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Kasachstan sucht Investoren für Kraftwerke als Netzreserve
Interessenten sind zu Auktionen Ende 2021 eingeladen. Staatliche Investitionszuschüsse fließen in die Modernisierung mehrerer Kraftwerke. Über ein Kernkraftwerk wird debattiert.
25.10.2021
Von Jan Triebel | Almaty
Kasachstans Fortschritt beim Ausbau im Bereich der erneuerbaren Energien hat auch eine Kehrseite: Um einer möglichen Unterversorgung in Phasen mit wenig Sonne oder Wind entgegenzuwirken, müssen Netzreserven her. Die bereits seit einiger Zeit bekannten Pläne wurden nun konkretisiert. Das zuständige Energieministerium hat Ende September 2021 Eckdaten zu drei Kraftwerksprojekten veröffentlicht, für die im Rahmen von Auktionen Investoren gesucht werden. Die Versteigerungen finden vom 27. bis 29. Dezember 2021 statt. Leistungsmäßig geht es um insgesamt 1.140 Megawatt. Die Kapazitäten müssen bis Ende 2025 einsatzbereit sein.
Details zu den angekündigten Auktionen für Netzreserven
Kraftwerksart | Leistung (kombiniert) | Standort (Versorgungszone) | (Angebots-)Höchstpreis für 1 MW installierter Leistung je Monat (in US$ *) | Termin der Auktion |
---|---|---|---|---|
GuD-Kraftwerk | 240 MW | Südzone (Gebiet Kysylorda) | 27.272,54 | 27.12.2021 |
Kraftwerke, die keine fossilen Brennstoffe verwenden | 350 MW | Nord- und Südzone | 23.023,53 | 28.12.2021 |
Gasturbinenkraftwerk und/oder Wasserkraftwerk | 550 MW | Nord- und Südzone | 23.023,53 | 29.12.2021 |
Über den Zuschlag bei dem Auktionsmodell entscheidet der jeweils günstigste Tarif, den die Bieter ansetzen, um ihre Kosten für Bau und Unterhalt der geplanten Kraftwerke einzuspielen. Als Berechnungsgrundlage dient dabei die monatliche Vergütung für jeweils 1 Megawatt installierter Leistung. Für das Vorhalten der fraglichen Kapazitäten gelten jeweils Höchstpreise, die bei den Auktionen nicht überschritten werden dürfen.
Festgelegt wurden zudem weitere Ausschreibungsdetails, darunter die Höhe der finanziellen Sicherheiten, die für die Teilnahme am Zuschlagsverfahren und die Vertragserfüllung anfallen. Außerdem sind potenzielle Investoren aufgefordert, Interessensbekundungen zwischen Mitte und Ende November 2021 beim Energieministerium einzureichen.
Mehr Investitionszuschüsse für Modernisierung bestehender Kraftwerke
Neben der Schaffung von Netzreserven kommt Kasachstan auch bei der Modernisierung und/oder Erweiterung von bestehenden Kapazitäten zur Strom- und Wärmeerzeugung schrittweise voran. Dazu verhandelte das Energieministerium im Herbst 2021 beispielsweise mit insgesamt fünf Kraftwerksbetreibern im Land über den Abschluss von Investitionsabkommen.
Kraftwerksprojekte mit Aussicht auf Investitionsvereinbarung
Kraftwerk (Standort) | Geplante Investition (in Mio. US$*) | Eingesetzter Energieträger | Installierte Leistung (davon von Investitionen betroffen) |
---|---|---|---|
Pawlodarenergo (Pawlodar/Gebiet Pawlodar) | 79 | Kohle | 662 MW (87 MW) |
Stepnogorskaja TEZ (Stepnogorsk/Gebiet Akmola) | 33 | Kohle | 180 MW (50 MW) |
Aktöbe TEZ (Aktöbe/Gebiet Aktöbe) | 31 | Gas | 118 MW (54 MW) |
Sewkasenergo (Petropawl/Gebiet Nordkasachstan) | 20 | Kohle | 541 MW (48 MW) |
Kysylorda teploelektrozentral (Kysylorda/Gebiet Kysylorda) | 17 | Heizöl | 44 MW (44 MW) |
Bei diesen wird traditionell auf das Tarifmodell "Preiszugeständnisse im Tausch gegen Investitionen" gesetzt. Dessen Grundidee ist es, dass der Staat die jeweiligen Vorhaben indirekt bezuschusst. Dazu wird mit dem investitionswilligen Kraftwerksbetreiber ein individueller Großhandelspreis für den von ihm produzierten Strom vereinbart, der teilweise deutlich über dem zentral regulierten Tarif liegt. Die Laufzeit dieser höheren Abnahmepreise beträgt zumeist mehrere Jahre.
Auch wenn dieses Modell nicht unbedingt marktkonform ist, hat sich dieser Ansatz in Kasachstan in den letzten Jahren bereits mehrfach als probates Mittel erwiesen, um die kostspielige Modernisierung und Erweiterung von Kapazitäten zur Strom- und Wärmeerzeugung zu ermöglichen. Im bisherigen Verlauf des Jahres 2021 wurden bereits acht derartige Investitionsvereinbarungen neu abgeschlossen.
Kraftwerksprojekte mit bestehender Investitionsvereinbarung
Kraftwerk (Standort) | Eingesetzter Energieträger | Geplante Maßnahmen | Umsetzungszeitraum *) | von Investitionen betroffene Leistung |
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Batys Power (Beles/Gebiet Westkasachstan) | Gas | Drei neue Gasturbinenblöcke | 2025 bis 2033 | 375 MW |
Karaganda Energozentr (Karagandy/Gebiet Karagandy) | Kohle | Zusätzlicher Dampferzeuger; Austausch Turbineneinheit (jeweils TEZ-2) | 2026 bis 2036 | 105,6 MW |
Ekibastusiskaja GRES-1 (Ekibastus/Gebiet Pawlodar) | Kohle | Umfassende Modernisierung von Block 1 | 2025 bis 2031 | 476,6 MW |
Ust-Kamenogorskaja TEZ (Öskemen/Gebiet Ostkasachstan) | Kohle | Zusätzlicher Dampferzeuger; Austausch Turbineneinheit | 2025 bis 2034 | 118,8 MW |
Ridder TEZ (Ridder/Gebiet Ostkasachstan) | Kohle | Austausch Turbineneinheit | 2023 bis 2029 | 27 MW |
Atyrauskaja TEZ (Atyrau/Gebiet Atyrau) | Gas | Umfassende Modernisierung eines Blocks | 2023 bis 2032 | 120 MW |
SagatEnergy (Atyrau/Gebiet Atyrau) | Gas | Erweiterung | Mitte 2022 bis 2029 | 26 MW |
Schardarinskaja GES (Schardara/Gebiet Turkestan) | Wasser | Umfassende Modernisierung | seit März 2020 bis 2028 | 61 MW |
Parallel dazu halten die Verantwortlichen im Energieministerium Ausschau nach weiteren Optionen, um auch langfristig mit dem steigenden Stromkonsum im Land Schritt halten zu können. Während sich Kasachstans Verbrauch von elektrischer Energie in der Vergangenheit mit durchschnittlich rund 2 Prozent pro Jahr recht überschaubar erhöht hatte, wurde für die ersten neun Monate 2021 ein Stromverbrauch registriert, der um etwa 7 Prozent höher als im fraglichen Vorjahreszeitraum lag.
Bau eines Kernkraftwerks wieder auf der Agenda
Diese Entwicklung hat die bereits seit längerem kontrovers geführte Diskussion über den möglichen Bau eines kasachischen Kernkraftwerks zusätzlich befeuert. Pressemeldungen zufolge werden derzeit verschiedene Optionen von Anbietern dieser Technologie aus den USA, Südkorea, Frankreich, China und Russland geprüft. Daraus resultierende Empfehlungen sollen bis September 2022 der Öffentlichkeit vorgelegt werden. Als ein möglicher Standort wurde in der Vergangenheit immer wieder das südliche Ufer des Balchasch-Sees im Gebiet Almaty ins Gespräch gebracht.
Ob letztlich das kasachische Volk über den Bau eines Kernkraftwerks abstimmen wird, wie es Staatspräsident Kassym-Schomart Tokajew zu einem früheren Zeitpunkt angekündigt hatte, bleibt abzuwarten. Einer aktuellen Umfrage zufolge würden bei einer solchen Abstimmung 55 Prozent der Bevölkerung ein Kernkraftwerk auf kasachischem Boden ablehnen.
Beschränkungen für das Schürfen von Kryptowährungen wahrscheinlich
Um die Versorgungssicherheit bei Strom im Land langfristig gewährleisten zu können, schließt das Energieressort auch Beschränkungen für ausgewählte Konsumenten des recht günstigen kasachischen Stroms nicht aus. Davon betroffen könnte etwa das Schürfen von Kryptowährungen sein, das in Kasachstan 2021 einen starken Zulauf verzeichnet.
So werden aktuell Obergrenzen beim Netzanschluss für Akteure des Bereichs Bitcoin & Co. diskutiert. Eine Kryptofarm soll demnach nur dann vom staatlichen Stromnetzbetreiber KEGOC Zugang zum Netz erhalten, wenn ihre Leistung 1 Megawatt nicht übersteigt. Außerdem soll die landesweite Leistungsaufnahme durch das Kryptomining bei insgesamt 100 Megawatt gedeckelt werden.
Für den jüngsten Popularitätsschub in Kasachstan ist vor allem das Verbot dieser Aktivitäten im Nachbarland China verantwortlich, dass dort im Sommer 2021 verhängt wurde. Als Reaktion darauf wechselten zahlreiche Akteure in die zentralasiatische Steppenrepublik und machten diese für das Kryptomining in kurzer Zeit zum weltweit zweitwichtigsten Standort.
Gemäß dem Cambridge Bitcoin Electricity Consumption Index (CBECI) entfielen im August 2021 auf Kasachstan gut 18 Prozent der weltweiten Hashrate, mit der die für Bitcoin & Co. genutzte Rechenleistung bemessen wird. Der Anteil des Landes war somit mehr als doppelt so hoch wie noch im Juni 2021. Der von der University of Cambridge ermittelte Index sah die USA im August 2021 mit gut 35 Prozent ganz vorne; hinter Kasachstan belegte Russland mit rund 11 Prozent den dritten Rang.