Dieser Inhalt ist relevant für:
MarokkoTourismus
Branchen
Branchenbericht Marokko Tourismus
Die Folgen der Coronapandemie für die marokkanische Tourismusbranche sind gravierend. Der Staat ist gefordert, den gesamtwirtschaftlichen Schaden zu begrenzen.
20.05.2020
Von Michael Sauermost | Marokko
Der Branchenverband Association Nationale des Investisseurs Touristiques (ANIT) geht davon aus, dass die durch die Krise bis zum Jahreswechsel 2021 zu erwartenden Verluste des Sektors bis zu 13 Milliarden US-Dollar (US$) erreichen könnten. Durch Unterstützungsmaßnahmen könnten diese auf rund 4,5 Milliarden US$ reduziert werden. Außerdem sei dann eine vollständige Rückkehr zur Normalität ab spätestens 2022 möglich. Ohne Hilfe könne sich die Erholung bis 2024 hinziehen.
Als Mitte März 2020 vor dem Hintergrund der Coronapandemie die Landesgrenzen Marokkos geschlossen wurden und auch der Inlandsverkehr zum Erliegen kam, fiel der marokkanische Tourismussektor in einen Dornröschenschlaf. Die marokkanische Bank CDG Capital (Caisse de Depot et de Gestion) ging im April 2020 davon aus, dass die Sektorumsätze im Kalenderjahr um 40 bis 80 Prozent gegenüber dem Vorjahr zurückgehen dürften. Vorher war die Branche noch im Aufwind: Laut Observatoire du Tourism Maroc reisten 2019 rund 13 Millionen internationale Besucher in das Königreich. Das waren 5,2 Prozent mehr im Vergleich zu 2018.
Die wirtschaftlichen Folgen für die wohl am stärksten von der Coronakrise betroffenen Branche konnten bislang nur ansatzweise von der staatlichen Unterstützung abgefedert werden. Dazu zählten unter anderem die Aussetzung der Sozialbeitragszahlungen an die Caisse Nationale de Sécurité Sociale (CNSS) oder die Stundung von Kreditraten.
Die Conféderation Nationale du Tourism (CNT) fordert eine radikale Ausweitung dieser als unzureichend erachteten Maßnahmen, deren Laufzeit ohnehin nur bis Ende Juni 2020 begrenzt seien. Weitere Firmeninsolvenzen sollen soweit möglich vermieden werden. Das Comité de Veille Économique (CVE) habe eindrucksvoll auf die gesamtwirtschaftlichen, negativen Folgen des Erliegens des Tourismussektors für die marokkanische Wirtschaft hingewiesen.
In dem Forderungskatalog der CNT geht es um eine weitere Verschiebung der Kreditlaufzeiten auf mindestens zwölf Monate. Banken sollten zudem bereit sein, den Sektor in den kommenden Monaten mit Liquidität zu versorgen. Steuerzahlungen sowie die Begleichung von Wasser- und Stromrechnungen sollten ebenfalls bis 2021 aufgeschoben werden. Die erweiterten Hilfsmaßnahmen könnten nicht zuletzt dazu beitragen, die Kaufkraft der Mittelschicht im Königreich zu erhalten. Für Unternehmen, die weiterhin 80 Prozent ihrer bisherigen Angestellten beschäftigen, wird eine zwölfmonatige Befreiung von Sozial- und Steuerbelastungen gefordert.
Die CNT hat mehrere Vorschläge entwickelt, um den Tourismus wiederzubeleben. Ein öffentliches Werbebudget könnte zunächst die lokale, später die internationale Nachfrage nach dem Ende des Lockdowns stimulieren. Im Rahmen einer Kampagne soll auch gezielt über die sanitären Rahmenbedingungen im Königreich informiert werden.
Für die Umsetzung der Maßnahmen sei ein zwei bis drei Jahre laufender Unterstützungsfonds für den Sektor erforderlich. Die CNT fordert öffentliche Mittel in Höhe von knapp 160 Millionen Euro. Davon sollen etwa 70 Prozent für das "Überleben" des Sektors und 30 Prozent für den Neustart verwendet werden. Durch staatliche Hilfe könnte der Verlust der Branche auf 4,5 Milliarden US-Dollar begrenzt werden. Ohne Unterstützung drohe dagegen ein Verlust von bis zu 12,8 Milliarden US$.
Derzeit entwickeln die Ministerien für Tourismus sowie Gesundheit zusammen mit dem Verband ein standardisiertes Hygienekonzept. Das soll zunächst den Start des nationalen Tourismus ermöglichen. Spätestens bis Anfang Juli wird eine Bekanntgabe der neuen Sicherheits- und Gesundheitsstandards erwartet. Die Belegungsquote für Hotels, Restaurants oder Freizeiteinrichtungen könnte demnach zunächst auf 50 Prozent des Normalbetriebs limitiert bleiben. Im Falle einer Missachtung der Regeln sollen drastische Sanktionen verhängt werden. Dass während der Sommermonate 2020 noch Touristen aus dem Ausland ein Ticket in Richtung Königreich lösen können, wird gegenwärtig eher ausgeschlossen.