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MENAWasser und Umwelt / Abwasserentsorgung, Entwässerung / Wasser- und Abwassertechnologie, übergreifend
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Branchen | MENA | Wasser und Umwelt
25.11.2020
Von Michael Monnerjahn | Bonn
Die große Mehrheit der Menschen in der MENA-Region kann zumindest auf eine einfache Abwasserentsorgung zurückgreifen. Nach Angaben der Vereinten Nationen (UN) ist ihr Anteil von 77 Prozent im Jahr 2000 auf 88 Prozent im Jahr 2017 gestiegen. Die Angaben zur einfachen Abwasserentsorgung (die UN definieren »Sanitation« als Bereitstellung von Toiletten und Dienstleistungen für die Entsorgung von menschlichen Fäkalien) variieren stark. Internationale und nationale Statistiken weisen teilweise große Unterschiede bei Zahlen zur Abwasserentsorgung und -aufbereitung auf. Grundsätzlich ist zwar seit der Jahrtausendwende die Anzahl der Haushalte in der MENA-Region, die an Abwassersysteme angeschlossen sind, angestiegen. Allerdings wird nur ein Bruchteil der Abwässer nach den in Deutschland üblichen drei Stufen – der mechanischen, der biologischen und chemischen Reinigung – geklärt. In einigen Ländern wird über 90 Prozent des Abwassers nach relativ hohen Standards gereinigt, in anderen Staaten sind es weniger als 50 Prozent und dies dann teilweise auch nur mechanisch.
In den Golfstaaten verfügen nach Angaben der UN 99 Prozent der Einwohner über einen entsprechenden Anschluss. Die nordafrikanischen Länder müssen dagegen noch einige Anstrengungen unternehmen, um die gesamte Bevölkerung an das Abwassersystem anzuschließen. Algerien ist mit einem Anteil von 88 Prozent am Abwassersystem angeschlossenen Einwohnern das Schlusslicht in Nordafrika. Tunesien dagegen konnte den Anteil von 77 Prozent im Jahr 2000 auf 91 Prozent im Jahr 2017 steigern und Marokko im selben Zeitraum sogar von 66 Prozent auf 98 Prozent. Mit Ägypten kann das bevölkerungsreichste Land der Region immerhin 94 Prozent der Einwohner mit einem Abwassersystem versorgen. Wie bei der Wasserversorgung hat der Jemen auch bei der Wasserentsorgung mit einer Anschlussquote von 59 Prozent neben den Palästinensischen Gebieten mit 54 Prozent den schlechtesten Wert.
Das Ziel der Vereinten Nationen, bis zum Jahr 2030 die Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle zu gewährleisten, erscheint insgesamt noch möglich. Dazu müssten jedoch in der Region bis 2030 jährlich 4 Milliarden US-Dollar (US$) in den Bau und die Instandsetzung von Abwassersystemen investiert werden. Die Golfstaaten sind in der Lage, diese Investitionen aus eigenen Finanzmitteln zu stemmen. Die nordafrikanischen Länder und Staaten wie Jordanien und Libanon sind dagegen auf internationale Entwicklungsbanken und die Entwicklungszusammenarbeit angewiesen.
Auch im Bereich des Abwassermanagements ist Jordanien ein Schwerpunktland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit. Bundesentwicklungsministerium und Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) unterstützen die jordanische Wasserbehörde bei der Verbesserung des Abwassersystems. Die Abwassersysteme arbeiten derzeit an der Kapazitätsgrenze und der Reinigungsgrad erreicht bisher häufig nur eine niedrige Stufe. Die GIZ und weitere Partner unterstützen die jordanische Wasserbehörde dabei, die Prozesse effektiver und effizienter zu gestalten und das Personal zu qualifizieren, um die Qualität des gereinigten Abwassers deutlich zu verbessern. Dabei sind auch deutsche Ingenieurbüros eingebunden, wie zum Beispiel die GOPA Infra GmbH und die Dorsch Gruppe. Das wiederaufbereitete Abwasser kann dann wiederverwertet werden und wird zu einem Großteil in der Landwirtschaft verwendet. In Marokko werden bislang knapp über 70 Prozent des Abwassers einer zumindest einfachen Aufbereitung unterzogen. Um die Quantität und Qualität der Wasseraufbereitung zu verbessern, soll allein im Zeitraum von 2019 bis 2023 die Anzahl der Kläranlagen von 101 auf mindestens 164 erhöht werden. Ein besonders großer Bedarf herrscht in den ländlichen Regionen, wo wiederum auch der Großteil von qualitativ aufbereitetem Wasser verwendet werden könnte. Die nationale Trinkwasserbehörde Office National de l’Electricité et de l’Eau Potable (ONEE) ist in Marokko der wichtigste Akteur für die Wasserver- und -entsorgung. Die wichtigen Ausschreibungen und Aufträge werden durch die ONEE vergeben.
In Tunesien ist die nationale Trinkwasserbehörde Office National de l‘ Assainissement (ONAS) ebenfalls der wichtigste Akteur im Sektor. Die ONAS ist für mindestens 80 Prozent der Abwasserreinigung zuständig. Die deutsche KfW förderte mit 110 Millionen Euro die Erneuerung der tunesischen Kläranlagen, die Ende 2019 nach zehnjähriger Laufzeit abgeschlossen wurde. Neue Mittel in Höhe von 33 Millionen Euro stehen jetzt für die Verbesserung der Abwasserentsorgung in urbanen Gebieten zur Verfügung. Auch die Europäische Investitionsbank (EIB) und andere europäische sowie internationale Finanzinstitutionen stellen für den tunesischen Wassersektor Gelder zur Verfügung. Der Wassersektor ist ein Schwerpunktthema der Europäischen Union (EU) in der Zusammenarbeit mit Tunesien.
Ägypten ist in Nordafrika der mit Abstand größte Markt im Wassersektor. Allein im Rahmen des Rural Sanitation Services Programme, das durch die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE) unterstützt wird, sollen rund 10 Milliarden US$ investiert werden. Gemeinsam mit der EIB finanziert die EBWE in der Stadt Fayoum den Bau von neun Kläranlagen mit einem Projektvolumen in Höhe von 448 Millionen Euro. Die Projekte und Ausschreibungen werden in Ägypten von verschiedenen Ministerien vorgenommen. Dazu gehören zum Beispiel das Ministerium für Wasser sowie das Ministerium für Wohnungsbau, Versorgungsunternehmen und Stadtentwicklung. In den vergangenen Jahren hat außerdem das Ministerium für die Produktion des Militärs eine zunehmend wichtigere Funktion. Es übernimmt teilweise koordinierende Funktion bei der Vergabe von Aufträgen.
Das bevölkerungsreichste Land der Region setzt bei der Entwicklung des Wassersektors nicht nur auf ausländische Gelder und das Know-how von internationalen Experten. Vielmehr will Ägypten auch Unternehmen aus der Branche ansiedeln. Die lokale Fertigung von dezentralen beziehungsweise kleineren Kläranlagen für ländliche Regionen ist zum Beispiel ein Ziel der Regierung. Ein deutsches Unternehmen befindet sich in Gesprächen mit der Regierung zum Aufbau einer entsprechenden Produktion in Ägypten.
Das Abwassersystem Algeriens ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Die Länge des Abwassernetzes verdoppelte sich von 21.000 Kilometer im Jahr 1995 auf 41.000 Kilometer im Jahr 2011 und sollte eigentlich bis Ende 2020 auf dann 54.000 Kilometer anwachsen. Der angestrebte Ausbau kam bisher jedoch nicht so schnell voran wie ursprünglich geplant. Derzeit dürfte das Abwassersystem eine Länge von 47.000 Kilometer betragen. Auch die Kapazität der Kläranlagen, die nach Plänen aus dem Jahr 2014 auf 1,2 Milliarden Kubikmeter pro Jahr anwachsen sollte, konnte mit den ursprünglichen Plänen nicht mithalten. Derzeit erreicht sie nur ein Viertel des geplanten Volumens.
Die Projekte werden nicht so schnell umgesetzt, wie sie ursprünglich geplant wurden. Das Ministerium für Wasser und Umwelt ist für den Wassersektor zuständig. Unter Aufsicht des Ministeriums sind die beiden Staatsunternehmen Algérienne des Eaux (ADE) und das Office Nationale d’Assainissement (ONA) federführend. Das ONA ist im Bereich der Abwasserentsorgung hauptsächlich zuständig und hat wiederum in den größeren Städten Algier, Constantine und Oran eigene Tochtergesellschaften gegründet. Die internationale Entwicklungszusammenarbeit ist in Algerien bisher nur sehr gering involviert. Seit Anfang 2020 ist zwar eine neue Regierung im Amt, aber die politischen Proteste dauern an und der für einen Neubeginn der internationalen Zusammenarbeit notwendige Politikwechsel steht bislang aus. Der Markt ist potenziell – neben Ägypten – für die deutschen Unternehmen der größte Markt in Nordafrika. Bürokratie und Rechtsunsicherheit führen jedoch bisher zu einem zurückhaltenden Engagement deutscher Unternehmen vor Ort. Generell interessiert sich Algerien für die Abnahme von kompletten Anlagen. Die eher mittelständisch geprägte deutsche Wasserwirtschaft kann in Algerien trotzdem zum Zuge kommen, wenn sie Konsortien bildet.
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