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Branchen | Marokko | Abfallwirtschaft

Marktchancen

In Marokkos Ballungsgebieten wachsen die privaten und industriellen Müllberge. Zwangsläufig steigt die Nachfrage nach praktikablen und nachhaltigen Lösungen.

Von Michael Sauermost | Casablanca

Entsorgungsbedarf wächst

Marokkos wachsender Markt für Abfallentsorgung weist viel Nachholbedarf auf. Das Potenzial für Geschäftschancen ausländischer Unternehmen mit entsprechendem Know-how ist zwar unbestritten. Ohne lokalen Partner und Lobbyarbeit ist der weitgehend regional organisierte Markt jedoch kaum zugänglich.

Der beschleunigte Industrialisierungsprozess sowie die wachsende Urbanisierung stellen die Abfallwirtschaft im Königreich vor neue Herausforderungen. Müll landet derzeit immer noch häufig in unkontrollierte Deponien (décharges non-controlées). Weiterhin wird die Branche von Aktivitäten des unorganisierten Sektors dominiert. Auf dieser informellen Ebene ist ein eigenes Ökosystem von Sammlern, Sortierern und Distributeuren entstanden.

Für die kommenden Jahre wird erwartet, dass sich die Ansiedlung von Exportindustrien fortsetzt, beziehungsweise nach dem Corona-Einbruch wieder an Fahrt aufnimmt. Dann sollte die Nachfrage von nachhaltigen Entsorgungsmodellen in den Industriezonen steigen. Vor allem in Nischenbereichen, wie etwa bei der Entsorgung von Sondermüll, wird in Zukunft internationale Expertise gefragt sein.

Bereits im Jahr 2008 verabschiedete die Regierung mit Unterstützung der Weltbank einen nationalen Abfallplan, das Programme National des Déchets Ménagers (PNDM). Dieser wird in regelmäßigen Abständen angepasst. Für 2020 steckte sich das Königreich hohe Ziele: Ein Fünftel des landesweiten Hausmülls sollte dann entsorgt werden. Jedoch überschritt trotz strategischer Pläne der Regierung die Recyclingquote lediglich knapp die 12-Prozentmarke. Der Nachholbedarf bleibt gewaltig. Und die beschleunigte Müllerzeugung ebbt in den Ballungsgebieten nicht ab. Derzeit erzeugt Marokko mehr als 7,5 Millionen Tonnen an Hausmüll, davon rund 8 Prozent aus Papier und Pappe. Angaben des Umweltministeriums aus dem Jahr 2017 zufolge machen organische Abfälle 66 Prozent des Müllaufkommens aus. 14 Prozent entfallen auf Plastik, 10 Prozent auf Papier und Pappe, 4 Prozent auf Metall, 2 Prozent auf Glas sowie 4 Prozent auf Sonstiges.

Prognostiziertes Abfallaufkommen nach Kategorien (in 1.000 t)

Kategorien

2015

2030

Bau- und Abrissabfälle

14.051

15.646

Industrieabfälle

5.468

12.075

Hausmüll etc.

5.936

9.419

Quelle: Ministre de l‘Énergie, des Mines et de l`Environment

Deponiesanierungen dringend erforderlich

Der Großteil des Haus-, Gewerbe- und Industriemülls wird in Randgebieten gelegenen, offenen städtischen Deponien entsorgt. Diese stellen gesundheitliche Belastungen dar - unter anderem durch die Grundwasserverunreinigung. Das Ministère de l‘Énergie, des Mines et de l'Environnement arbeitet daran, diese mehr als 200 Müllhalden in kontrollierte Deponien (décharges controlées) zu verwandeln. Letztere bewerten Kritiker unter Umweltgesichtspunkten weiterhin nicht als unbedenklich.

Diesem Anspruch werden eher die sogenannten CEV-Entsorgungszentren (Centres d´Enfouissement et de Valorisation) gerecht. Davon sind derzeit etwa 30 bis 40 Anlagen in Betrieb. Eigentlich sollte die Zahl bis zum Jahresende 2021 auf 50 erhöht werden. Auch die Energieerzeugung mit Abfällen soll vorangetrieben werden. Vorzeigeprojekt ist die große Oum-Azza-Anlage, in der aus organischen Abfällen aus den Präfekturen Rabat-Salé und Skhirat-Témara Biogas gewonnen wird. Das französische Zementunternehmen Lafarge Holcim betreibt beispielsweise ein Sortierzentrum zur mechanisch-biologischen Aufbereitung und Gewinnung von Brennstoffen für die Zement- und Klinkerherstellung.

Industrie sucht Lösungen

Verschiedene Initiativen zur Verwertung von Industrieabfällen werden mit Hilfe von ausländischem Kapital und Know-how durchgeführt. Im April startete beispielsweise ein Projekt der Confédération Générale des Entreprises du Maroc (CGEM) von Tanger-Tetouan-Al Hoceïma (TTA) und von fünf Verbänden, die die Industriegebiete von Tanger vertreten. Die International Finance Corporation (IFC) finanziert die Verwertung von Industrieabfällen in Tanger, Marokko.

Immer häufiger schließen Branchenunternehmen Verträge direkt mit Industrieherstellern ab. So gewann die Firma Suez Maroc, Tochter des französischen Suez-Konzerns, im März 2021 den Entsorgungsauftrag für die Moroccan Tobacco Company (SMT). Der Zweijahresvertrag ist Pressemeldungen zufolge mit knapp 560.000 Euro dotiert. Im Vorjahr hatte Suez Maroc bereits den Zuschlag für die Abfallentsorgung der französischen Automobilhersteller PSA und Renault vor Ort erhalten. Zwei Dreijahresverträge wurden über eine Summe von 17,6 Millionen Euro unterzeichnet.

Nischen für Neueinsteiger

In Zukunft dürften sich für Neueinsteiger insbesondere Chancen in Nischensegmenten ergeben. Auch die Digitalisierung könne bei der organisierten Müllentsorgung und -verwertung eine wachsende Rolle vor Ort spielen. Im Bereich der Energiegewinnung aus Abfall werden ebenfalls Geschäftschancen gesehen, auch wenn die Hürden für Investoren dort bislang noch hoch sind. Die zukünftige Entwicklung der Marktchancen für die Behandlung von Sondermüll dürften von der Verschärfung gesetzlicher Rahmenbedingungen abhängen.

Die marokkanische Flughäfenbehörde, Office National Des Aéroports (ONDA), plant den Bau eines Lager-, Stilllegungs- und Recyclingzentrums für Flugzeuge. Die Auftragsvergabe ist noch für das Jahr 2021 vorgesehen. Die Verträge sollen zunächst für einen Zeitraum von zehn Jahren abgeschlossen werden. Durch die Coronakrise ist die Nachfrage an Lagerung von Flugzeugen gestiegen. Bei stillgelegten Maschinen sollen die noch nutzbaren Teile beziehungsweise Materialien gewinnbringend veräußert werden.

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