in den ersten sechs Monaten 2020 die Produktion von elektronischen Bauteilen und Geräten auf Yen-Basis zwar stagnierte. Darunter war jedoch im Segment elektronische Komponenten ein Zuwachs von 5,8 Prozent zu verzeichnen.
Sensorik und Netzwerktechnik sind für die Entwicklung von Internet-der-Dinge-Anwendungen sowie für alle Arten der Erfassung und Verarbeitung von Bild-, Ton- und Videodaten grundlegend. Mit der Messung von Gasen, Flüssigkeiten, Druck und Temperaturen sind die Einsatzfelder vielfältig. Japan wird daher im MEMS-Bereich weiter forschen, entwickeln und investieren, sowohl von Unternehmensseite als auch mit staatlicher Forschungsunterstützung.
Beispielsweise haben Forscher der Kyushu-Universität mittels Tintenstrahldrucker herstellbare Gassensoren entwickelt. Andere Sensoren aus Kunststoffen lassen sich unter anderem durch 3D-Technik erzeugen. Nicht zuletzt sind in Textilien eingebettete Sensoren für Wearables Teil eines Trends, kostengünstige, leicht zu produzierende und mit zusätzlichen Funktionen ausgestattete MEMS-Anwendungen zu entwickeln.
Im laufenden fünften Wissenschafts- und Technologieplan gehört die integrierte Material- und Nanotechnologieforschung zu den elf Kernbereichen, die für die Umsetzung des Society-5.0-Konzepts ausgewählt wurden. Eine Vielzahl von Forschungsinstituten und Universitäten, die sich mit der Verbesserung von Materialeigenschaften für kleine Strukturen beschäftigen, ist in der Nanotechnology Platform und der Advanced Characterization Nanotechnology Platform aktiv.
Um die Forschungsfortschritte in Miniaturisierung und neuen Funktionalitäten umsetzen und testen zu können, existiert im Tsukuba-Cluster eine Produktionslinie für MEMS-Prototypen, die beim National Institute of Advanced Industrial Science and Technology untergebracht ist. Dieses arbeitet auch als Dienstleister mit privaten Unternehmen zusammen. Für den MEMS-Bereich wird in Japan eine spezialisierte Messe - die MEMS Sensing & Network System - angeboten.